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Die Verbreitung des Problemwissens

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Zusammenfassung

Soziale Probleme entstehen und werden sozial wirksam, so die Grundannahme der relativistischen Problemtheorie, durch die Verbreitung einer spezifischen Form lebensweltlichen Wissens: die Problemmuster. Sie gehören — wissenssoziologisch betrachtet — zu einer Klasse kognitiv-emotiver Schemata, die man als soziale Deutungsmuster bezeichnen kann. Eine genauere Bestimmung und Abgrenzung der beiden Kategorien werde ich im nächsten Kapitel vornehmen.

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Literatur

  1. Für den englischsprachigen Raum ist hingegen seit Mitte der achtziger Jahre die Tendenz zu konstatieren, solchen Verbreitungsprozessen eine erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Neben den eher einzelfallorientierten Arbeiten von G. G. Strodthoff, R. P. Hawkins und A. C. Schoenfeld (1985), W. A. Gamson (1988) sowie R. A. Stallings (1990) ist insbesondere auf die modellhaften Überlegungen von S. Hilgartner und C. L. Bosk (1988) hinzuweisen. Letztere beschreiben in ihrem ‘Modell öffentlicher Arenen’ die Konkurrenz von Problemwahrnehmungen um das knappe Gut der öffentlichen Aufmerksamkeit. Mit den dort genannten, sehr spezifischen Selektionskriterien hatte ich mich an anderer Stelle bereits ausführlich auseinandergesetzt (M. Schetsche 1996: 109–112).

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  2. Wie aktuell diese interaktionistischen Ausgangsüberlegungen bis heute geblieben sind, zeigt sich daran, daß hier viel von dem vorweggenommen ist, was Hartmut Esser (1996) mehr als zwanzig Jahre später an prominenter Stelle zur Bedeutung der Situationsdefinition für menschliches Handeln geschrieben hat.

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  3. Daraus resultieren auch gewisse Ähnlichkeiten mancher Kommunikationsformen der traditionellen und digitalen Ära. „Mit der immer stärkeren Nutzung der Computernetze könnte sich allerdings wieder die traditionelle Weise verstärken, wie Gerüchte verbreitet werden — etwa durch Mailing-Listen oder Newsgroups, gewissermaßen durch die sekundenschnelle Ausbreitung von Gerüchten von Computer zu Computer um den ganzen Globus herum.“(F. Rotzer 1998: 77).

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  4. Wegen der Dominanz der vernetzten Computer wird diese ‘postmoderne Epoche’ gelegentlich — im Anschluß an den von McLuhan für die moderne Kommunikationsordnung verwendeten Begriff der ‘Gutenberg-Galaxis’ — als Turing-Galaxis’ bezeichnet. Der Begriff ehrt den britischen Mathematiker Alan Turing, der als erster die Prinzipien der abstrakten Universalmaschinen (zu denen die heutigen Computer gehören) formuliert hat.

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  5. „Unter Virtual Reality verstehen wir Techniken, die es erlauben, einen Menschen unmittelbar in computergenerierte Entwicklungsumgebungen zu integrieren. Virtual Reality heißt, daß die reale durch eine künstliche Welt aus dem Computer ersetzt wird und daß man in diese Realität eintauchen kann, als wäre sie echt (…) Virtual Reality beabsichtigt den Eindruck zu vermitteln, es handele sich bei der computergenerierten Entwicklungsumgebung um die Realität selbst…“(A. Bühl 1997: 49–50).

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  6. Empirische Untersuchungen zeigen, daß die — von der Agenda-Setting-Forschung weitgehend ausgeblendete — Deutung und Bewertung sozialer Sachverhalte durch die Subjekte tatsächlich weitgehend von der Medienberichterstattung abhängig ist. (Ein Überblick findet sich bei H. M. Kepplinger et al. 1989: 59–60.)

