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Die Bedeutung des Ateliers für die Mitarbeiter: Ort der Architekturlehre

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Der Sinn der Unordnung
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Zusammenfassung

Die Ausübung des Architektenberufs war in Frankreich bis 1940 an keinerlei Voraussetzungen gebunden.138 Architekt konnte jeder sein, der sich dazu erklärte. Praktisch nahmen jedoch im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts alle zukünftigen Architekten eine der Ausbildungsmöglichkeiten wahr, die ihnen von staatlicher Seite angeboten wurden. Dies war zunächst die Ecole Nationale Supérieure des Beaux-Arts, die eine spezielle Architekturabteilung unterhielt.139 Theorie und Praxis der Baukunst wurden (und werden) hier in einem streng geregelten, differenziert aufgebauten Unterrichtssystem gelehrt, dessen einzelne Stufen durch ‚concours‘, Wettbewerbsaufgaben, erklommen werden mußten; die höchste dieser Aufgaben, der ‚Grand Prix‘ oder ‚Prix de Rome‘, versprach dem Sieger eine glänzende Zukunft. Praktische Übungen wurden in ‚ateliers‘ abgehalten: statt Architekturbüros mit konkreten Bauaufträgen gab es der Schule angegliederte, private ‚Arbeitsgruppen‘, denen ein von der jeweiligen Studentengruppe selbst gewählter Architekt vorstand. Unter seiner Leitung wurden die Wettbewerbsaufgaben ausgearbeitet. Der ‚patron‘, dessen Haupteinnahmequelle generell ein eigenes Architekturbüro, eine , agence’ mit mehreren Angestellten bildete, erschien in der Regel zwei- bis dreimal wöchentlich im Atelier, wo er die Studentenarbeiten korrigierte.140

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Anmerkingen

  1. Grundlegend zu diesem Thema sind die Werke von Drexler 1977 und Pevsner 1973.

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  2. Die Ecole des Beaux-Arts mit ihrer Architekturabteilung ist die 1806 von Napoleon gegründete Nachfolgeinstitution der Académie Royale (d’Architecture), die während der Revolution aufgelöst worden war. Die Königliche Akademie, 1671 von Louis XIV auf Betreiben Colberts ins Leben gerufen, hatte für mehr als ein Jahrhundert das Monopol der Architektenausbildung inne gehabt. Auf ihr lehrte man abstrakte Entwurfsprinzipien, die der Schüler erst nach Abschluß der Ausbildung, mit dem Eintritt in die „Administration des Bâtiments Royaux“, durch praktischen Kenntniserwerb erweitern konnte. Mit der Gründung der „Académie Royale d’Architecture“ war es dem französischen König gelungen, eine nahezu lückenlose Kontrolle über die baukünstlerische Formgebung in seinem Land zu gewinnen. Gleichzeitig erfuhr die Baukunst eine Aufwertung: Sie emanzipierte sich vom Bereich des Bauunternehmertums, mit dem sie bisher eng verbunden gewesen war, und somit vom Geruch des Handwerklichen, rein Zweckhaften, der ihr bis jetzt angehaftet hatte. Nun durfte sich nur derjenige Architekt nennen, der sich einem speziellen Studium der architektonischen Grundregeln unterworfen hatte. Ziel dieser Bestrebungen war es, zwischen Architekten einerseits und Bauunternehmen und Maurermeistern andererseits eine scharfe Trennungslinie zu ziehen. Einzug in den Code Civil fanden die neuen Bestrebungen zur Separierung jedoch noch nicht. Lediglich die Baupraxis machte allmählich Unterschiede sichtbar: Konnten die Akademie-Architekten vorwiegend Aufträge für den Hof oder die Kirche ausführen, so verblieb den Bauunternehmern und Maurermeistern der Bereich der „niedrigen“ Architektur. Folge der sich immer deutlicher abzeichnenden Trennung zwischen baukünstlerischem Entwurf und Bauausführung war die fortschreitende „Praxisferne“, gleichsam die „Akademisierung“ der Architektur der Ecole des Beaux-Arts.

