Zusammenfassung
Für die Untermengen der Menge der Illokutionskräfte kann gezeigt werden, daß ihre Elemente systematisch miteinander zusammenhängen. Die Menge der Illokutionskräfte, das läßt sich mit guten Gründen sagen, bildet eine Art Überfamilie (superfamilia), die aus fünf Familien besteht. Diese einzelnen Familien können als offene Systeme betrachtet werden in dem Sinne, daß sie die Inkorporation weiterer Illokutionskräfte zulassen.
“We said long ago that we needed a list of’explicit performative verbs’; but in the light of the more general theory we now see that what we need is a list of illocutionary forces of an utterance.” (Austin 1962/1975, 149f.)
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Literatur
Zu denken wäre an solche Fragen wie: “welches Maß an Sprechaktidentifizierung und Sprechaktklassifizierung stellt […] [die betreffende] Sprache durch ihre lexikalischen Mittel bereits bereit?” (Wunderlich 1979, 321). “Wie viele Sprechakte gibt es in einer Sprache?” (Meibauer 1982, 137) S. auch Verschueren (1985, 14).
Entsprechendes gilt für die Realisierungen dieser Kräfte. In diesem Sinne jedenfalls kann die folgende, sich auf illokutionäre Akte beziehende Bemerkung verstanden werden: “Illokutionäre Akte sind gewissermaßen natürliche Begriffsarten” (Searle 1982, 10).- Bezüglich der Illokutionskräfte wäre im übrigen besser von natürlichen Unterarten des Sprachgebrauchs die Rede. Denn die wichtigste Einsicht, den Searle aus seinem Taxonomisierungsvorschlag zieht, ist die — gegen Wittgenstein gerichtete — Schlußfolgerung, daß es angesichts der Wahl des illokutionären Zwecks zum “Grundbegriff der Klassifikation von Sprachverwendungen […] nur sehr wenige grundlegende Sachen [gibt], die man mit Sprache machen kann” (Searle 1975a/1982, 50).
“Semantical Analysis of English Illocutionary Verbs” (Searle/Vanderveken 1985, 179), “Semantical Analysis of English Performative Verbs” (Vanderveken 1990, 166).
Die entsprechenden Auskünfte lassen daran keinen Zweifel: “It goes without saying at this point in our analysis that a fairly high degree of idealization is necessary to give a systematic account of these verbs. A look at any large dictionary will reveal that just about every one of the verbs we discuss has several different meanings. We will be concerned with the central or standard or paradigmatic illocutionary senses of these various verbs, and even those senses we will have to idealize to some degree in order to give a systematic account.” (Searle/Vanderveken 1985, 182) “I will only be concerned here with the paradigmatic central illocutionary meanings of speech act verbs, and I will have to idealize even these meanings somewhat in my semantic analyses.” (Vanderveken 1990, 169)
Vgl. z. B. die Kontroverse zwischen Meibauer (1982) und Ballmer/Brennenstuhl (1984). Burkhardt (1986, 296) behauptet: “Den Anfang aller Sprechakttheorie — und insbesondere aller Sprechakttypologie — muß die semantische Analyse der sprechaktbezeichnenden Verben bilden. “
Ähnlich äußert sich auch Holly (1989, 816), der annimmt, daß “Bedeutungsbeschreibungen in Wörterbüchern […] anders aussehen müssen als die Strukturbeschreibungen von terminologisch abzugrenzenden Sprachhandlungsmustern in wissenschaftlichen Untersuchungen. “
Es können nicht alle Verben berücksichtigt werden, weil auch solche Verben wie’reassert’ (’erneut behaupten’),’disclaim’, der sog. illokutionären Negation von’claim’ (’eine Behauptung aufstellen’), und’dissent’ (’anderer Meinung sein’) angeführt werden, zu denen es im Deutschen keine Entsprechungen gibt, zumindest keine, die als Sprechakte anzusehen wären. Das gilt auch für’retrodict’, einem vermeintlichen Gegenstück zu’predict’ (’vorhersagen’); Searle/Vanderveken und Vanderveken führen es an, obwohl eingestehend, daß es kein Wort des Standard-Englisch ist (s. Searle/Vanderveken 1985, 187; Vanderveken 1990, 173).