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  7. Dies liegt insbesondere daran, daß der Rundfunk heute bereits alle Haushalte und damit annähernd die Gesamtbevölkerung in Staaten wie der Bundesrepublik erreicht. Auch die Vervielfachung der Rundfunk- oder Fernsehsender durch die Digitalisierung der Sendeweise ändert an der Verbreitungsmächtigkeit dieses Medientyps nichts. Hingegen sind bei den Netzwerkmedien noch wesentliche Steigerungen bei den Empfängerzahlen zu erwarten — nach eher konservativen Schätzungen verdoppelt sie sich gegenwärtig jedes Jahr (so M. Rost 1997: 18; B. Batinic et al. 1997: 201).

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  8. Im Gegensatz zu Problemen, die einen weitgehend konkurrenzlosen (oder einen sich — wie Obdachlosigkeit und Alkoholmißbrauch — wechselseitig stabilisierenden) Opferstatus zulassen, haben wir es bei den identitätsbestimmenden Problemmustern mit einer Klasse von Problemen zu tun, die weite Teile des Lebens der (fremd- oder selbstdeklarierten) Opfer durchdringen. Die Betroffenen definieren sich in Zukunft primär über den entsprechenden Opferstatus — z. B. als Überlebende satanisch-rituellen Mißbrauchs. Dabei werden andere, bisher für das eigene Selbstverständnis bedeutsame Problemlagen unter die Oberhoheit des identitätsstiftenden Problemmusters subsumiert. So erscheinen zum Beispiel Alkohol- und Drogenmißbrauch oder eine Prostitutionskarriere nicht mehr als eigenständige Opferlagen, sondern als abhängige Sekundärprobleme, die von der Tatsache des rituellen Mißbrauchs ebenso hervorgebracht wie nachträglich erklärt werden (hierzu im vierten Kapitel mehr).

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  9. Einen Überblick über die Folgen der Globalisierung für den Nachrichtensektor liefert der von O. Boyd-Barret und T. Rantanen (1998) herausgegebene Band „The Globalization of News“.

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  10. Die Vereinheitlichung wird auf absehbare Zeit wohl nicht weltweit sein, sondern sich ‘lediglich’ auf Kulturen beziehen, die sich hinsichtlich Weltanschauungen und Lebenspraxen ähneln. Man kann vermuten, daß sich einheitliche Deutungsmuster für die westlichen Industrienationen, die islamische Welt, Südostasien usw. herausbilden werden. In den westlichen Industriestaaten ist dieser Prozeß aktuell am weitesten fortgeschritten. Zu beachten ist dabei jedoch, daß wir es heute nicht mit einem gleichberechtigten Austauschprozeß zu tun haben. Vielmehr ‘fließen’ Deutungen tendenziell eher von der die internationale Kulturproduktion dominierenden Nation — den USA — in die anderen Industriestaaten, als dies umgekehrt der Fall ist. Dies bildet sich in der Vielzahl der Deutungsmuster ab, die in Deutschland in den letzten beiden Jahrzehnten aus den USA importiert worden sind (von der PorNO-Kampagne bis hin zum UFO-Glauben). Diese Entwicklung wird bislang noch durch Sprachbarrieren gebremst, die immer eine verzögernde Übertragung in die Begriffe, Metaphern usw. der jeweiligen Landessprache nötig machen (gerade die eingängige Benennung der Deutung ist dabei oftmals nicht direkt zu übertragen). Dies wird sich erst mit der flächendeckenden Verbreitung des Internets ändern, das zu einem weiteren Vereinheitlichungsschub im Denken führen wird: „Die globale Vernetzung forciert die Dominanz des Englischen als Weltsprache sowie der amerikanischen Kultur in der Weltgesellschaft.“(A. Bühl 1997: 57).

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  11. Wobei die verschiedenen Kommunikationsformen im Alltag — anders als die hier analytisch notwendige idealtypische Trennung suggeriert — stark wechselwirken: „Ohne Frage werden die von den Massenmedien transportierten Inhalte somit auch im Rahmen der interpersonalen Kommunikation diskutiert: Während das System der Massenkommunikation durch die ihm eigenen Auswahlmechanismen vor allem spezifische Wissensstrukturen erzeugt, erhöht interpersonale Kommunikation die Selektivität dadurch weiter, daß in ihr die massenmedial vermittelten Themen weiterverarbeitet werden, indem als Interpretationshilfen akzeptable Selektionsentwürfe in Form von Meinungen (Bewertungen) beigesteuert werden.“(K. Merten 1982: 38; ähnlich argumentieren M. Schenk und P. Rössler 1994: 262 sowie N. Luhmann 1996: 66).

