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Plädoyer für eine historisierte Psychoanalyse

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Psychotherapie in Zeiten der Veränderung
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Zusammenfassung

Ich möchte mein Plädoyer für eine historisierte Psychoanalyse mit einer persönlichen Anekdote anfangen. Vor einigen Jahren besuchte ich mit meiner Familie eine Bekannte in Brüssel. Sie dürfte Jahrgang 1940 sein, also etwa 10 Jahre älter als ich. Sie ist jüdischer Abstammung und hat mit ihren Eltern und Geschwistern den Holocaust dank einer arischen Familie in Brüssel überlebt, die sie versteckt hat. Während wir nun bei ihr zu Besuch waren, machten wir einen gemeinsamen Stadtbummel. An einer Ecke stießen wir auf eine kleine Baustelle im Gehsteig. Die kleine Grube war vielleicht 1 Meter tief und mit einem Brettersteg und Geländer abgesichert. Sobald unsere Bekannte um die Ecke bog und die Baustelle sah, rief sie panikartig: „Vorsicht! Passt auf. Das ist gefährlich!“ In Wirklichkeit war die Baustelle ungefährlich, sogar für unsere Kinder. Aber ihre Reaktion, ihre übertriebene Panik, war mir so vertraut. Denn mein Vater, der auch den Holocaust überlebt hatte und als junger Mann 1939 aus Österreich geflohen war, hätte genauso reagiert. Und manchmal, so muss ich gestehen, reagiere auch ich so panisch. Die Welt ist hell und bunt, die Sonne scheint, aber im Augenwinkel ist ein kleiner grauer Punkt zu erkennen, und man gerät in Todespanik, dass dieser graue Punkt mit einem Mal das bunte Bild schwarz überziehen könnte. Der Ursprung für diese, aus der heutigen Perspektive so übertriebene Reaktion lässt sich leicht identifizieren. Sie geht auf die historische Tatsache des Holocaust zurück. Denn so ist es schließlich schon einmal passiert. Die Welt war hell und bunt, die Sonne schien.

Die Übersetzung des Manuskriptes in das Deutsche wurde freundlicherweise von Ingrid McGillis angefertigt.

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Bernhard Strauß Michael Geyer

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© 2000 Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden

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Kohut, T.A. (2000). Plädoyer für eine historisierte Psychoanalyse. In: Strauß, B., Geyer, M. (eds) Psychotherapie in Zeiten der Veränderung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90471-3_4

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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