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  3. Das „atelier libre“ war eine auf studentischer Initiative basierende Einrichtung: Eine Studentengruppe mietete einen Raum und entschied sich für einen bestimmten „patron“, dem sie ein Honorar zahlte (vgl. Drex-ler 1977, 86ff.). Seit 1863 gab es auch „ateliers officiels“, die der Ecole unmittelbar angegliedert waren; in der Organisationsform unterschieden sie sich jedoch nicht von den freien Ateliers.

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  4. Diese Schulen sind bis heute: die Ecole Nationale Supérieure des Beaux-Arts und ihre Filialen, die Ecoles Régionales; außerdem die Ecole Spéciale dArchitecture, eine Privatschule, die 1934 staatlich anerkannt worden war und seit 1945 das Diplom „D.E.S.A.“ vergibt, sowie die Ecole Nationale d’Ingénieurs in Straßburg, deren Architekturabteilung ebenfalls ein offizielles Diplom vergibt. Le Corbusier selbst mußte seine Aufnahme in den Architektenverband 1940 eigens beantragen.

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  5. Giedion 1978, 157f. Aufgabe der 1794 gegründeten Ecole Polytechnique war es beispielsweise, eine zweijährige allgemeine wissenschaftliche Ausbildung für die Höheren Technischen Spezialschulen zu bieten; berühmtester Inhaber der Architektur-Professur war J.N. Durand (1795–1830). Noch heute sind ihre Absolventen in Frankreich sehr angesehen, die Bezeichnung „polytechnicien“ bürgt für Qualität.

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  6. Bezeichnend ist die im Vorwort zur ersten Ausgabe des O.C. I, 1929–1934, 10 erwähnte Begebenheit: Le Corbusier besuchte während der Zeit im Atelier Perret die Abendkurse der Ecole des Beaux-Arts. Als eines Tages (im Jahr 1909) der Professor für Konstruktion erkrankt war, ersetzte man ihn durch den „Ingénieur en Chef du Métropolitain de Paris“, der sich an die Studenten wandte: „Meine Herren, ich werde Ihnen einige außerhalb des Stundenplans liegende Stunden geben über die neuen Konstruktionsmethoden mit ‚armiertem Beton‘.“ Das Publikum reagierte mit Entrüstung: „Du glaubst, wir seien Bauunternehmer!“ Solchermaßen eingeschüchtert, beschränkte der Métro-Ingenieur sich auf das Thema „Mittelalterliche Holzkonstruktion“.

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  7. Drexler 1977, 96

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  8. Pigler 1954, 233

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  9. Moulin 1973, 29; vgl. auch Drexler 1977, 100.

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  10. C 1935, 25, Üb. K.M. Eine weitere Verbindung zu Viollet-le-Duc ist möglicherweise im Titel von Le Corbusiers Schrift „Entretiens“ zu sehen, der vielleicht von dessen „Entretiens sur l’architecture“ angeregt worden ist. In einem Brief an L’Eplattenier äußert Le Corbusier: „(. . .) ich lese Viollet-le-Duc, diesen Mann, der so weise, so logisch, so klar und so genau in seinen Beobachtungen ist.“ Zit. nach Petit 1970, 32, Üb. K.M.

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  11. Von Moos 1968, 418. Le Corbusier hatte die schlechten Erfahrungen beobachtet, die sein Lehrer Perret mit der Ecole des Beaux-Arts gemacht hatte (1933, 17): „Schon hat man gesehen, wie ein Meister-Konstrukteur von der Koalition des Instituts niedergerungen wurde. Jahrelang haben seine Schüler ,Öfen’ angehäuft (Ofen = Wettbewerbsprojekt, dem das Kollegium der Meister den Wert abspricht).“ (Üb. K.M.)