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  12. Nicht alle, aber einige Gerüchte entsprechen dem, was die Volkskunde als „urbane Legenden“untersucht — einen Überblick hierzu gibt Stehr, der explizit auf die Bedeutung des Alltagsbezugs solcher Erzählungen hinweist (J. Stehr 1997: 210).

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  13. So unterscheidet der Aachener Mathematiker Harald Günzel bei seinen Modellrechnungen drei idealtypische Karrieren von Gerüchten: „Es gibt drei Szenarien, die man sich vorstellen könnte. Das Gerücht steigt von Anfang an in seiner Ausbreitung, erreicht letztendlich die ganze Population; das zweite Szenario wäre, daß das Gerücht erst steigt, dann ein lokales Maximum — was dann allerdings auch das globale Maximum wäre — also ein Maximum erreicht und in seiner Ausbreitung dann gegen Null fällt. Oder das Gerücht hat halt von Anfang an überhaupt keine Chance und fällt von Anfang an gegen Null“(H. Günzel 1998).

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  14. Dabei erfährt diese Weitergabe insofern eine Modernisierung, als die traditionelle Form des Face-to-Face-Gesprächs durch Telefon und IRC ergänzt (nicht jedoch ersetzt) wird, die große Entfernungen zu überbrücken vermögen. Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß der Wissenstransfer in diesen beiden technischen Medien einer anderen als der traditionellen persönlichen Selektionslogik folgen sollte.

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  15. „Die ökonomische Funktionslogik werbefinanzierten Rundfunks gründet sich darauf, daß es sich um die gemeinsame Erstellung zweier Güter handelt, die ganz unterschiedlichen Interessenten angeboten werden, aber in ihrer Existenz voneinander abhängen, nämlich (1) das Gut ‘Programm’ für die Zuschauer und (2) das Gut ‘Publizität’ für Werbetreibende. (…) Eine Zahlungsbereitschaft der Werbetreibenden besteht jedoch nur in dem Maße, in dem das Programm Zuschauer anzieht und damit Publizität erzeugt. Das Gut Programm wieder ist nur in dem Maße produzierbar, in dem das Gut Publizität effektiv Erlöse erzielt. Für kommerzielle Rundfunkveranstalter ist also das Programm nur das Mittel zum Zweck der Produktion von Publizität.“(J. Kruse 1989: 86; entsprechend argumentieren auch M. Schenk 1989: 9; R. Münch 1995: 131–132; K. Kreimeier 1995: 11; J. Prott 1994: 482).

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  16. In der Interpretation von Giesen (1991: 121) sind dies Wirklichkeitssituationen, die den verschiedenen Deutungen ähnlichen ‘Widerstand’ entgegensetzen und deshalb interpretativ unentscheidbar bleiben.

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  17. Große, meist kreisförmige Flächen plattgedrückter Halme, die seit den achtziger Jahren in Kornfeldern ‘auftauchten’ (zunächst in Großbritannien, später auch in anderen europäischen Ländern).

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  18. Zur Frage der Anwendbarkeit herkömmlicher soziologischer Kategorien auf das sog. Informationszeitalter finden sich weiterführende Überlegungen bei W. Rammert 1995 und A. Bühl 1997.

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  19. Auch wenn ich Norbert Bolz (1994: 35) nicht darin zustimmen kann, daß die Medien, die ein Zeitalter prägen, in diesem selbst nicht beobachtbar sind, so sind der Analyse einer gerade im Entstehen begriffenen Kommunikationsordnung nach meiner Auffassung doch Grenzen gesetzt. Die Futurologie kann die Medienentwicklung prognostizieren (hinsichtlich nicht nur dieses Themas hat dies Stanislaw Lern — 1981/1964 — in seiner „Summa technologiae“ auf grandiose Weise getan), die traditionell vorgehende Soziologie sie aber erst analysieren, wenn sie bereits ‘gegriffen’ und zu sozialen wie institutionellen Konsequenzen geführt hat.