Was die erwähnten Analysevorschläge von Searle und Vanderveken anbelangt, so muß darauf hingewiesen werden, daß diese oftmals zu vage, nicht durchgängig zutreffend und nicht immer zufriedenstellend sind. Beispielsweise sind in den von den Autoren angeführten semantischen Tableaus nicht sämtliche der von ihnen analysierten Ausdrücke wiederzufinden. Das gilt beispielsweise für das Verb’deny’ (’bestreiten’). Es ist weder in dem bei Searle/Vanderveken (1985, 219) dargestellten Tableau wiederzufinden noch in dem entsprechenden Tableau bei Vanderveken (1990, 180). Außerdem ignorieren Searle und Vanderveken bei ihren Auflistungen den Umstand, daß bestimmte der von ihnen behandelten Illokutionskräfte an die vorherige Realisierung anderer Illokutionskräfte gebunden sind, weitgehend. Dieser Umstand aber: das Eingebundensein einzelner Sprechakte in Sprechaktsequenzen, muß grundsätzlich beachtet werden.
Ähnlich äußert sich Hornsby (1994, 188), die sagt: “a theory of illocution should have the potential to serve any language. “
Auch zwischen den Mitgliedern dieser Familien bestehen Ähnlichkeiten. Ob es sich dabei jedoch um’Fanulienähnlichkeiten’ im Sinne von Wittgenstein (1971, 57) handelt, wie Hindelang (1994, 45) annimmt, ist fraglich. Wittgensteins Begriff der Familienähnlichkeit bezieht sich nicht auf unterschiedliche, aber bedeutungsverwandte Wörter, er bezieht sich auf polyseme Wörter (vgl. Rolf 1995).
Nach Searle/Vanderveken (1985, 60) wird die assertive Stammkraft im Englischen am ehesten durch solche Verben wie’assert’ und’state’ bezeichnet. Wollte man Analoges für das Deutsche reklamieren — wollte man sagen, daß die assertive Stammkraft im Deutschen am ehesten durch die Verben’behaupten’ und’feststellen’ bezeichnet würde, geriete man in Schwierigkeiten. Man müßte dann beispielsweise die These vertreten, Mitteilungen seien spezielle Behauptungen oder Feststellungen — was sie nicht sind. Mitteilungen hingegen, im Sinne der obigen Bestimmung, als spezielle assertive Sprechakte zu bezeichnen bereitet keine Probleme (s. u.). Zudem besteht im Deutschen bereits zwischen Behauptungen und Feststellungen ein deutlicher Unterschied, so daß es nahezu unmöglich ist, für sie zu beanspruchen, was Searle/Vanderveken (1985, 183) mit Bezug auf die Verben’assert’,’state’,’affirm’ und’claim’ sagen: daß zwischen den von diesen bezeichneten Akten im Rahmen der illokutionären Logik nicht unterschieden werden könne, weil in keiner der Illokutionskraft-typischen Dimensionen ein Unterschied zwischen ihnen auszumachen sei. Die Ausruhrungen, die sich bei Searle/Vanderveken (1985, 183) und Vanderveken (1990, 169f.) hinsichtlich der Verben’assert’,’claim’,’state’ und’affirm’ finden, sind, das muß gesagt werden, wenig aufschlußreich, um nicht zu sagen, irreführend.
Angesichts der Existenz solcher Illokutionskräfte wie Widersprechen, Bestreben, Dementieren, Verneinen und Widerrufen muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß sowohl die für die assertive Stammkraft charakteristische vorbereitende Bedingung als auch die Aufrichtigkeitsbedingung gemäß der jeweils zum Ausdruck gebrachten Proposition variieren kann. Das heißt, wenn ein Sprechakt der oben benannten Art vollzogen wird, dann wird nicht die Proposition P, sondern deren propositionale Negation, nicht-P, ausgedrückt. Infolgedessen müssen sich die Gründe des Sprechers auf nicht-P beziehen, und das gleiche gilt für die die Aufrichtigkeitsbedingung konstituierende Glaubensannahme: auch sie bezieht sich auf nicht-P. Dieser Umstand ist weder bei Searle/Vanderveken (1985) noch bei Vanderveken (1990) hinreichend berücksichtigt worden.
Von einem weiteren Umstand, nach dem die Aufrichtigkeitsbedingung nicht immer durch eine Glaubensannahme, sondern z. B. auch durch solche epistemischen Zustände wie’Wissen’ oder’Für-möglich-Halten’ konstituiert sein kann (vgl. dazu Rolf 1983, 95ff.) wird hier abgesehen.
Das unterscheidet Feststellungen von Behauptungen, die in der Dimension θ des propositionalen Gehalts eine spezielle Ausprägung haben (s. u.).
Darin unterscheiden sich Feststellungen vom Mitteilen bzw. Informieren. Diese Illokutions-kräfte haben eine charakteristische vorbereitende Bedingung, der zufolge dem Adressaten der durch die zum Ausdruck gebrachte Proposition bezeichnete Sachverhalt nicht bekannt ist (s. u.).
