Zusammenfassung
Dieter Schneider hat in den vergangenen Jahrzehnten unermüdlich versucht, die Diskussion um die Besteuerung in Deutschland mit marktwirtschaftlichen Argumenten zu beeinflussen.1 Ebenso unermüdlich hat er dafür geworben, die sog. juristische Betrachtungsweise zu erweitern, zu ergänzen und auch im juristischen Schrifttum Aufgeschlossenheit für eine “ökonomische Analyse des Steuerrechts” zu wecken.2 Die Überzeugung, daß das Steuerrecht bestimmt und geeignet ist, marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, ist allerdings nicht sehr weit verbreitet. Dieter Schneiders eindrucksvolles Plädoyer für eine Markteinkommensbesteuerung3 ist in den vergangenen zehn Jahren zwar häufiger von Ökonomen4 zitiert, in der steuerjuristischen Literatur aber kaum zur Kenntnis genommen worden; die wenigen Stellungnahmen aus diesem Bereich sind ausschließlich ablehnend.5 Siegel/Schneider halten die Markteinkommensbesteuerung angesichts der bis Ende 1993 ergangenen Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes für verfassungsrechtlich zulässig.6 Im Beschluß des Zweiten Senats zum Existenzminimum von 1992 wird keineswegs verlangt, der Gesetzgeber müsse das Existenzminimum nach der Lehre vom “subjektiven Nettoprinzip” berücksichtigen.7
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Literatur
Zuletzt: Schneider, D.: Grundzüge der Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., Wiesbaden 1994, S. 8 f., S. 144 ff; vgl. auch Siegel, Th./ Schneider, D.: Existenzminimum und Familienlastenausgleich: Ein Problem der Reform des Einkommensteuerrechts. In: Deutsches Steuerrecht 32 (1994), S. 596–604.
Eischen, R.: Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit — Gibt es ein gemeinsames Fundament der Steuerwissenschaften? In: Steuer und Wirtschaft 68 (1991), S. 99–115.
Wagner, F. W.: Neutralität und Gleichmäßigkeit als ökonomische und rechtliche Kriterien steuerlicher Normkritik. In: Steuer und Wirtschaft 69 (1992), S. 2–13.
Juristische Literatur: Lang, J.: Reform der Unternehmensbesteuerung auf dem Weg zum europäischen Binnenmarkt und zur deutschen Einheit. In: Steuer und Wirtschaft 67 (1990), S. 107–129, hier S. 111 f.; Kirchhof, P.: Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen? In: Gutachten F zum 57. Deutschen Juristentag, 1988, S. 54; ders.: Der verfassungsrechtliche Auftrag zur Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. In: Steuer und Wirtschaft 62 (1985), S. 319-329; Tipke, K.: Steuerrechtsordnung, Köln 1993, S. 539 f.
Ein besonders bedeutsamer Fall einer solchen Anrechnung ist ein Negativsteuersystem (Bürgersteuer); vgl. dazu Siegel/Schneider, Fußnote 2, S. 598; sowie besonders Mitschke, J.: Integration von Steuer-und Sozialleistungssystem — Chancen und Hürden. In: Steuer und Wirtschaft 71 (1994), S. 153 m.w.N.
Zur Kritik an dieser Methode vgl. Bareis, P.: Begründungsmängel in den Beschlüssen des BVerfG zum Kinderlastenausgleich. In: Deutsches Steuerrecht 44 (1991), S. 1164 ff. Söhn, Fußnote 8, S. 428, formuliert ernsthaft als Gegenargument gegen eine ökonomische (und das heißt zu allererst: mathematisch-logische) Analyse dieser Fragen und gegen die Untersuchung von Verfugungsbeträ-gen: “Verfassungsrecht erlaubt jedoch keine rein quantitative, sondern verlangt eine qualitative Betrachtungsweise”. Damit ist die Grenzlinie einer rational noch nachvollziehbaren Diskussion verlassen, wenn gleichzeitig die vorgeblich “rein quantitativen” — mathematisch-logischen — Argumente der Gegenseite nicht zur Kenntnis genommen werden. Es wäre interessant zu erfahren, mit Hilfe welcher qualitativer Analyse z. B. die Vokabeln “Progressionssprung”, “Kompensation des Existenzminimums” oder die Formeln in § 32a EStG untersucht werden können und wie eine derartige Untersuchung den Anspruch einlösen könnte, zu einem intersubjektiv prüfbaren Resultat zu gelangen. Die logische Analyse von Tariffunktionen und ihr logischer Zusammenhang mit der Bemessungsgrundlage ohne mathematische Hilfsmittel ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Am Rande sei darauf hingewiesen, daß Söhn dem Verfassungsgericht unterstellt, es verlange die Nichtsteuerbarkeit des Existenzminimums, während in den Beschlüssen stets von Steuerfreiheit die Rede ist.
Musgrave, R. A./ Musgrave, P. B./ Kullmer, L.: Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis. Band 2, 5. Aufl., Tübingen 1993, S. 215, mit Hinweis auf
Musgrave, R. A./ Thin, T. Income Tax Progression, 1929-48. In: Journal of Political Economy 56 (1948), S. 498, unter Berufung auf Pigou, A. C.: Public Finance, London 1928, Part II, chap. ii.
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© 1995 Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden
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Bareis, P. (1995). Markteinkommensbesteuerung und Existenzminima — roma locuta, causa finita?. In: Elschen, R., Siegel, T., Wagner, F.W. (eds) Unternehmenstheorie und Besteuerung. Gabler Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90581-9_2
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