Zusammenfassung
Die gleichen Literaten, die das Kriegsgemetzel poetisch stimmte, sahen im Eros Grauenhaftes. Dort wurde ein Januskopf vermutet, was als Lust sich versprach, enträtselte sich als Tod. Manche liebten den Eros gerade wegen solcher angeblichen Gefahr. Anderen diente sie als Beweis für die Verwerflichkeit des fleischlichen Gelüsts. Wieder andere zeigten den Tod vor und behaupteten, nichts stünde in größerem Gegensatz zur Liebe. In Wahrheit war ihr Tod so beladen mit Erotik, ihre Liebe so mit dem Tod, daß sie sich selbst miteinander verwechselten. Sexuelle Abirrungen zu bereden, war mit dem Aufblühen der Psychologie gegen Ende des 19. Jahrhunderts möglich geworden. Die Seelenkunde begann, sich den Ruf der Wissenschaft zu erkämpfen und damit deren Unverdächtigkeit. Der Psychologe als Wissenschaftler existiert nicht als Objekt seiner Wissenschaft, sein Interesse rechtfertigt sich durch das Wissenschaftspostulat. Der Psychologe als Literat beschreibt Fiktives, das als eigene Phantasie auf den Autor weist. Es kann dieser mit Objektivität schwerlich sich entschuldigen. Gegen de Sade gehalten, wirkt Sacher-Masoch bubihaft. Man mochte einen Kaffee bestellt haben, um für die Lektüre von „Venus im Pelz“ oder „Die Messalinen von Wien“ Laune zu schaffen. Dennoch hat Sacher-Masoch, dessen Werk völlig vergessen ist, dank Krafft-Ebing der Freude am eigenen Schmerz den Namen gegeben. Die enge Verwandtschaft zwischen Sadismus und Masochismus brachte der frühe Freud zur Sprache1, erkannte jedoch nicht deutlich genug, wie beide Phänomene auf ihrem Grund die Unterdrückung der sinnlichen Natur des Menschen haben: Triebknechtung durch andere als repressive gesellschaftliche Erziehung oder verinnerlicht und scheinbar selbstgewählt als Wohlanständigkeit, sie bricht dann und wann durch in diejenigen Zustände, die die Psychopathologie lange nur interessiert betrachtete. Masochismus und Sadismus sind Ausschweifungen, aber nur gemessen an der Normalität alltäglichen Scheins. Beides ist Freude am Leid, am eigenen oder fremden, Lust am Ende auch am Tod. Die Leidenslust ist aber dem Phänomen „Leidenschaft“ immanent, dem seit vielleicht zweihundert Jahren der bürgerliche Mensch höchst reputierlich hinterherläuft, als habe es mit Leid nichts zu schaffen.
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Anmerkungen zu Kapitel V
Vgl. Freud, Sigmund: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905). In: Ders.: Studienausgabe. Bd.5. S.37-147. Insbs. S.47-81.
Vgl. Reich, Wilhelm: Der Einbruch der sexuellen Zwangsmoral. Köln 1972. S.42.
Vgl. Wentzlaff-Eggebert: Erscheinungsformen der ‚unio mystica ‘in der deutschen Literatur und Dichtung. In: DVJS. 22.Jg.1944. S.237ff. Hier: S.245.
Vgl. Cancik, Hubert: Grundzüge franziskanischer Leidensmystik. Zur Religionsgeschichte des Schmerzes. In: Ders. (Hrsg.): Rausch — Ekstase — Mystik. S.95-120.
Marquis de Sade: Die Geschichte der Juliette. In: Ders.: Ausgewählte Werke. Hrsg. von Luckow, Marion. Hamburg 1962–1965. Bd.3. S.473-925. Hier: S.745.
Plack, A.: Die Gesellschaft und das Böse. S.177; vgl. ebenfalls Eissler, Kurt R.: Todestrieb, Ambivalenz, Narzißmus. München 1980. Insbs. S.36f.
Vgl. dazu Kuhn, Helmut: ‚Liebe ‘Geschichte eines Begriffs. München 1975. S.227.
Schopenhauer, A.: Züricher Ausgabe. Bd.4. S.649 und 632.
