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Steinmetaphorik und ästhetisches Widerstehen

Zur Ortsbestimmung fundamentaler Opposition in der »Ästhetik des Widerstands« von Peter Weiss und »kamalatta« von Christian Geissler

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Das Politische im literarischen Diskurs
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Zusammenfassung

Von der etablierten Literatur Westdeutschlands der 80er Jahre heben sich zwei Autoren durch eine Gemeinsamkeit ab: Peter Weiss und Christian Geissler geben in Die Ästhetik des Widerstands1 und kamalatta2, im Unterschied zu vielen anderen, das Bestreben nicht auf, mit ihrer Schreibarbeit die Sache der Unteren — wie es bei Weiss gerne heißt — voranzubringen und sich positiv auf Vorstellungen fundamentaloppositioneller bzw. revolutionärer Gesellschaftsveränderung zu beziehen. Sie setzen dadurch ein Engagement fort, zu dem sie sich zuvor schon in ihrer außerliterarischen Tätigkeit bekannt hatten. Gehörte Geissler 1967 und 1968 der seit 1956 verbotenen KPD an, so verschrieb sich Weiss in den 60er Jahren den “Richtlinien des Sozialismus” (Weiss 1971, S. 22), wandte sich den RGW-Staaten in kritischer Solidarität zu und wurde 1969 Mitglied der schwedischen Linkspartei Kommunisten, VPK (vgl. Schmitt 1986, S. 15).3 Nahm Weiss in den “68ern” zur APO Kontakt auf und spielte vor allem in der Vietnam-Solidaritätsbewegung eine aktive Rolle (er war beispielsweise Sekretär des Russell-Tribunals), so organisierte Geissler zunächst die Ostermarschbewegung mit und diskutierte später in aus der APO entstandenen antiimperialistischen Zusammenhängen, wobei er sich positiv auf bewaffnete Gruppen wie die RAF bezog.

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Anmerkungen

  1. Zitate aus Weiss 1988 werden im Text mit der römischen Band-und der arabischen Seitenzahl ausgewiesen.

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  2. Zitate aus Geissler 1988 werden im Text mit der Seitenzahl ohne weitere Zusätze ausgewiesen.

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  3. Weiss gehörte dieser Partei bis zu seinem Tode 1981 an.

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  4. Die Gruppe wird meist als Teil der “Roten Kapelle” angesprochen, einem Namen, den ursprünglich die Gestapo zur Bezeichnung der unbekannten Gejagten prägte.

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  5. Weiss artikulierte seine Abneigung gegen jede Arbeitertümelei vielfach in Notizen und Interviews; die Distanz zur Strategie des bewaffneten Kampfs der RAF brachte er am prononciertesten Ende 1977 in Notizen zum Ausdruck: »Der Terrorismus nur ein kleiner Anhang des großen Nihilismus, wie er vertreten wird von den imperialistischen Mächten — / blind folgen sie der Brutalisierung des Denkens /[.] der falsche Heroismus — Kampf bis zum letzten, sich opfern —« (Weiss 1981, S. 649).

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  6. Auch 1990 nahm er noch einmal Bezug auf den Roman von Weiss (vgl. Geissler 1992).

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  7. Zum Widerstand, den der Roman der Lektüre entgegensetzt, vgl. etwa Dunz-Wolff 1988, S. 41 f., 75, 100, 102,125, 145.

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  8. Dem stehen nur vereinzelt andere Partizipien gegenüber, wie z. B. “wartend”.

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  9. Eine weitere finite Verbform in I, 7, Zeile 16 f., definiert keinen Satz mit Partizipformen, sondern ist Teil eines Nebensatzes. Die dort über die Quasi-Passiv-Konstruktion mit “lassen” gewählte Form relativiert zudem die hierdurch vorgenommene zeitliche Zuordnung.

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  10. Das Präteritum in den Sätzen eins und sieben trennt die Handlungsebenen von den Schreib-und Lektüresituationen noch schwach ab.

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  11. Den “steinerne[n] bahnen” (359), auf denen die Figur Bayer den Widerstand organisieren möchte, setzt Proff sofort die Waldpfade entgegen, auf denen gegangen werden müsse.

