“Hegemonialer” Geltungsanspruch und konversationelle Realität: Anmerkungen zu einer vernachlässigten Perspektive auf die Ost/West-Daten der Forschungsgruppe Nationale Selbst- und Fremdbilder

Zusammenfassung

Es entbehrt nicht der Ironie, mit Antonio Gramsci einen bedeutenden Theoretiker des westeuropäischen Marxismus für die Analyse des Zusammenbruchs des osteuropäischen Sozialismus und seiner Einverleibung in den westlichen Wirtschaftsund Kulturraum zu bemühen; dennoch scheint gerade sein Begriff der egemonia die Möglichkeit in sich zu bergen, einen zusätzlichen und vielleicht zu wenig beachteten Aspekt der Ost/West-Interaktion zu beleuchten, wie sie in einem Teil der in diesem Band enthaltenen Beiträge — vor allem jenen, die sich mit der Situation innerhalb des “vereinten” Deutschlands beschäftigen — beschrieben wird. Weit davon entfernt, die Gramscianische Perspektive aus einer umfassenden Analyse seiner bekanntlich fragmentarischen Schriften begründen oder gar deren linguistisches Potential für die interaktive Feinanalyse systematisch darstellen zu können (was an sich eine durchaus reizvolle Aufgabe wäre!), will ich mich hier darauf beschränken, anhand einiger Transkriptausschnitte der Forschungsgruppe zu skizzieren, wie Ost/West-Interaktion als interkulturelle Kommunikation von hegemonialen Ansprüchen gekennzeichnet sein kann. Der Nutzen einer solchen Perspektive scheint mir vor allem darin zu liegen, die “ideologische” Komponente der Daten darzulegen, die sich (im Sinne der “Materialität” des Dialogs, so wie sie ein anderer großer marxistischer Sprachtheoretiker — Valentin Voloshinov — versteht) in den Details der Interaktion einnistet und reproduziert.