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  20. Die Rezeption durch die Soziologie in Deutschland ist bislang recht sporadisch geblieben. Als einer von wenigen hat Hartmut Esser (1993: 203, 222, 528) die Memtheorie ansatzweise in soziologisches Denken zu integrieren versucht. Hingegen ist eine solche evolutionstheoretische Analyse der Verbreitung von Wissen in Disziplinen wie der Linguistik inzwischen durchaus anerkannt (vgl. W. A. Koch 1989, K. Bayer 1996). Die Ursache für die soziologische Abstinenz in der Rezeption dieses Ansatzes mag in seiner ungewohnten Perspektive liegen, bei der — ähnlich wie in der klassischen Ideengeschichte — das Wissen selbst und nicht die sozialen Akteure Referenzpunkt der Betrachtung ist. Dies hat jedoch zumindest den heuristischen Vorteil, daß die Aufmerksamkeit in der empirischen Analyse auf die Eigendynamik der Entwicklung von Wissen fokussiert wird. Gleichzeitig läßt es den Invisible-Hand-Charakter der Verbreitung von Wissen deutlich werden. Eine ausführliche Kritik der Memtheorie aus sozialwissenschaftlich-philosophischer Sicht legte jüngst Rötzer (1998: 145–198) vor.

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  21. Da mir der Aufsatz in Form eines Hypertextes ohne Seitenzahlen vorliegt, zitiere ich nach den Kapiteln des Textes (K1 bis K9).

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  22. Hier nicht zu verstehen als Theorie, welche die Grundlagen menschlicher Erkenntnisfähigkeit auf biologische Gegebenheiten (primär: evolutionäre Prozesse) zurückführt, sondern als Theorie, welche die Entwicklung von Wissensbeständen unter evolutionären Gesichtspunkten untersucht (vgl. G. Pöltner 1993: 12–15).

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  23. Ähnliche Überlegungen finden sich bereits im Schlußkapitel des bekannten Werkes „Zufall und Notwendigkeit“ von Jacques Monod (1971/1970).

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  24. „Ich bin mir nicht sicher, ob die Umwelt der menschlichen Kultur tatsächlich das besitzt, was notwendig ist, um eine Evolution im Darwinschen Sinne in Gang zu setzen (...) Meine Absicht war es, das Gen auf seine richtige Bedeutung zurückzusetzen, und nicht, eine großartige Theorie der menschlichen Kultur zu entwerfen.“ (R. Dawkins 1976/1994: 515; vgl. dazu A. Lynch 1996: 27–28).

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  25. (1) Die Existenz von unterscheidbaren Informationsmustern, (2) die Möglichkeit, Variationen dieser Muster zu erzeugen, (3) eine Erklärung für die Auswahl von anpassungsfähigen Variationen und (4) eine Möglichkeit, die ausgewählten Variationen zu replizieren und zu verbreiten (L. Gabora 1997: Kl; entsprechend bereits D. T. Campbell 1988: 56 und 1988a: 110).

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  26. Die Weltsichten von Menschen überlappen sich, weil ihre Gehirne ähnlich sind und weil sie dieselben Même enthalten, sie decken sich aber nicht vollständig. „Each host’s train of thought traces out a unique trajectory through conceptual space“ (L. Gabora 1997: K3). Wenn es keine anderen Zwänge für die Wirte gibt, dann den, fragmentarische Repräsentationen in eine logisch-konsistente Weltsicht zu integrieren. Dies liegt daran, daß unsere Fähigkeit, Vorhersagen zu machen und unser Handeln erfolgreich zu planen, von der Genauigkeit dieser Weltsicht abhängig ist (ebd.).