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  12. Die Dichotomie: hier Erdgeborene — da Götter ist allerdings eine in der Interpretation der Betrachter vorgenommene Vereinfachung, da der mythischen Überlieferung gemäß auch “erdgeborene” Gruppen an der Seite der Götter kämpften (vgl. Schindler 1987, 36).

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  13. In der zur Ästhetik des Widerstands erschienenen Sekundärliteratur wurde die Stahlmann-Figur überraschend übereinstimmend als ein Hoffnungsträger des Romans interpretiert; dem trat in der gebotenen Eindeutigkeit allein Hans-Peter Burmeister entgegen (vgl. Burmeister 1990).

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  14. Der Begriff des “Stalinismus” ist theoretisch nicht klar umrissen und wird hier als vorläufiger Arbeitsbegriff eingeführt. Auf die dem Begriff innewohnende Problematik einer Personifizierung hat Peter Weiss mehrfach hingewiesen (vgl. z. B. Weiss 1981, S. 319).

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  15. Es ist im Rahmen dieser Abhandlung nicht möglich, auf die mit Bayon/Angkor Wat verbundenen Variationen der Steinmetaphorik näher einzugehen. Zur Darstellung von “oben” und “unten” tritt erstens eine Zwischenklasse der Krieger, hinzu, mit denen sich Stahlmann identifiziert. Der Übergang von Bayon nach Angkor Wat erscheint zweitens als Übergang von bevorstehender in die endgültige oder bereits erfolgte Niederlage; Angkor Wat ist drittens gerade in der Auflösung des Kompakten als neuartig verwirklichte Herrschaftsarchitektur beschrieben; Angkor Wat wird schließlich viertens als “die erste totalitäre Stadt” (III, 108) angesprochen und erscheint — auch vom “Tor des Todes” ist die Rede (III, 100) — in seiner streng symmetrischen Anlage wie das architektonische Vorbild eines Vernichtungslagers.

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  16. Wie alles Dargestellte finden sich allerdings auch die visionären Stahlmann-Passagen noch als über der Ich-Erzähler gespiegelt im Text wieder.

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  17. Dort heißt es zum Beispiel: “so matt aus den federn springts / klirrend der braut in den rindigen / reifrock der weiden hämmert der specht / rotschwarz die nachricht vom glück. kamalatta.”.

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  18. Eine Gleichsetzung von Repression im Kapitalismus, Faschismus und Verfolgung durch den NS läßt sich dagegen in manchen Notizen und etlichen Interviewäußerungen von Peter Weiss nachweisen. Das Thema einer spezifischen Qualität der NS-Verfolgung zieht sich aber dennoch durch das Werk des als »Halbjude« in die Emigration getriebenen Autors: Der literarische Diskurs überstieg diesbezüglich stets gelegentliche politisch-programmatische Verkürzungen.

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  19. Es ist keinesfalls ein Zufall, daß jener Romanszene, in der Stahlmann und Hodann aufeinandertreffen, die Thematisierung des physikalischen Trägheitsgesetzes vorausgeht; vgl. I, 256.

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  20. Ist der Romantext erzähltechnisch ansonsten als über das Bewußtsein des anonymisierten Erzählers gespiegelt konstruiert, so unterbricht der zweite Heilmann-Brief als montiertes fiktives Dokument diese Struktur.

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  21. Solche Konstruktion, die die Vergangenheit nicht der Geschichte der Sieger verlorengibt, sondern ihr in ihrem Scheitern ein nur negativ verortbares “messianisches” Moment abzuringen sucht, rückt den Widerstandsroman von Weiss in die Nähe zur Geschichtsphilosophie Walter Benjamins, was hier allerdings nicht weiter erläutert werden kann.

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  22. Vgl. zur ausführlicheren Begründung dieser These: Kramer 1996, S. 284 ff.

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Literatur

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Brunner, B., Kramer, S. (1996). Steinmetaphorik und ästhetisches Widerstehen. In: Kramer, S. (eds) Das Politische im literarischen Diskurs. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90285-6_8

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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