Vgl. Kuhn, H.: ‚Liebe‘. S.196f. und 198ff.
Vgl. ebd.,S.148f.
Zit. nach Wolfskehl, M.-L.: Die Jesusminne. S.130.
Aus dem „Keusche Meerfräwlein.” Würzburg 1649. Zit. nach Wolfskehl, M.-L.: Die Jesusminne. S.133.
Zit. nach ebd., Fußnote 233. S. 160.
Vgl. Cancik, H.: Grundzüge franziskanischer Leidensmystik. A.a.O., S.104.
Vgl. Aries, P.: Geschichte des Todes. S.468ff.; vgl. ebenfalls Rehm, W.: Der Todesgedanke. S.237ff.
Vgl. dazu die Fülle an Beispielen bei Wolfskehl, M.-L.: Die Jesusminne.
Scheffler, Johannes: Cherubinischer Wandersmann. Hrsg. von Ellinger, Georg. Halle 1895. S.335.
Nach Wolfskehl, M.-L.: Die Jesusminne. S. 118.
Vgl. Aries, P.: Geschichte des Todes. S.500.
Vgl. Rehm, W.: Der Todesgedanke. S.237.
Rougemont, Denis de: Die Liebe und das Abendland. Köln 1966. Erstmals Paris 1939.
Ariès, P.:: Geschichte das Todes. S.498.
Praz, Mario: Liebe, Tod und Teufel, die schwarze Romantik. München 1963.
Métrai, Marie O.: Die Ehe, Analyse einer Institution. Frankfurt/M. 1981. Erstmals Paris 1977. S.115.
Böschenstein, R.: Der Schatz unter den Schlangen. A.a.O., S.197.
Vgl. Kühn, H.: ‚Die Liebe‘. S.34ff.
Vgl. Rougemont, D. de: Die Liebe. S.82 und Anhang IV.
Litzmann, Berthold: Ernst von Wildenbruch. Bd.1. Berlin 1913. S.340.
Zit. nach ebd., S.345.
Wildenbruch, E.V.: Die Danaide. S.39.
Ebd., S.40f.
Voß, R.: Messalina. S.53.
Sternberger, D.: Panorama. S.185ff.
Vgl. ebd., S.182f.
Vgl. Aime Azam, Denise: Géricault und seine Zeit. München 1967. S.124ff.
Hamerling, R.: Schönste Waldstelle. In: Ders.: Werke. Bd.11. S.41f.
Vgl. dazu die lesenswerte Autobiographie Hamerlings: Stationen meiner Lebenspilgerschaft. In: Ders.: Werke. Bd.14.
Hamerling, R.: Die Atomistik des Willens. Bd.2. S.228f.
Ein Artikel in der „Illustrierten Frauen Zeitung” beschäftigt sich mit Hamerlings Verhältnis zu den Frauen. Danach scheint er sich in jede Frau verliebt zu haben, zu der er zufällig Kontakt fand. (Schlossar, Anton: Robert Hamerling und die Frauen. In: Illustrierte Frauen Zeitung. 24Jg., Hft.4,1, 15.2.1904).
Hamerling, R.: Stationen. A.a.O., S.166.
Ebd., S.167.
In: Hamerling, R.: Werke. Bd.11. S.65.
1867 im „Epilog an die Kritiker” zur zweiten Auflage des „Ahasver in Rom”. (Zitiert nach der 14. Aufl„ Hamburg 1885. S.269).
Vgl. dazu Rabenlechner, M. M.: Hamerlings Leben und Schaffen. In: Hamerling, R.: Werke. Bd.l.
Hamerling, R.: An Miranda. In: Ders.: Werke. Bd.11. S.37.
Hamerling, R.: Im Wahne der Ohnmacht. In: Ders.: Werke. Bd.11. S.44ff.
Flaubert, Gustave: Die Versuchung des heiligen Antonius. Frankfurt/M. 1966. S.127.
Hofmann, Hans: Der eiserne Rittmeister. 4.Aufl., Bd.1. Berlin 1914. S.40ff. Erstmals 1980.
Vgl. das Nachwort von Foucault zu der von uns zitierten Ausgabe.