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  27. Diese Faktoren hatte ich bereits im vorangegangenen Kapitel im Zusammenhang mit der Veränderung von Wirklichkeitszugängen behandelt.

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  28. „Thus, already popular ideas tend to become even more popular, leading to an eventual homogenity of belief within a closely interacting group.“ (F. Heylighen 1997) Behauptet wird hier nichts anderes, als die Existenz eines sozialen Gesetzes über die Verbreitung von Meinungen, das in ähnlicher Form schon von der deutschen Medienforscherin Elisabeth Noelle-Neumann als „Schweigespirale“ formuliert worden ist.

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  29. Es ließen sich in der Literatur keine Hinweise auf Versuche zur empirischen Überprüfung dieser oder ähnlicher Kriterienkataloge finden. Zu berücksichtigen ist hier jedoch, daß es sich um eine gerade erst entstandene Disziplin (wenn man die ‘Memetik’ als solche bezeichnen möchte) handelt.

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  30. Dabei bleibt weitgehend im Dunkel, wie die Kategorie des Mems gegen andere Wissensformen abzugrenzen ist. „Jeder Memetiker bietet wahllos die verschiedensten Dinge auf, die Meme sein sollen (...) Die angeführten Beispiele gehören überdies ganz verschiedenen Gattungen an. Manche sind Abstraktionen, manche Definitionen, manche eigene Namen, manche normative Orientierungen, deren Gemeinsamkeit bestenfalls darin besteht, daß sie als Vorstellungen oder Worte von Gehirnen irgendwie gespeichert und prozessiert werden.“ (F. Rötzer 1998: 164–165). Es fällt jedoch auf, „daß viele Memetiker die Ausbreitung von Memen an ideologischen oder religiösen Beispielen demonstrieren, die wissenschaftlich nicht objektivierbar und rational nicht begründbar sind.“ (175).

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  31. Andernfalls würde sie den dritten Faktor ‘verfehlen’, weil gerade das Unwahrscheinliche einen hohen Neuigkeitswert besitzt (vgl. F. Heylighen 1997).

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  32. Die Verbreitung abweichender Deutungen durch ökonomisch konstituierte Massenmedien wird entsprechend durch den Verlust von Einschaltquoten und Abonnentenzahlen sanktioniert. Dabei dürfte jedoch die Toleranz gegenüber einzelnen Abweichungen vom ‘common sense’ erheblich größer sein — nicht nur weil Massenmedien regelmäßig eine große Zahl von Deutungen prozessieren, sondern auch weil die Toleranz gegenüber einzelnen Abweichungen hier deutlich größer ist als im unmittelbaren Umgang mit anderen Menschen.

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  33. Sie spielt allerdings bei stark emotional aufgeladenen und hegemoniellen Deutungsmustern eine große Rolle.

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  34. Sozial wirksam ist er z. B. im Modus der Co-Betroffenheit, der die Entstehung von Selbsthilfegruppen für Angehörige von Problemopfern ermöglicht. (Mit solchen Gruppen werde ich mich im dritten Kapitel ausführlicher beschäftigen.)

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  35. Diese Unabhängigkeit ist im massenmedialen System der Wissensverbreitung entgegen dem äußeren Augenschein regelmäßig nicht gegeben. Die unterschiedlichsten Medien beziehen einen Großteil ihrer Informationen von wenigen Nachrichtenagenturen. Folge ist eine große Homogenität der präsentierten ‘Fakten’ und Deutungen auch bei Einzelmedien mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung.

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  36. Meist werden als ‘Experten’ (in Abgrenzung von ‘Laien’) Personen verstanden, die im Rahmen einer spezifischen Ausbildung eine besondere Kompetenz — Wissen und Problemlösungsstrategien — erworben haben (vgl. H. P. Peters 1994: 167).

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  37. Die zur Sicherstellung der Authentizität des Absenders vorgeschlagene Methode der asymmetrischen Verschlüsselung von Kommunikaten (vgl. K. Rihaczek 1996; J. Bizer 1996) wird sich meines Erachtens aufgrund seiner technischen Aufwendigkeit in der Alltagskommunikation nicht durchsetzen.

