Zusammenfassung
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts können wir in den Vereinigten Staaten von Amerika eine zunehmende Tendenz bei größeren Unternehmen erkennen, Direktinvestitionen im Ausland zu tätigen1. Die Anwendung des Systems der austauschbaren Teile und der Massenproduktion2 hatte die US-Wirtschaft gezwungen, sich über die eigenen Grenzen auszudehnen. Das Mittel des Warenexports reichte einer stärkeren Hinwendung zum Protektionismus und einer international erstarkenden Konkurrenz nicht mehr aus, um trotz fallender Frachtraten gewerbliche Produkte in den aufstrebenden Industriestaaten in steigendem Maße abzusetzen. Größere Marktnähe, die Anpassung der Produkte an den Bedarf, die Kundenwerbung und Kundenberatung waren weitere Faktoren, Direktinvestitionen in anderen Staaten zu rechtfertigen. Ausländische Direktinvestitionen amerikanischer Firmen sind also keineswegs, wie dies manchmal zu lesen ist, eine Erscheinung der Zeit nach dem Ersten oder sogar erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Deshalb ist es auch für die Periode vor 1914 keineswegs zutreffend, wenn behauptet würde, daß “the American investor had not become internationally minded, and a wide-spread prejudice against foreign investments made it both difficult and costly to obtain the capital necessary for foreign expansion”3.
“Für mich galt: ‘Hilf dir selbst, so helfen dir die Vereinigten Staaten!’”
Konrad Adenauer, 1965
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Literatur
Mira Wilkins, The Emergence of Multinational Enterprise: American Business Abroad from the Colonial Era to 1914, Cambridge, Mass./London 1970, hat die wichtigsten Entwicklungen dargestellt.
Vgl. David A. Hounshell, From the American System to Mass Production 1800–1932. The Development of Manufacturing Technology in the United States, Baltimore/London 1984, S.67ff.
So Everett Stahl, Branch Factories in Foreign Countries, in: Harvard Business Review, VIII, 1929/30, S.96.
Vgl. Ralph W. Hidy/Muriel E. Hidy, Pioneering in Big Business 1882–1911. History of Standard Oil Company (New Jersey), New York 1955, S.123ff.
Vgl. Hubert Kiesewetter, Beasts or Beagles? Amerikanische Unternehmen in Deutschland, in: Hans Pohl (Hrsg.), Ausländische Unternehmen in Deutschland, Stuttgart 1991. In der Literatur findet sich häufig die Jahresangabe 1909 für den Produktionsbeginn in Neuss, doch wurde in dem Jahr erst mit dem Bau des Werkes begonnen.
Tilman Driessen, Von Hollerith zu IBM. Zur Frühgeschichte der Datenverarbeitungstechnik von 1880 bis 1970 aus wirtschaßswissenschafllicher Sicht, Köln 1987 (Wirtschafls- und Rechtsgeschichte, Bd.5); Kleine Chronik der IBM Deutschland 1910–1985, 5. Aufl., Stuttgart 1986.
Vgl. Von Menschen und Automobilen. 50 Jahre Ford Deutschland 1925/1975, Köln 1975; Hanns-Peter Rosellen, “...und trotzdem vorwärts”. Die dramatische Entwicklung von Ford in Deutschland 1903 bis 1945, Frankfurt a.M. 1986; ders., Ford-Schritte. Der Wiederaufstieg der Ford-Werke Köln von 1945 bis 1970, Frankfurt a.M. 1988.
Es ist bezeichnend, daß die meisten neueren amerikanischen ebenso wie die meisten deutschen Analysen über ausländische Direktinvestitionen von US-Multinationals entweder auf der Zeitschrift Fortune basieren, die seit 1954 jährlich “The Fortune 500. The Largest U.S. Industrial Corporations” zusammenstellt, oder aus arbeitsökonomischen Gründen die bedeutendsten Unternehmen auswählen, wobei allerdings manchmal unzulässig verallgemeinert wird. Vgl. z.B. John H. Dunning/Robert D. Pearce, The World’s Largest Industrial Enterprises 1962–1983, New York 1985;
Rolf Jungnickel/Henry Krägenau/Matthias Lefeld/Manfred Holthus unter Mitarbeit von Barbara Erhardt, Einfluß multinationaler Unternehmen auf Außenwirtschaft und Branchenstruktur der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg 1977 (Veröffentlichungen des HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung Hamburg);
James W. Vaupel/Joan P. Curhan, The World’s Multinational Enterprises. A Sourcebook of Tables Based on a Study of the Largest U.S. and Non-U.S. Manufacturing Corporations, Genf 1974;
Raymond Vernon, Sovereignty At Bay. The Multinational Spread of U.S. Enterprises, London 1971. Jungnickel u.a. haben z.B. in ihrer für das Jahr 1972 durchgeführten HWWA-Untersuchung nur solche ausländischen multinationalen Unternehmen aufgenommen, die zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik mit ihren deutschen Tochtergesellschaften einen Umsatz von mindestens 500 Millionen DM erzielten. “Diese Umsatzgrenze wurde gewählt, weil in Deutschland erst dann eine generelle, von der Rechtsform unabhängige Publikationspflicht einsetzt und nur über diese Unternehmen ausreichende Informationen vorlagen.” (S.42) Allerdings konnten aufgrund dieser Vorgehensweise nur insgesamt 31 ausländische Multis in der Bundesrepublik erfaßt werden, so daß Aussagen über deren Einfluß und Wirkungen alles andere als repräsentativ ausfallen müssen, trotz ihrer hohen Anteile am Umsatz und an der Beschäftigung. Die Autoren dieser Studie scheinen dies nicht genügend bedacht zu haben.