Entsprechend kann Grewendorf verstanden werden, der sagt: “Feststellungen (statements) haben m. E. etwas Resümierendes, es wird unterstellt, daß man bereits eine Überprüfung des entsprechenden Sachverhalts vorgenommen hat, daher bereits über gewichtige Gründe und Argumente verfugt, der Wahrheitsanspruch ist bereits relativ fundiert” (Grewendorf 1979b, 214).
Diese Art von Komplexität ist von derjenigen der sogenannten’komplexen’ illokutionären Akte (s. 3.2) zu unterscheiden.
Daß der assertiven Stammkraft damit ein eher metasprachlicher (bzw. künstlicher) Status zugeschrieben wird, stellt kein Problem dar. Letzteres gilt auch zumindest für drei der vier anderen der bei Searle/Vanderveken ins Spiel gebrachten Stammkräfte: auch’direct’,’commit’ und’express’ sind keine Bezeichnungen, die mit solchen Ausdrücken wie’order’,’promise’ und’thank’ auf eine Stufe zu stellen wären.
Wie übrigens auch’mitteilen’ bzw.’informieren’ (’inform’) (vgl. Searle/Vanderveken 1985, 185; s. u.)…
Dieses Merkmal haben Behauptungen mit Feststellungen gemein, mit Bezug auf die Grewendorf (1979b, 205) folgendes sagt: “Wer eine Feststellung trifft, erhebt damit einen Wahr-heitsanspruch, der als im Prinzip problematisierbar angesehen wird, in bezug auf den also die prinzipielle Möglichkeit der Zustimmung und Ablehnung unterstellt wird.” Eine solche Unterstellung ist, nebenbei bemerkt, ein gutes Beispiel für eine vorbereitende Bedingung: eine spezielle Ausprägung in der Dimension Σ.
“Alle logisch wahren Sätze (Tautologien), alle analytisch wahren Sätze (wie’Ein Junggeselle ist ein unverheirateter Mann’), alle innerhalb einer akzeptierten Theorie geltenden Definitionen und überhaupt alle für unbezweifelbar wahr geltenden Sätze, z. B. solche, die Grundüberzeugungen, die in der Sprachgemeinschaft herrschen, ausdrücken, oder in einer Situation auch für den Hörer ganz evidenten Beobachtungsaussagen sind […] keine Behauptungen, wenn sie geäußert werden.” (Bartsch 1979, 225) Die’auch für den Hörer ganz evidenten Beobachtungsaussagen’ allerdings sind, darauf sei an dieser Stelle aufmerksam gemacht, Feststellungen.
Searle/Vanderveken (1985, 188) kennzeichnen das Äußern einer Vermutung als ein unbegründetes Stochern im Dunkeln, für das Aufstellen von Hypothesen sei demgegenüber das Vorhandensein einer bestimmten Art von Gründen erforderlich. Vanderveken (1990, 172) schreibt dem Äußern einer Vermutung die vorbereitende Bedingung zu, daß der Sprecher die Wahrscheinlichkeit der Vermutung präsupponiere.
“An explanatory situation […] will include a questioner (or explainee), and [an] answer-giver (or explainer)” (Tuomela 1984, 312).
“Speaking in general terms, what is central to […] explanations is that they convey understanding concerning why (or how, when, etc.) something is (or was) the case. Indeed, it is a conceptual truth that acts of explaining are attempts to produce such relevant understanding.” (Tuomela 1984, 313)
Falls diese Rolle nicht dem Bestreiten zugeschrieben wird, wie bei Rolf (1983, 188), Searle/Vanderveken (1985, 183) und Vanderveken (1990, 170). Nach Searle und Vanderveken bezeichnet’deny’ die Behauptung der propositionalen Negation von P.
Vanderveken stellt die Sache so dar als seien der jetzige und der vorherige Sprecher uneinig bezüglich einer von der jetzt vorgebrachten implizierten Proposition. In Wirklichkeit ist es so, daß durch die jetzt vorgebrachte Proposition die Negation der vorherigen impliziert wird.
Da H (als der jetzige Sprecher) zum Ausdruck bringt, daß er für die von ihm ins Spiel gebrachte Proposition Q Evidenzen hat (vorbereitende Bedingung) und auch glaubt, daß Q (Aufrichtigkeitsbedingung), liegt in Gestalt von Einwenden wiederum eine Version der assertiven Stammkraft ⊢ vor (also nicht von ⊢*).
Frilling/König (1991) bezeichnen Gegenbehauptungen wie auch Gegenvorwürfe, Gegenvorschläge, Gegenfragen und den Gegengruß als’Echosprechakte’. Echo-Sprechakte setzen ebensowenig wie Echo-Fragen voraus, daß genau dasselbe noch einmal gesagt wird.