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  38. Dies schließt jedoch nicht aus, daß es — als Gegentendenz zur geschilderten Entwicklung — bei bestimmten Themen zu einer Renaissance des unmittelbaren Gesprächs kommen wird, weil dies das einzige Medium ist, das eine Authentizität der Quelle sicherstellt und damit Unterscheidungsmöglichkeiten hinsichtlich deren Glaubwürdigkeit überhaupt erst eröffnet. Die einzige Alternative hierzu wäre der völlige Verzicht auf dieses Kriterium in der digitalen Kommunikationsordnung.

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  39. „Es entspricht im übrigen der sozialpsychologischen Forschung über Muster der Kausalattribution bei Laienerklärungen (...), daß im Publikum eine Vorliebe für deterministische Kausalmodelle vorhanden ist (...). Sie liefern eindeutige Ursachen für eindeutige Effekte.“ (F. Neidhardt 1994: 19).

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  40. Die Rede ist hier nur von Problemdeutungen, nach denen die Betroffenen für ihren Status nicht selbst verantwortlich sind — Schuldzuweisungen an die Arbeitslosen hingegen sind typisch für bestimmte Gegendiskurse

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  41. Gleichzeitig wird hier aber auch deutlich, wie variabel Kausalattributierungen von Problemmustern im medialen Alltag gehandhabt werden können.

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  42. Ein — zugegeben banales — Beispiel aus dem fiktionalen Bereich: Der ‘typische Mord’ geschieht im Hörspiel durch Schußwaffen, andere Arten müssen hingegen indirekt, z. B. durch den Schrei des Opfers, übermittelt werden. In Kino und Fernsehen hingegen sind gerade die ‘leisen Morde’ — etwa das lautlose Erdrosseln mittels einer Schlinge — dramaturgisch gut ins Bild zu setzen

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  43. Dabei setzt die in der traditionellen Medienkritik entwickelte Vorstellung der ‘lügenden Bilder’ allerdings voraus, daß zwischen der Wirklichkeit und ihrer Abbildung ein eindeutiges Verhältnis besteht — die neuere Medientheorie bestreitet dies (vgl. W. Schulz 1989).

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  44. Es handelt sich um sprachliche Ausdrücke, die dazu dienen, „ganze Komplexe spezifischer gesellschaftlicher (unliebsamer) Probleme zu verdichten, d.h. von ihren Besonderheiten zu abstrahieren und sie auf eine Dimension zu bringen.“ (H. Cremer-Schäfer/J. Stehr 1990: 23).

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  45. „Die Arbeit [von Routinen] besteht in einem Einpassen von Informationen, die im System der Massenmedien schon weitgehend vorselektiert sind, in Rubriken und Schablonen. Für die Letztauswahl spielen dann Zeit und verfügbarer Raum (...) eine ausschlaggebende Rolle. Die dafür geltenden Kriterien sind unter dem Gesichtspunkt wiederholter Anwendbarkeit gespeichert, also selbst weder neu noch besonders aufregend und weder moralisch artikuliert noch konflikthaltig.“ (N. Luhmann 1996: 71–72).

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  46. Hierin liegt die im besten Sinne ‘aufklärerische Wirkung’ von Büchern wie „Virus of the Mind“(R. Brodie 1996), in welchen die kognitiven Mechanismen der Verbreitung von Glaubenssystemen und anderen Wissensformen einem breiten Publikum einsichtig gemacht werden.

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  47. Die immer wieder gegen diese Feststellung ins Feld geführten Leserbriefe und andere ‘Rückmeldungen’ des Publikums können tatsächlich sowohl quantitativ wie auch qualitativ vernachlässigt werden. Die Unidirektionalität ist das zentrale Merkmal, welches die massenmediale Kommunikation vom Wissenstransfer in der traditionellen und der digitalen Epoche unterscheidet (vgl. F. Rötzer 1998: 79–80).