Flaubert, G.: Die Versuchung. S.25.
Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Ders.: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Bd.3. Stuttgart o.J., S.7-15. Hier: S.13.
Vgl. Ruhemann, Alfred: Joseph Victor von Scheffel. Sein Leben und Werk. Stuttgart 1887. S.40.
Vgl. ebd., S.41ff.
Vgl. Proelß, Johannes: Scheffels Leben und Dichten. Berlin 1887. S.403.
Vgl. Boerschel, Ernst: Joseph Victor von Scheffel und Emma Heim. Berlin 1906.
„alle länglichen und scharfen Waffen: Messer, Dolche, Piken, wollen das männliche Glied vertreten.” — „Ganz unverkennbar ist es auch, daß alle Waffen und Werkzeuge zu Symbolen des männlichen Gliedes verwendet werden: Pflug, Hammer, Flinte, Revolver, Dolche, Säbel usw.” (Freud, Sigmund: Die Traumdeutung. In: Ders.: Studienausgabe. Bd.2. Frankfurt/M. 1972. S.348 und 351).
„So kommt das Motiv vom Einbrecher, Räuber, Mörder und Lustmörder häufig in erotischen Träumen von Frauen vor. (.) Die Mordwaffe ist Lanze, Schwert, Dolch, Revolver, Gewehr, Kanone, Hydrant, Gießkanne.” (Jung, C.G.: Symbole der Wandlung. In: Ders.: Gesammelte Werke. Bd.5. Olten 1973. S.26).
Vgl. Neumann, Erich: Die große Mutter. Olten und Freiburg 1974. S.148; vgl. ebenfalls Irigaray, Luce: Unbewußtes, Frauen, Psychoanalyse. Berlin 1977.
Vgl. Reich, W.: Der Einbruch. S.175f.
Vgl. ausführlich Heilborn, Ernst: Zwischen zwei Revolutionen. Bd.l: Der Geist der Schinkelzeit. Berlin 1929. S.262ff.
Flaubert, G.: Salambô. Zürich 1979. S.177.
Baudelaire, Charles: A celle qui est trop gaie. In: Ders.: Sämtliche Werke und Briefe in acht Bänden. Hrsg. von Kemp, F. und Pichois, C., Bd.4. München 1975. S.27.
Vgl. etwa Delacroix’s „La Mort de Sardanapale” von 1827. Besonders die Ermordung der nackten Frau im unteren rechten Teil des Bildes ist beklemmend ästhetisiert: Dem Häscher wendet die Frau, deren Haltung eine nur leichte Fluchtbewegung andeutet, eher schon Ergebenheit signalisiert, ihre Rückseite zu; diese ist ganz makellos und wirkt durch das Ohrgeschmeide der Frau und einen Ring um deren Oberarm besonders nackt. Mit der Weichheit ihres linken Armes kollidiert die Männerfaust des Mörders, die den Arm packt und nach hinten zerrt, in Richtung auf den muskulösen, Kraft und Wildheit ausdrückenden Männerkörper. Der Blick des Mörders ist von glitzernder Begierde, sein linkes Bein ist angewinkelt, als kniee er hinter der Frau. Mit dem rechten Arm jedoch führt er den riesigen, nur halb sichtbaren Dolch zum mörderischen Stich. Frau und Mann führen zusammen einen gespannten Bogen aus, sie, sich vorwölbend, er, sich wölbend nach hinten, oben und unten zusammenlaufend. — In den „Scènes des Massacres de Scio” aus dem Jahr 1824 erscheint am rechten Bildrand eine an ein aufgebäumtes Pferd gefesselte Frau. Ihr Oberkörper ist dem Betrachter zugewandt, und sein Weiß kontrastiert scharf mit den dunklen Farbtönen des Pferdes und seines mordenden Reiters. Weit nach hinten wird der Körper der Frau von den am linken Arm befestigten Stricken gerissen; ihr Kopf ist zurückgebeugt und abgewandt: so erhält der gebogene Leib eine dynamische und wie tanzende Nacktheit. Links neben der Frau glänzt wiederum das Metall eines ebenso gebogenen überlangen Krummsäbels in der Faust des Reiters.
