Zusammenfassung
In den letzten Jahren ist der Sozialstaat in Italien zunehmend ins Zentrum politischer Auseinandersetzungen gerückt. Zahlreiche Besonderheiten und Probleme wie das dramatische Nord-Süd-Gefälle, die ungunstige Entwicklung der Altersstruktur, die hohe Staatsverschuldung und die weit verbreitete Schattenwirtschaft stellen die sozialen Sicherungssysteme vor schwierige Herausforderungen. Waren in den 80er-Jahren wichtige sozialpolitische Reformen trotz einer Vielzahl struktureller Probleme unterblieben, so änderte sich dies in den 90er-Jahren. Der italienische Sozialstaat hat seitdem einschneidende Reformen erfahren, die so bedeutsam waren, dass gar von einer „kopernikanischen Revolution“ die Rede war (Ferrera/Gualmini 2000: 367). Ein wesentlicher Anstoß für den beeindruckenden Sozialpolitikwandel war — so die hier vertretene These — die zunehmende europäische Integration. Insbesondere die im Maastrichter Vertrag vereinbarten wirtschaftspolitischen Zielgroßen stellten für die italienische Sozialpolitik einerseits Zwänge dar, andererseits ermöglichten sie jedoch in dem fragmentierten Parteiensystem Italiens Reformen, die zuvor an der Schwäche und Kurzlebigkeit zahlreicher Vielparteienregierungen gescheitert waren (Gohr 2001b). Verstärkt wurde der externe Druck durch interne Ereignisse, wie den Zusammenbruch des Parteiensystems und das Erscheinen neuer politischer Akteure zu Beginn der 90er-Jahre. Der weit reichende sozialpolitische Wandel wurde damit durch eine Kombination aus endogenen und exogenen Faktoren bewirkt.
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Gohr, A. (2001). Der italienische Wohlfahrtsstaat: Entwicklungen, Probleme und die europäische Herausforderung. In: Kraus, K., Geisen, T. (eds) Sozialstaat in Europa. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90706-6_7
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