Zusammenfassung
Die Frage nach den Ursachen krimineller Gewalttaten von Jugendlichen ist schon seit einiger Zeit nicht mehr nur ein Gegenstand der Kriminologie, sondern ein beherrschendes Thema in der sozialwissenschaftlichen Forschung überhaupt. Die interdisziplinären Ergebnisse sind in ihrer Fülle und Vielfalt kaum mehr überschaubar. Dennoch ergibt sich auch nach dem Versuch der Zusammenschau der Resultate z.B. in den Berichten der Anti-Gewalt-Kommission in Deutschland (1990) und den USA (1993) erheblicher weiterer Forschungsbedarf. Nach übereinstimmender Auffassung besteht dieser insbesondere darin, wie die Makro-Ebene der gesellschaftlichen Bedingungen und die Mikro-Ebene der Persönlichkeitsentwicklung und individuellen Verarbeitung der gesellschaftlichen Umstände zusammenwirken. Diese Fragestellung zielt nicht auf die Feststellung einzelner Merkmale oder Syndrome, sondern versucht, integrierende Erkenntnisse zu den Wirkungszusammenhängen und Lebensverläufen zu erhalten. Der politische und soziale Umbruch im Osten Deutschlands von 1989 rückt diese Kernfrage nach einem integrierenden Modell zur Erklärung gewalttätigen Verhaltens stärker als bisher in den Mittelpunkt. Die quasi — experimentelle Situation der plötzlichen Änderung der gesellschaftlichen Bedingungen und die dabei wegen ihres Anstiegs stark beachtete Jugendkriminalität fordern kriminologische Analysen zum Zusammenhang von Makro- und Mikro-Ebene heraus.
„Das Schreckliche mit der sogenannten sinnlosen Gewalt ist nicht, daß sie sinnlos und unverständlich ist, sondern umgekehrt: Daß sie sich als eine Nachricht verstehen läßt, an der wir nicht teilhaben wollen“
(Per Svensson: Der lächelnde Mörder)
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Rössner, D., Meyer, A., Diedrich, I. (1998). Gesellschaftliche Ausgrenzung und Jugendgewalt — eine biographieanalytische Studie. In: Reichertz, J. (eds) Die Wirklichkeit des Rechts. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90685-4_6
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