Feodor Wehl hat alle Verse abgezählt: „Die Verse. sind untadelhaft gebaut: nur einmal fand ich einen halben Fuß zuviel, einmal einen ganzen zuwenig.” (Anonym (Wehl, Feodor): Robert Hamerling, seine Dichtungen und deren Beurtheilungen. Berlin o.J., S.16).
„In der epischen Dichtung ‚Ahasver in Rom‘, dessen erste Auflage gegen Ende des Jahres 1866 erschien, steht Hamerling plötzlich auf vollständig festem, geschichtlichen Boden. Hatte seine Poesie bisher wie ein lichter Seraph sich auf den Wolken der Abendröthe gewiegt und in trunkenen Psalmodien die unentweihte Herrlichkeit der Schöpfung gepriesen, so war sie jetzt auf die schuldbefleckte Erde hinabgeschwebt, um die geistigen Kämpfe der Menschheit mit der Fackel des Ideals zu beleuchten.” (Strodtmann, A.: Dichterprofile. Bd.1. S. 172); Ernst Ziel bejubelt 1871 Hamerling als einen der größten, wenn nicht den größten lebenden deutschsprachigen Dichter: „Wenn es nun auf diesem so vielfach zerklüfteten Boden des heutigen deutschen Schriftthums dennoch einem Dichter gelang, sich in kürzester Zeit die fast ausnahmslose Anerkennung seiner Zeit zu erringen, so legt eine solche Erscheinung der Kritik die unausweichliche Pflicht auf, diesen Dichter einer eingehenden Betrachtung zu würdigen. Eine solche epochemachende Erscheinung. ist der Dichter, dessen Name an der Spitze dieser Zeilen steht.” (Ziel, Ernst: Robert Hamerling, ein deutscher Dichter. In: Europa 1871. Nr.2. S.33). Zum „Ahasver” vermerkt Ziel: „.eine gewaltige, gedankentiefe Dichtung in reimlosen fünffüßigen Jamben, welche im In-und Auslande wie mit feurigen Blitzen zündete und ihren Verfasser den gefeiertsten Dichtern seiner Zeit ebenbürdig an die Seite stellte.” (S.37f.) „Überhaupt hatte Hamerling das Glück, von den hervorragendsten Kritikern gewürdigt zu werden, und Gutzkow, Gottschall, Hieronymus Lorm, Feodor Wehl u.a. sprachen sich schon bei seinen Erstlingen äußerst anerkennend über sein Talent aus.” — meint Feodor Wehl selbst als Anonymus. (Wehl, F.: Robert Hamerling. S.9); Wehl erwähnt eine Besprechung des „Ahasver” in „Das Vaterland”, in welcher es geheißen habe: „.mächtig durch die packende Gewalt einer seltenen Seelenmalerei, steht ‚Ahasver ‘in der gegenwärtigen Literatur einzig da und sichert dem Dichter den ersten Platz unter den dichterischen Größen der Gegenwart.” (S.18); im übrigen liefert Wehl eine ausführliche Sammlung und Beurteilung der zeitgenössischen Kritiken zu Hamerling, „wir haben wieder einen großen Dichter!” (Wilhelm Marr, nach Wehl. S.47).
Vgl. zur Figur des Ahasverus in der deutschen Literatur und zu Hamerlings persönlicher Leseerfahrung Prost, Johannes: Die Sage vom ewigen Juden in der deutschen Literatur. Leipzig 1905. — Prost gibt eine nützliche Bibliographie von allen deutschsprachigen Werken, in denen die Ahasverfigur auftaucht; zur Ahasverussage allgemein und auch schon zu ihrer Bearbeitung durch Hamerling vgl. Helbig, Friedrich: Die Sage vom ewigen Juden. Berlin 1874. — Helbig verfolgt die Sage zurück bis auf mittelalterliche Quellen; eine Analyse des „Ahasver” und eine erste ausführliche Bibliographie zu Hamerling gibt Schierbaum, Heinrich: Robert Hamerlings Dichtung „Ahasver in Rom”. München 1909.
Hof, W.: Der Weg zum heroischen Realismus. S.26ff.