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  12. Aus diesem Konflikt entstand schließlich Perrets „Atelier du Palais de Bois“ (vgl. Kat. Perret-Elèves 1985): Zwei Architekturstudenten der Akademie hatten, angeregt durch „Vers une architecture“, im Atelier Le Corbusiers als unbezahlte Zeichner gearbeitet. Als sie die Schrift ihren Kollegen im „atelier libre“ zeigten, das damals der Architekt Lemaresquier leitete, kam es zum Konflikt, mit dem Resultat, daß sich fünf Studenten ohne Lehrer wiederfanden. Nachdem Le Corbusier auf ihre Bitte, nun seinerseits ein der Ecole angeschlossenes Atelier zu eröffnen, eine negative Antwort gegeben hatte, riet er ihnen jedoch, sich an Perret zu wenden, mit dem Hinweis: „(. . .) er ist ein großer Konstrukteur, übrigens wäre er sehr glücklich, Ihr Lehrer zu sein, er will schon lange in das Institut eintreten.“ (Üb. K.M.)

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  13. Der öffentliche Vortrag hatte am 14. März 1933 in der Salle Wagram stattgefunden. Das bei dieser Gelegenheit von Umbdenstock geprägte Schlagwort vom „Kreuzzug“ — „Wir predigen einen Kreuzzug, zu dem alle aktiven Leute ihren Beitrag leisten müssen“ (Üb. K.M.) — hat Le Corbusier im Titel seiner Schrift wiederverwendet. Er zitiert lange Passagen aus dem Vortrag, die er mit teils witzigen, teils hämisch-ironischen Kommentaren versieht.

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  14. Le Corbusier 1933, 29, Üb. K.M.

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  15. Le Corbusier 1933, 8, Üb., K.M. Zumindest in der Theorie, vielleicht nicht in den städtebaulichen Entwürfen, existieren für Le Corbusier demnach gravierende Unterschiede zwischen Bauten, die „seine“ architektonische Sprache sprechen. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ging es ihm nicht, wie von postmoderner Seite oft behauptet wird, um die endlose Reihung von Betonschachteln auf grünen Wiesen.

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  16. Vgl. dazu Le Corbusier (1943) 1962, 44f. sowie in: Wolfenstein 1931, 308.

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  17. Le Corbusier (1943) 1962, 15 f. Andererseits arbeitete auch Le Corbusier nicht immer mit lauteren Mitteln. Der zu diesem Zeitpunkt im Atelier beschäftigte Alfred Roth schildert den Versuch Le Corbusiers, dem Jury-Mitglied Karl Moser, Architekturprofessor an der ETH Zürich, illegalerweise und wie zufällig Informationen über seinen Entwurf zukommen zu lassen und sich so unerlaubte Vorurteile zu verschaffen.

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  18. Cahiers d’Art 9 (XIII), 1927

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  19. Entretiens (1943) 1962, 46, Üb. K.M.

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  20. „Das hier propagierte System ist nichts anderes als die alte traditionelle Werkstatt. Es ruft uns das Zeitalter vor Augen, das vor der Einrichtung der Architekturschulen die wirkliche Architektur geschaffen hat.“ Le Corbusier (1941) 1970, 207, Üb. K.M.

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  21. Schon auf seiner Deutschlandreise 1910 hat er ein ähnliches Modell gesehen: „Die Herren Professoren Bruno Paul und Grenander beschäftigen ihre besten Schüler ganz wie Angestellte. So, daß man den Unterricht genießen, praktische Erfahrungen in einem der besten deutschen Architekturbüros machen und bezahlt werden kann!“ Le Corbusier 1912, 67, Üb. K.M.

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  22. Le Corbusier (1937) 1977, 11; Le Corbusier 1933, 28, Üb. K.M.

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  23. Le Corbusier (1943) 1962, 10

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  24. Vgl. a.a.O., 50

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  25. Le Corbusier (1943) 1962, 70

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  26. Le Corbusier (1941) 1970, 206, Üb. K.M.

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Michels, K. (1989). Die Bedeutung des Ateliers für die Mitarbeiter: Ort der Architekturlehre. In: Der Sinn der Unordnung. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90258-0_4

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