Max Kruk, Die oberen 30.000. Industrielle, Bankiers, Adelige, Wiesbaden 1967, S.98.
Vgl. Wer gehört zu wem. Mutter- und Tochtergesellschaften von A-Z, l.Aufl. (Berlin), Dezember 1954. Die 2. Auflage erschien im September 1955, die 3. Auflage im August 1957, die 4. im April 1959, die 5. im Januar 1961, die 6. im Januar 1964, die 7. im Januar 1967, die 8. im April 1969, die 9. im April 1971, die 10. im Mai 1973 und die ll.Auflage im April 1975. Von 1954 bis 1975 haben sich die er-faßten Gesellschaften von 1.100 auf 8.267 erhöht. In den folgenden Jahren erschienen unregelmäßig weitere Commerzbank-Handbücher. Die zuletzt erschienene 16. Auflage: Wer gehört zu wem. A guide to capital links in West German companies, Frankfurt a.M. 1988, erfaßte 10.318 Gesellschaften.
Ursprünglich waren in einem “Anhang” alle erfaßten amerikanischen Unternehmen zwischen 1954 und 1974 tabellarisch nach Branchen zusammengestellt worden. Da dieser “Anhang” über 100 Seiten umfaßt, konnte er hier nicht abgedruckt werden.
Vgl. z.B. Heiner R. Adamsen, Investitionshilfe för die Ruhr. Wiederaufbau, Verbände und Soziale Marktwirtschaft 1948–1952, Wuppertal 1982 (Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens, Bd.4);
Gerold Ambrosius, Die Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft in Westdeutschland 1945–1949, Stuttgart 1977 (Studien zur Zeitgeschichte, Bd. 10);
Theodor Eschenburg, Jahre der Besatzung 1945–1949, Stuttgart 1983 (Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd.l);
Michael Fichter, Besatzungsmacht und Gewerkschaften. Zur Entwicklung und Anwendung der US-Gewerkschaftspolitik in Deutschland 1944–1948, Opladen 1982 (Schriften des Zentralinstituts för sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, Bd.40).
Rainer Hellmann, Amerika auf dem Europamarkt. US-Direktinvestitionen im Gemeinsamen Markt, Baden-Baden 1966, S.24 (Schriftenreihe zum Handbuch för Europäische Wirtschaft, Bd.33).
Zitiert in Werner Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland (1945–1980), Frankfurt a.M. 1983, S.76 (edition suhrkamp, 1241). Dort (S.83) wird behauptet: “Die Koreakrise hat die korporative Durchdringung der westdeutschen Marktwirtschaft außerordentlich beschleunigt.”
Siehe Obie G. Whichard, Trends in the U.S. Direct Investment Position Abroad, 1950–79, in: Survey of Current Business, Febr. 1981, Bd.61, Nr.2, S.39ff.
Der Anteil Lateinamerikas sank noch viel stärker, nämlich von 39 Prozent 1950 auf 19 Prozent 1979.
In der Verarbeitenden Industrie sank der Anteil Großbritanniens an den US-Direktinvestitionen in Europa von 58 Prozent im Jahre 1950 auf 29 Prozent 1979. England trat erst 1973 der EWG bei, d.h. nach dem Scheitern der Beitritts Verhandlungen im Januar 1963 mußten einige amerikanische Unternehmen die Hoffnung aufgeben, Produkte von ihren englischen Firmen nach dem Kontinent zu exportieren; deshalb flössen mehr US-Direktinvestitionen in die westeuropäischen Staaten.
Errechnet aus Whichard, Trends (Anm. 15), S.50f., Tab.7.
