Zusammenfassung
Als Anhang zur Veröffentlichung eines Aufsatzes1 von Wolfgang Pauli erscheint es mir angebracht, zunächst einiges über seine Kontakte zur Physik unseres Landes zu sagen. Der erste Kontakt war offensichtlich die Bekanntschaft mit Jakov Ilić Frenkel, der im Herbst 1925 als Stipendiat der Rockefeiler Foundation in Deutschland war. Den Aufenthalt bei Pauli vermittelte Paul Ehrenfest, Lorentz’ Nachfolger am Lehrstuhl für theoretische Physik der Leidener Universität. Ehrenfest war ein großer Freund der sowjetischen Wissenschaft. Im Schriftwechsel von Ehrenfest und A. F. Ioffe taucht der Name Pauli mehrmals auf, insbesondere in Verbindung mit der beabsichtigten Auslandsreise Frenkels. Ehrenfest, dessen kritisches Talent von seinen Zeitgenossen sehr geschätzt wurde, erkannte seinerseits bereits früh Paulis außergewöhnlich scharfen Verstand und wies darauf in seinen Briefen an A. F. Ioffe hin. Er schrieb über den 24jährigen Pauli, der „sowohl schlagfertig als auch scharf denkend“ sei.2
Viktor Jakovlevic Frenkel (1930 geboren) ist seit 1959 Mitglied des Physikalisch-Technischen Instituts A. F. Ioffe in Leningrad. U. a. verfaßte er mehrere physikhistorische Abhandlungen über den bekannten sowjetischen Physiker Jakov Frenkel (seinen Vater), der zeitweilig auch mit Pauli in Hamburg zusammenarbeitete.
Aus dem Russischen übersetzt von Ottmar Pertschi, Übersetzungsstelle der Universitätsbibliothek Stuttgart.
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Literatur
Dieser Beitrag wurde als Einleitung zu dem im Kapitel X, 3 wiedergegebenen Aufsatz von Pauli über Die Erhaltungssätze in der Relativitätstheorie und in der Kernphysik geschrieben, den der Verfasser aufgefunden und den Herausgebern zur Veröffentlichung übermittelt hat.
Siehe Ehrenfest-Ioffe (1973), S. 178
Diese Beziehungen spiegeln sich in Frenkels Briefen an die Heimat wider. Siehe Frenkel (1966), S. 169; Frenkel (1958), S. 463 und Frenkel (1971b).
Narodnyj kommissariat prosvescenija — Volkskommissariat für Volksbildung (Anm. d. Übers.)
Siehe Landau (1931), S. 4
Siehe Rumer (1974), S. 101
Siehe Pauli [1979/85], S. 523–526
Die ersten sechs Kongresse hießen „Kongresse russischer Physiker“. Ab dem 4. Kongreß (Leningrad 1924) wurden auch ausländische Wissenschaftler zur Teilnahme eingeladen.
1j (Pervyi) Vsesojuznyi s“ezd fizikov. Perečen’ dokladov, predstavlennych nas s“ezd, s kratkim soderźaniem. Leningrad: NChTI, 1930. (1. Allunions-Physik-Kongreß). Verzeichnis der Kongreßvorträge mit kurzer Inhaltsangabe; russisch.)
Pauli (1938e)
Pauli (1938c). Wiedergegeben in Kapitel X,4. Wie nach den Literaturangaben beurteilt werden kann, wurde diese Kritik nicht weiter fortgesetzt. Wir beziehen uns auf F. Rasetti, der in seinem Kommentar zu Fermis fundamentalem Aufsatz über die Theorie des Beta-Zerfalls schrieb, daß diese „... Theorie fast ohne Veränderungen zweieinhalb Jahrzehnte revolutionärer Kernphysik zu bestehen vermochte“. (Vgl. Fermi [1962], Band I, S. 538.) Derselben Meinung ist auch B. M. Pontekorvo: „Erstaunlicherweise existierte diese Theorie mit relativ geringen Änderungen, auch wenn äußerst wichtigen und zahlreichen Ergänzungen, beinahe unverändert bis zur vereinigten Theorie elektroschwacher Wechselwirkungen von Glashow-Weinberg-Salam“ (Pontekorvo (1983), S. 47). Andererseits sagte selbst Fermi in seinen Vorlesungen 1950: „Die auf die Hypothese der Existenz eines Neutrinos gegründete Theorie des Beta-Zerfalls hatte einigen Erfolg bei der Erklärung einiger allgemeiner Eigenschaften der Erscheinungen ... Aber andererseits wurde bis heute keine völlig befriedigende Form dieser Theorie gefunden“ (Fermi [1952], S. 3).