Ernst Ziel lobt gerade die angebliche Plastizität der Figuren Hamerlings: „Und alle Gestalten, welche sich auf diesen Fresken bewegen, haben plastisches Leben.” (Ziel, E.: Robert Hamerling. S.38); mit der mangelnden Anschaulichkeit des Hamerlingschen Sprachgebarens beschäftigt sich ausführlich Klimm, Peter: Zwischen Epigonentum und Realismus. Studien zum Gesamtwerk Robert Hamerlings. Diss. Wien 1974. — Klimm liefert eine Fülle von Material zu Hamerling, verbleibt jedoch im Übrigen auf der Oberfläche der Texte.
So interpretiert von Volkelt, J.: Ästhetik des Tragischen. S.188f.
Hamerling, R.: Ahasver in Rom. 14.Aufl., Hamburg 1885. S.242.
Heißenbüttel, Helmut: Die Erfindung der Libido. Das deutsche Epos in der zweiten Hälfte des 19 Jahrhunderts. Ein Vortrag. In: Text und Kritik 69/70. 1981. S.97-108.
„.die Art, wie Nero, der Egoist, eben dadurch gestraft wird, daß es in der Welt für ihn keine Liebe gibt und selbst die Mutterliebe ihm gegenüber zuschanden wird — wie in diesem Sinne das Verhältnis zwischen Sohn und Mutter zum psychologischen, ich möchte sagen dramatischen Motiv des Fortschritts der ganzen Handlung gemacht ist.” (Hamerling, R.: Stationen. A.a.O., S.210); vgl. dagegen Gottschall, R.: Studien. S.73: „.man darf von dem ‚Nero ‘Hamerlings keine psychologische Entwicklung. erwarten.”.
Auch Gottschall gebraucht demgemäß in seiner „Ahasver”-Besprechung „Wollust und Grausamkeit” wie eine gleichsam logische Fügung. (Gottschall, R.: Studien. S.72).
Hamerling, R.: Ahasver. S.18.
„Daß das Kind sich zur Mutter sexuell hingezogen fühlt, ist an sich ein positives Zeichen. Es zeigt, daß die Mutter zu einer Person, zu einer Frau geworden ist, und daß der Junge schon ein kleiner Mann ist. Die besondere Intensität der sexuellen Anziehung, der man gelegentlich begegnet, kann man als eine Abwehrreaktion gegen die passive Abhängigkeit der früheren Kindheit ansehen. In Situationen, in denen die inzestuöse Bindung an die Mutter in der Pubertätszeit nicht gelöst wird und in der sie das ganze Leben überdauert, haben wir es mit einer neurotischen Entwicklung zu tun: ein solcher Mann bleibt dann von seiner Mutter oder ihren Ersatzfiguren abhängig, er fürchtet sich vor Frauen, und er bleibt mehr Kind, als ein Erwachsener dies zu seinem eigenen Besten sein sollte. Eine solche Entwicklung wird oft durch eine Mutter verursacht, die aus allen möglichen Gründen — zum Beispiel, weil sie ihren Mann nicht liebt oder aus einem narzißtischen Stolz auf ihren Sohn oder aus dem Wunsch heraus, ihn ganz zu besitzen — an ihrem kleinen Jungen in übertriebenem Maße hängt und ihn auf verschiedene Weise dazu verführt, sich auch in übertriebener Weise an sie zu binden (.) Diese warme, erotisch und oft sexuell gefärbte Bindung an die Mutter ist das, woran Freud dachte, als er den Ödipuskomplex beschrieb. Während dieser Typ der inzestuösen Fixierung sehr häufig anzutreffen ist, gibt es doch auch eine andere, weit weniger häufige Art der inzestuösen Fixierung, die sehr unterschiedliche Eigenschaften besitzt und die als bösartig bezeichnet werden kann. Es ist dies der Typ der inzestuösen Fixierung, der in meiner Hypothese mit der Nekrophilie zusammenhängt: in der Tat mag diese bösartige inzestuöse Fixierung als eine der Wurzeln der Nekrophilie angesehen werden.” (Fromm, Erich: Anatomie der menschlichen Destruktivität. Stuttgart 1974. S.328) Es wäre zur Kritik dieser Unterscheidung Fromms anzubringen, daß er keinerlei Kriterien dafür nennt, wann die „gutartige” in die „bösartige” inzestuöse Fixierung übergeht.
