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Die Entstehung des Büros

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Das Büro als Milieu
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Zusammenfassung

Die Welt der Kontore und Kanzleien war zu Lebzeiten von E.T.A. Hoffmann, also zu Beginn des 19. Jahrhunderts, wie schon zu Zeiten der Fugger ganz selbstverständlich eine reine Männerwelt. Wenngleich für die Mehrzahl der dort Beschäftigten der Verdienst kaum zur Gründung einer Familie ausreichte und das Bild des armen mittellosen Schreibers ein häufig verwendetes Sujet in der Literatur wurde, war es doch auch eine Welt der Privilegien, die die Chance oder auch nur die Illusion bot, gesellschaftlich aufzusteigen10. Im Vergleich zum Bauern oder zum Proletarier galten die Kaufmannsgehilfen und Kanzleisekretäre ‘etwas’. Ihre Nähe zum Geld und zur Macht gab ihnen Selbstbewußtsein, ließ sie im allgemeinen Ansehen steigen und verlangte nach eigenen Standesregeln. Doch schon der Weg vom Schreiber zum Bürovorsteher war beschwerlich und erforderte eine hohe Anpassungsbereitschaft, die jederzeit — folgt man literarischen Vorlagen — durch puren Opportunismus ersetzt werden konnte, ja mußte. So schreibt Honoré de Balzac in seinem 1841 erschienenen Roman “Physiologie des Employés”:

“Da die laufenden Geschäfte unablässig erledigt werden müssen, schwimmt eine gewisse Zahl von Angestellten an der Oberfläche, die unentbehrlich sind, aber jederzeit verabschiedet werden können, jedoch ihre Posten behalten wollen. So ist die Bürokratie entstanden, eine gigantische Macht, die von Zwergen in Bewegung gesetzt wird.” (1971, 439)

“Da schleiche ich träge und unmutig in Herrn Elias Roos’ Comptoir: Da stehen bleiche Gesichter vor großen unförmigen Pulten, und das Geräusch des Blätterns in den großen Büchern, das Klappern das gezählten Geldes, einzelne unverständliche Laute unterbrechen die düstere Stille, in die alles arbeitend versunken. Und was für Arbeit? Wozu alles Sinnen, alles Schreiben? Damit sich die Goldstücke im Kasten mehren.”

E.T.A. HOFFMANN (Der Artushof)

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Literatur

  1. Vgl. z.B. die Biographie von Schliemann, dem Entdecker Trojas, der sein Vermögen als Kaufmann erwarb und doch — so will es zumindest die Legende — als mittelloser Kaufmannsgehilfe begann (vgl. CREPON/-BÖLKE 1990).

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  2. Die von BRAVERMAN beschriebenen Prinzipien kapitalistischer Produktionsweisen kamen damit auch im Dienstleistungsbereich voll zum Tragen und führten darüber hinaus zu einer geschlechtsspezifischen Ausdifferenzierung bestimmter Tätigkeitsbereiche. “Das kapitalistische Prinzip der Teilung der Arbeit bei mechanischen wie bei geistigen Arbeiten besteht demnach darin, daß man nur soviel Geschicklichkeit und Kenntnis zu kaufen und anzuwenden braucht, als zu diesem Prozeß nötig ist.” (BRAVERMAN 1977, 11) Genau auf diese ‘Geschicklichkeit’ wurden Frauen in ihrer Arbeitsleistung auf lange Zeit und — wie noch zu zeigen sein wird — bis heute reduziert.

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  3. An dieser Stelle sei zunächst der Begriff der Textverarbeitung erläutert: WELTZ/LULLIES verweisen darauf, daß die Differenzierung zwischen Textverarbeitung und Textbearbeitung sich in der Praxis daraus ergibt, daß “Textverarbeitung (…) weitgehend synonym mit maschineller Textverarbeitung gebraucht (wird).” (1983, 26).

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  4. Als Beleg sei an dieser Stelle ein Beispiel aus dem gewerkschaftlichen Alltag angeführt, welches sicherlich nicht als repräsentativ, aber als symptomatisch gelten kann: In der Vorbereitungszeit für meine Untersuchung wandte ich mich an eine Frauensekretärin einer Gewerkschaft, um sie um Vermittlung betrieblicher Kontakte zu bitten. Auf meine Frage, ob sie auch Schreibkräfte betreue und ob sie mir sagen könne, in welchen Betrieben noch zentrale Schreibdienste bestünden, konnte sie nur antworten, daß sie nicht wisse, ob regional solche Betriebe zu finden seien. Sie habe jedenfalls keinen Kontakt zu Frauen aus Schreibdiensten. Sie verwies mich aber an eine Betriebsrätin, die mir dann den Kontakt zu Frauen im Schreibdienst ihres Betriebs vermittelte.

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  5. Nachfolgend wird von ‘Schreibkräften’ gesprochen, da es sich bei diesem Begriff um die in der Praxis gängige Berufsbezeichnung handelt; obwohl der diffamierende Charakter dieser Wortschöpfung nicht übersehen werden kann und soll!

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  6. Vgl. Deutscher Bundestag: Zwischenbericht der Enquetekommision “Zukünftige Bildungspolitik — Bildung 2000”, 1989.

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  7. In einer Studie zur Chancengleichheit in der beruflichen Bildung, die vom “Zentrum für die Förderung der Berufsausbildung” 1982 herausgeben wurde, heißt es dazu: “Die in Folge der geschlechtlichen Verbindlichkeit der familialen Rolle der Frau im weiblichen Lebenskonzept erforderliche Vereinbarung von beruflichen und familiären Anforderungen verläuft entsprechend den Aufgaben der befragten Frauen im wesentlichen zwar (…) ohne Friktion, ist aufgrund der mit der Ausübung von Führungspositionen verbundenen hohen beruflichen Anforderungen zum Teil jedoch auch mit Konflikten im privaten/familiären Bereich verbunden. Private Probleme aufgrund hoher beruflicher Anforderungen nehmen bei den im Handel und der Computerindustrie in Führungspositionen eingesetzten Frauen zudem mit steigenden Niveau der ausgeübten Führungsposition zu. Als berufsbedingte Probleme im privaten/familiären Bereich werden vor allem die aufgrund hoher beruflicher Anforderungen zu geringe Zeit für Partner, Familie, Haushalt und Freizeit sowie lange oder unregelmäßige Arbeitszeiten bzw. Überstunden angeführt.” (ebd., 352)

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Dilcher, B. (1995). Die Entstehung des Büros. In: Das Büro als Milieu. Gabler Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90649-6_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-90649-6_2

  • Publisher Name: Gabler Verlag

  • Print ISBN: 978-3-8244-4182-2

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