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  48. Da regelmäßig unterschätzt wird, wieviel Wissen durch Unterhaltung verbreitet wird, liegen in den Medienwissenschaften zu dieser Frage kaum empirische Untersuchungen vor (so K. Kreimeier 1995: 171, 203).

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  49. Kreimeier (1995: 227) nennt — ohne Angabe von Quellen — für 1993 die Zahl von 830.000 gesendeten Werbespots im deutschen Fernsehen und konstatiert gleichzeitig einen starken Anstieg zu Beginn der neunziger Jahre.

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  50. Kritik an dieser Entwicklung aus Sicht eines traditionellen Medienverständnisses findet sich bei H. Oberreuter (1989).

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  51. Allerdings haben Nachrichten und Reportagen das Publikum schon immer unterhalten, ebenso wie durch fiktionale Sendungen Informationen, ‘Be-Deutungen’ und Muster für soziales Handeln übermittelt wurden (vgl. C. Mast 1989: 106). Diese Tendenz tritt heute lediglich — insbesondere durch die Aufweichung der Grenzen zwischen den verschiedenen Mediensegmenten — deutlicher hervor, als dies z. B. im bundesrepublikanischen Rundfunksystem noch vor 15 Jahren der Fall war.

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  52. Im Netz verbreitete Deutungsmuster (z. B Verschwörungstheorien über den Tod von John F. Kennedy oder Lady Di) werden inzwischen regelmäßig auch von den Massenmedien kolportiert. Offenbar bedienen sich diese des hohen deutungsgenerierenden Potentials der Netzwerke, wo sie selbst spezifische Deutungsmuster innerhalb ihres üblichen Produktionskontextes nicht zu erzeugen vermögen.

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  53. In polydirektional arbeitenden Medien wie dem Usenet kann de facto niemand an einer Veröffentlichung gehindert und nur in den seltensten Fällen anschließend zur Rechenschaft gezogen werden (vgl. L. Donnerhacke 1996 und C. Leggewie 1996).

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  54. Eine weitere (bislang in ihren Implikationen für die menschliche Kommunikation nicht einmal ansatzweise erfaßte) Möglichkeit ist die Konfrontation menschlicher Akteure mit künstlichen. Sie wird Computer zukünftig zu echten Kommunikationspartnern machen, weil solche „Idoru“(W. Gibson 1997/1996) im virtuellen Raum nicht mehr eindeutig von den „Avatara“(Stellvertretern) der menschlichen Akteure zu unterscheiden sein werden.

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  55. Während Rheingold (1994) die Ausbildung virtueller Gemeinschaften propagiert, bezweifelt Wehner (1997) grundsätzlich, daß Netzwerkkommunikation zur Entstehung neuer kollektiver Identitäten führen kann. Meine (unsystematischen) Beobachtungen der Netzinhalte zu außergewöhnlichen sexuellen Vorlieben weisen allerdings doch darauf hin, daß es zumindest im Einzelfall zu Gruppenbildungen mit entsprechenden Identitätsausformungen kommen kann (hier sind insbesondere Zoophile und Windelliebhaber zu nennen).

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  56. Was gleichzeitig die Ausbildung mehrerer ‘künstlicher’ Identitäten ermöglicht. „Wenn Treffpunkte Anonymität ermöglichen, eröffnen sie damit die Möglichkeit, gänzlich neue Identitäten anzunehmen, die nicht an tatsächliche Identität in der körperlich verfaßten Welt rückgebunden sind.“(L. Gräf 1997: 102). Dies schließt Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung ein (vgl. A. Maihofer 1995: 13 und M. Schetsche 1998a: 152).

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  57. Jeder Rechner kann auf dem Weg zwischen zwei kommunizierenden Systemen den gesamten Datenfluß protokollieren — Anbieter von Internet-Zugängen können den Datenaustausch ihrer Kunden vollständig überwachen — die Anbieter von www-Seiten vermögen das Leseverhalten der Abrufer exakt zu dokumentieren (vgl. M. Gisor 1996: 52).

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Schetsche, M. (2000). Die Verbreitung des Problemwissens. In: Wissenssoziologie sozialer Probleme. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90336-5_3

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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