„Den jungen Sporus, den er entmannen ließ und auf alle Weise zu einem Individuum weiblichen Geschlechts umzugestalten suchte, ließ er mit rotem Schleier und Mitgift. in seinen Palast führen und wie seine Gemahlin behandeln.” (Sueton: Kaiserbiographien. Deutsch von Stahr, Adolf. Berlin o.J., S.402).
„Noch Grauenvolleres wird hinzugefügt, und zwar von namhaften Schriftstellern: daß er herbeigeeilt sei, um den Leichnam der Ermordeten zu beschauen, daß er ihre Glieder betastet, einige derselben getadelt, andere gelobt und zuletzt, als ihn Durst ankam, getrunken habe.” (Ebd., S.411).
Jung, C.G.: Symbole der Wandlung. A.a.O., S.29.
Hamerling, R.: Stationen. A.a.O., S.43.
Vgl. insbesondere das Kapitel „Sadismus und Masochismus im römischen Patriarchat”. Die männlichen Jugendlichen wurden in Schule und Elternhaus systematisch gezüchtigt und — meist auf die entblößte Haut — gepeitscht. Besonders im Heer herrschte grausamste Zucht. Die so Gepeinigten metzelten Tausende mit Lust. (Borneman, Ernest: Das Patriarchat. Frankfurt/M. 1979. S.451ff.).
Epilog an die Kritiker. In: Hamerling, R.: Ahasver. S.267.
Gottschall, R.: Die deutsche Nationalliteratur. Bd.3. S.37.
Landsteiner wirft Hamerling vor, er wühle „förmlich in der Pfütze der moralischen Entartung des kaiserlichen Roms.” (Zitiert nach Prost, J.: Die Sage vom ewigen Juden. S.95).
Wehl, F.: Hamerling. S. 15 und 16.
Europa 1871. Nr.2. S.39.
Strodtmann, A.: Dichterprofile. Bd.1. S.173; ähnlich verteidigt Kirchner Hamerling. (Kirchner, F.: Deutsche Nationalliteratur. S.533); noch 1956 glaubt Franz Koch an die „Absicht” Hamerlings, „abzuschrecken”. Die „glühenden Farben der sinnlichen Darstellungen” seien dieser Absicht aber nicht „zugute gekommen”. (Koch, Franz: Idee und Wirklichkeit. Bd.1. Düsseldorf 1956. S.276).
Carriere, M.: Aesthetik. Bd.1. S.152ff.
Rosenkranz, Karl: Aesthetik des Häßlichen. Königsberg 1853. S.323.
Die Wollust finde im Orient Entschädigung „.für das, was das kahle Europa mit seinem System von Hemmungen versagt. All jene ägyptischen Sklavinnen, türkischen Sängerinnen, dunkel-leichtfertigen Venezianerinnen, träumerisch-passiven Spanierinnen, trotzigen Zigeunerinnen, welche in ungezählten Exemplaren, sei es als Staffage für südliche Landschaft und Architektur, sei es als verhangen-kokette oder auch verführerisch-leidende Personen in Genre-Dramen, zu München, Düsseldorf, Berlin und allerorten gemalt und ausgestellt wurden — sie sind ebenso viele Traumobjekte einer ‚freien ‘Liebe, die sich in der so gern und so oft betonten Idealität der Kunst ein Betätigungsgebiet und ein Alibi zugleich verschafften. Erotik und Exotik wurden beinahe Synonyma.” (Sternberger, D.: Panorama. S.60); auch auf Glasers Kapitel „Orientkomplex” sei verwiesen. (Glaser, Hermann: Spießerideologie. Frankfurt/M. 1979).