Siehe Frenkel (1966), S. 284 und Frenkel (1971b)
Siehe Dobrotin (1937)
Das Gleiche gab es auch während der vorhergehenden 1. Allunions-Atomkonferenz in Leningrad. So hielt damals F. Joliot einen Vortrag vor einem großen Zuhörerkreis im Vyborger Kulturhaus.
In russischer Sprache erschien er in den russischen Übersetzungen von Fierz und Weisskopf [1960] und Pauli [1964].
In dieser interessanten Arbeit ist ein kurzer Abriß der „Vorläufer“ des 1932 entdeckten Chadwickschen Neutrons enthalten. Sie zeigt, daß nicht nur Rutherford auf die Hypothese von der Existenz eines neutralen Teilchens gekommen war (in seiner berühmten Baker-Vorlesung 1920), sondern bereits früher W. Nernst, 1909, und später R. Fürth, 1929. Pauli kannte Fürths Arbeit und diskutierte sie mit Ehrenfest.
Siehe Loeb (1931)
Vorträge hielten auf dem Kongreß O. Stern, R. Frisch und I. Estermann. Da der Adressat von Ja. I. Frenkels Brief mit Stern bekannt war, handelt es sich entweder um Frisch oder Estermann.
Siehe Frenkel (1966), S. 297
F. Rasetti (siehe Fermi [1962], Band I, S. 538) nimmt an, gerade damals sei die Bezeichnung „Neutrino“ aufgekommen, aber Pauli sagte in seinem Vortrag in Zürich (1957a), in einer Nebenbemerkung auf eine Mitteilung E. Amaldis, sie sei später zustandegekommen, auf den Seminaren Fermis in Rom, d.h. nach Chadwicks Entdeckung des Neutrons (Februar 1932), um das „Pauli-Teilchen“ vom schweren Neutron Chadwicks zu unterscheiden. Wir weisen auf eine weitere Ungenauigkeit im gleichen Kommentar Rasettis zu Fermis Aufsatz hin: Paulis Vortrag fand im Herbst 1931 statt. Wir fügen dieser interessanten Einzelheit hinzu: Hermann Weyl, der am 10. Dezember 1945 im Institute for Advanced Study in Princeton (sein Kollege war damals Pauli) anläßlich einer Festveranstaltung zur Verleihung des Physik-Nobelpreises an Pauli sprach, erinnert daran, daß man seinerzeit das Pauli-Teilchen — in Fermis Sinne — „Paulino“ nannte (vgl. Weyl (1946), S. 217).
Siehe Ehrenfest-Ioffe (1973), S. 238
Siehe Ehrenfest [1959], S. 621. Wiedergegeben in II,2.
Fermi [1962], Band I, S. 489–508
Fermi [1962], Band I, S. 499 ff.
Fermi [1962], Band I, S. 488.
Frenkel schreibt „Neutrino“, es muß aber „Neutron“ heißen (Anm. d. Übers.).
Atomnoe jadro. Sbornik dokladov 1-oj [pervoj] Vsesojuznoj jadernoj konferencii. Pod red. M. P. Bronstejna, V.M. Dukel’skogo, D.D. Ivanenko, Ju. B. Charitona. Leningrad/Moskva: GTTI, 1934. Das Teilchen wird während der Konferenz erstmals in dem Vortrag von D. D. Ivanenko (auf S. 53) genannt.
Pauli (1930 f), wiedergegeben in Kapitel X,2
In Ann Arbor arbeitete damals eine kleine Gruppe von Theoretikern, zu denen Goudsmit und Uhlenbeck gehörten. Ja. I. Frenkel schrieb damals von dort (7. Mai 1931): „Zum Sommersemester kommen Sommerfeld und Pauli nach Ann Arbor“ (Frenkel (1966), S. 292). Hier ist wegen einer Ungenauigkeit auf Seite 8 der Hinweis angebracht, daß Pauli, nach seinem Moskauer Vortrag zu urteilen, erstmals bei seinen Vorlesungen an der kalifornischen Universität im Sommer 1931 das Neutrino erwähnte. Offenbar hat er das Neutrino an allen drei Orten genannt, aber wohl zuerst auf dem Kongreß in Pasadena.
Carlson und Oppenheimer (1932), S. 763
Fermi (1933)
Fermi (1934)
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Frenkel, V.J. (1988). Pauli in der UdSSR. Zur Frühgeschichte des Neutrines. In: Enz, C.P., v. Meyenn, K. (eds) Wolfgang Pauli. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90270-2_8
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