Edward A. McCreary, The Americanization of Europe. The Impact of Americans and American Business on the Uncommon Market, Garden City (N.Y.) 1964, deutsch: Die Dollar-Invasion, Amerikanische Firmen und Manager in Europa, München 1965. Dort (S.23) heißt es über die Amerikanisierung Europas: “Sollte damit gemeint sein, daß von nun an in Europa amerikanische Ideen, Einstellungen und Vorurteile gelten, dann lautet die Antwort nein. Falls aber ‘Amerikanisierung’ die Entwicklung und Ausbreitung amerikanischer oder ähnlicher Güter, Verfahren und Organisations formen in Europa bedeutet, besteht die Antwort in einem qualifizierten Ja.”
Jean-Jacques Servan-Schreiber, Die amerikanische Herausforderung, Hamburg 1969, (Vorwort von Franz Josef Strauß). Im Original: Le défi américain, Paris 1967.
C.F. Karsten, Should Europe Restrict U.S. Investments? (1965), in: American Foreign Economic Policy. Essays and Comments, hrsg. v. Benjamin J. Cohen, New York (N.Y.) 1968, S.235.
Vgl. Rainer Hellmann, Weltunternehmen nur amerikanisch? Das Ungleichgewicht der Investitionen zwischen Amerika und Europa, Baden-Baden 1970, S.277, Tab.2 (Schriftenreihe Europäische Wirtschaft, Bd. 45). Dagegen investierten bundesrepublikanische Unternehmen in den USA 1968 gerade 387 Mio. Dollar oder 13,9 Prozent der gesamten EWG-Direktinvestitionen in den USA; vgl. ebd., S.278, Tab.3.
Vgl. Gabriel Kolko, The Roots of American Foreign Policy. An Analysis of Power and Purpose, Boston 1969, S.73f. “Whatever eise they may be”, heißt es dort (S.74), “profits on such investments are not primarily the reward for the transfer of American capital abroad.”
Hellmann, Amerika (Anm.13), S.147ff.; Zitat von H. J. Abs, S.151.
Vgl. Whichard, Trends (Anm. 15), S.56.
Ausländische Beteiligungen an westdeutschen Unternehmungen, Berlin 1951, S.17ff. Da dies leider die einzige zusammenfassende Studie zu diesem Themenkomplex für diesen frühen Zeitpunkt ist, wird sie hier mit den entsprechenden Vorbehalten verwendet. Die Direktinvestitionen der USA in der Bundesrepublik beliefen sich danach auf DM 683.882.000 oder 38,8 Prozent an allen direkten Auslandsbeteiligungen (ebd. S.23).
Vgl. Heinz Hartmann, Amerikanische Firmen in Deutschland. Beobachtungen über Kontakte und Kontraste zwischen Industriegesellschaften, Köln/Opladen 1963, S.35 (Dortmunder Schriften zur Sozialforschung, Bd.23).
Werner Link, Deutsche und amerikanische Gewerkschaften und Geschäftsleute 1945–1975. Eine Studie Über transnationale Beziehungen, Düsseldorf 1978, S.39.
In der Klammer steht der Name der deutschen Gesellschaft, sofern er sich von der amerikanischen Muttergesellschaft unterscheidet.
Zitiert nach Link, Gewerkschaften (Anm. 28), S.123f.
Vgl. Gabriel Kolko, The Roots of American Foreign Policy. An Analysis of Power and Purpose, Boston 1969, S.74.
Vgl. Hellmann, Weltunternehmen (Anm. 22), S.61ff.
Vgl. ebd.,S.69.
Vgl. Kurt Pritzkoleit, Männer-Mächte-Monopole. Hinter den Türen der westdeutschen Wirtschaft, Frankfurt a.M. 1958, S.473.
Mira Wilkins, The Maturing of Multinational Enterprise: American Business Abroad front 1914 to 1970, Cambridge (Mass.) 1974, S.343 (Harvard Studies in Business History, XXVII).
Robert E. Tindall, Multinational Enterprises. Legal and Management Structures and Interrelationship with Ownership, Control, Antitrust, Labor, Taxation and Disclosure, Dobbs Ferry (N.Y.) 1975, S. 142.; C.F. Karsten, Europe (Anm. 21), S.236, versucht diese Zunahme damit zu erklären, daß ausländische U.S.-Direktinvestitionen nicht den amerikanischen Antitrustgesetzen unterlagen und “U.S. in vestments abroad became a fashion, and a factory overseas became a status symbol”. Es ist allerdings zu bezweifeln, ob für profitorientierte Unternehmen solche psychologischen Gründe ausreichen, um Dollarinvestitionen in Millionenhöhe zu tätigen.
Zitiert von Hellmann, Wehunternehmen (Anm. 22), S.124.
Ebd., S.13.
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Kiesewetter, H. (1992). Amerikanische Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland 1950–1974. In: Kaelble, H. (eds) Der Boom 1948–1973. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, vol 64. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90631-1_3
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