Schiller, H.: Geschichte des römischen Reiches unter Nero. Berlin 1872; Stahr, Adolph: Agrippina, die Mutter Neros. Berlin 1867; Raabe, A.H.: Geschichte und Bild von Nero. Utrecht 1972; Sievers, G.R.: Zur Geschichte des Nero und des Galba. Hamburg 1860; Friedländer, Ludwig: Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms. Leipzig 1871; vgl. zur Nerofigur in der deutschen Literatur überschauend Engel, Jakob: Kaiser Nero in der Dichtung. In: Preußische Jahrbücher. Bd.105. 1901. S.468ff.
Gottschall, R.: Studien. S.69.
Haym, Rudolf: Arthur Schopenhauer (1864). In: Ders.: Gesammelte Aufsätze. S.286.
„Hauptsächlich gewann er aber durch greisenhaft geschraubte Sinnlichkeit jene unzählige Herde seelischer Analphabeten, die in der Literatur Aufpeitschung ihrer Sexualbedürfnisse suchen. (.) Jene widrigste Abart des Weltschmerzes, der sexuelle Genuß-Katzenjammer, duftet hier umso übler, als er im wörtlichen Sinne der Impotenz entsprang. Neben Jugendgreis Voß der Neuropath, der sich mit spanischen Fliegen erhitzter Einbildung reizt.” (Bleibtreu, K.: Geschichte der deutschen Nationalliteratut. S.18).
Freud, Sigmund: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. A.a.O., S.68.
Der moderne Gehalt in Hamerlings Poesie. In: Im Neuen Reich. 1874. S.925.
Vgl. Rougemont, D. de: Die Liebe. S.269ff.
Vgl. Wagner, R.: Sämtliche Schriften und Dichtungen. Bd.7. S.80f.
Martini, F.: Deutsche Literatur. S.3.
Grisebach, Eduard: Der neue Tanhäuser. 2.Aufl., Berlin 1872.
Grisebach, E.: Der neue Tanhäuser. 9.Aufl., Wien 1876. S.25.
Allendy, René: Die Liebe. Ein psychoanalytischer Essay. München 1979. (Erstmals Paris 1942).
Bataille, George: Der heilige Eros. Neuwied 1963. S.46.
Vgl. Meyer, Joachim E.: Todesangst und Todesbewußtsein der Gegenwart. Berlin, Heidelberg, New York. 1982. — Meyer stellt ebenfalls richtig das depersonalisierende Moment der Sexualität fest. Seine Ausführungen bleiben unhistorisch und deskriptiv, unkritisch übernimmt er Batailles Hauptthesen.
Bataille, G.: Der heilige Eros. S.100.
Vgl. zu Hegels hierauf zielendem Liebesbegriff Kluckhohn, P.: Die Auffassung der Liebe in der Literatur des 18. Jahrhunderts und in der deutschen Romantik. Halle 1922. S.338.
Klemm, Gustav: Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit. 10 Bde., Leipzig 1843–1852.
Weber, Johannes: Heinrich Heine im Werturteil deutscher Literaturgeschichte von 1840–1918. Diss. Universität Bremen. 1979. S.233.
Reich, Wilhelm: Die Funktion des Orgasmus. So zitiert bei Macciocchi, Maria-Antonietta: Jungfrauen, Mütter und ein Führer. Frauen im Faschismus. Westberlin 1976. S.92.
Koppel, Franz: Die muthigen Ulanen. In: Müller von der Werra/Baensch, W.: Alldeutschland. S.143.
Bley, Fritz: Ans Herz der Heimat. Düsseldorf 1883; Bley war Herausgeber der „Kolonialpolitischen Korrespondenz” sowie Schriftführer des „Allgemeinen Deutschen Kongresses”, später Chefredakteur der „Ostpreußischen Zeitung”.
Wildenbruch, E.V.: Die Quitzow’s. S.55.
Ring, Max: Der Sieg der Geister. In: Müller von der Werra/Baensch, W.: Alldeutschland. S.39.
Menzel, Wolfgang: Deutsche Dichtung von der ältesten bis auf die neueste Zeit. Bd. 3. Stuttgart 1859. S.464ff.
Hartmann, E. von: Das Judenthum in Gegenwart und Zukunft. Leipzig und Berlin 1885. S.10.
Voß, R.: Messalina. S.97f. — Messalina selbst spricht dies.
Vgl. Kittler, Friedrich A.: Der Dichter, die Mutter, das Kind: Zur romantischen Erfindung der Sexualität. In: Brinkmann, R. (Hrsg.): Romantik in Deutschland. Stuttgart 1978. S.102-115.
Vgl. Oeter, Ferdinand (Hrsg): Familie und Gesellschaft. Tübingen 1966; vgl. ebenfalls Rosenbaum, H.: Formen der Familie. Insbs. S.260ff.
Vgl. Rosenbaum, H.: Formen der Familie. Insbs. S.348ff.
Vgl. Mahler, M.S.: Symbiose und Individuation.
Vgl. Neumann, E.: Die große Mutter. S.44.
Flaubert, G.: Salambô. S.41.
Ebd., S.56.
Montherlant, Henry de: Erbarmen mit den Frauen. München 1964. S.137.
Zitiert nach Kluckhohn, P.: Die Auffassung der Liebe. S.594ff.; Fußnote 1 auf Seite 595.
Vgl. Deleuze, Gilles / Guattari, Felix: Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie I. Frankfurt/M. 1977.
Vgl. zur Übereinstimmung „zwischen Weiblichkeit und Judentum” Glaser, H.: Sexualität und Aggression. S.200ff.
„Ich spreche hier noch Eines aus. Der Mann wird durch den ächten Germanen dargestellt, durch den Engländer Skandinaven Deutschen; was die Franzosen hin und wieder davon haben, wohnt und erscheint vorzugsweise in ihren germanischen Teilen.; die Mitte Frankreichs, wo das gallische Element vorherrscht, welches den Sitten dem Karakter und der Literatur des Volkes seine Art am meisten mitgetheilt hat, führt mit Recht die Überschrift Weib. Die Sitten der Franzosen, ihre Sprache ihre Darstellung die ganze Erscheinung ihrer geistigen Beweglichkeit Empfindsamkeit Springigkeit und Flüchtigkeit im Guten und im Schlechten heißt Weib. So ihre Gesellschaftssprache, jetzt die europäische Gesellschaftssprache — nur daß der französische esprit sich nach Italien England und Deutschland nicht mit verpflanzen läßt — alles leicht berührend und betupfend, mehr andeutend als aussprechend, in. glitternden Scheinen hin und her schimmernd: das. Anspielende Wegspielende Ausweichende. des Weibes.” (Arndt, E.M.: Das Turnwesen nebst einem Anhang. In: Ders.: Schriften für und an seine lieben Deutschen. Bd.3. S.241-303. Hier: S.298).
Prospekt zu Gallin, Adolphe: Die Hyänen der Commune, oder: Die Schreckensherrschaft von Paris. Augsburg 1871 (in zwanzig Heften).
Vgl. dazu die Sammlung: Die politische Lithographie im Kampf um die Pariser Kommune. Frankfurt/M. 1976.
Vgl. ebenfalls das hohe Lob bei Gottschall, R.: Nationalliteratur. S.46; dagegen tadelt Bleibtreu die „blutrünstige Sinnenbrunst”. (Bleibtreu, C.: Geschichte der deutschen Nationalliteratur. S.19).
Lipiner, Siegfried: Der entfesselte Prometheus. Leipzig 1876. S.87.
Ebd., S.96f.
Wildenbruch, E.v.: Semiramis. Berlin 1904. S.14.
Wildenbruch, E.v.: Brunhilde. In: Ders.: Novellen von Ernst von Wildenbruch. 11.Aufl., Berlin 1909. S.264; „Brunhilde” erschien erstmals 1882.
Zedlitz, Joseph Christian Freiherr von: Gedichte. Stuttgart 1859. S.82.
Bley, F.: Ans Herz der Heimat. S.229.
Lipiner, S.: Prometheus. S.88.
Wildenbruch, E.v.: Sedan, ein Heldenlied in drei Gesängen. S.18f.
Mathies, Paul: Mein Vaterland ist meine Braut. In: Metzger/Hensing (Hrsg.): Die Kriegspoesie. S.241.
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Schömel, W. (1985). Eros ist Tod. — Masochismus und Sadismus als Methoden der Selbstentgrenzung. In: Apokalyptische Reiter sind in der Luft. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90628-1_6
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