Naess (1975, 30) zufolge ist ein Satz “eine Spezifizierung eines anderen, wenn er das aussagt, was der andere auch aussagt plus etwas mehr über genau denselben Gegenstand. “Naess gibt das folgende “Beispiel für eine Spezifizierung:’Die Jungfrau ist 59 Meter höher als der Mönch’ (U) ist eine Spezifizierung von’Die Jungfrau ist höher als der Mönch’ (T). Der gemeinsame Gegenstand ist hier die relative Höhe. Durch die letzte Formulierung, T, wird, wenn man sie angemessen interpretiert, behauptet, daß die Jungfrau 59 Meter oder mehr oder weniger als 59 Meter höher ist. Die erste Formulierung, U, behauptet etwas mehr. Sie ersetzt die Oder-Behauptung durch eines ihrer Glieder, nämlich durch das Glied, welches spezifiziert, daß es 59 Meter sind, um die es sich dreht.” (Ebd.)
Eine Antwort auf eine Frage nach einem Beispiel kann mithin ein Fall von Konkretisieren sein, sie braucht nicht ein Fall von Exemplifizieren zu sein; vgl.: S:’Karin ist ständig verliebt.’H:’In wen denn zum Beispiel?’ S:’Zum Beispiel in dich.’
Der Versuch, eine These bzw. eine Behauptung zu widerlegen, hat ähnliche Voraussetzungen wie der Versuch, ein Argument zu entkräften. Ein Versuch der ersteren Art jedoch ist komplex — in dem Sinne, daß er mehrere Äußerungen umfaßt. Wegen ihrer Komplexität werden entsprechende Aktivitäten hier nur am Rande erwähnt, wie es z. B. auch für das Berichten, Beschreiben oder Beweisen gilt, die ebenfalls komplexer Natur sind.
Nach Franke (1983, 59) müssen für das Insistieren die folgenden Bedingungen erfüllt sein:
“(a) In einer gegebenen Kommunikationssituation mit mindestens zwei Sprechern werden wenigstens drei Handlungen nacheinander ausgeführt, wobei zwischen dem ersten und dem zweiten sowie dem zweiten und dem dritten Zug ein Sprecherwechsel stattfindet.
(b) Die Sprechhandlungen von Sprecher (x) und Hörer (y) sind aufeinander bezogen, und zwar in der Weise, daß y mit seiner Äußerung im zweiten Zug der Sequenz auf den initialen Sprechakt von x reagiert und x wiederum mit seiner Äußerung im dritten Zug auf die Replik von y Bezug nimmt.”
Auf den Umstand, daß Searle/Vanderveken (1985, 190ff.) und Vanderveken (1990, 178ff.) hinsichtlich solcher Ausdrücke wie kritisieren (’criticize’), loben (’praise’), sich rühmen (’boast’) und lamentieren (’lament’) die These vertreten, sie hätten sowohl einen assertiven als auch einen expressiven Gebrauch, sei an dieser Stelle lediglich hingewiesen.
Gegenüber Graffe (1990, 210ff.) muß darauf hingewiesen werden, daß das Beeiden (s. dazu 5.1), d. h. das Erbringen von “Eidesleistungen vor Gericht” (Graffe 1990, 210), etwas anderes ist als das Ablegen eines Eids (eines Fahneneids, eines Diensteids); es darf mit dem letzteren nicht zusammengeworfen werden.
Gemeint sind Kirchen, Glaubensgemeinschaften, Sekten, Verbände, studentische Verbindungen etc., “d. h. alle Arten freiwilliger Gemeinschaftsbildungen mit’eigenen’ Regeln und Vorschriften.” (Graffe 1990, 216)
Letzteres gilt natürlich erst recht für die versprochene Handlung. Von Wright (1962, 282) zufolge muß das Versprochene im Interesse des Hörers liegen, es muß für diesen eine Art Dienstleistung sein, etwas, was er haben möchte oder dessen Zustandekommen er begrüßt. Bei der Analyse des Versprechens ist “ein hörer-subjektiver Faktor zu berücksichtigen (’Sp2-erwünscht’);’jemandem etwas versprechen’,’jemandem ein Versprechen geben’ impliziert, daß es sich um einen persönlichen Wunsch von Sp2 handelt und daß Sp1, mit der Abgabe des Versprechens die Absicht verbindet, Sp2’eine Freude zu machen’,’einen Gefallen zu tun’,’einen Wunsch zu erfüllen’” (Hundsnurscher 1976, 438).
Im zweiten Zug einer durch eine nicht-bindende Aufforderung (eine Bitte z. B.) initiierten Sprechaktsequenz kommen, Graffe (1990, 252) zufolge, neben “VERSPRECHEN und ERLAUBEN nur die […]’obligationsfreien’ ZUSAGEN in Frage, die in symmetrischen Beziehungsverhältnissen realisiert werden können”.
Einer Zusicherung, der ein Angebot vorausgegangen ist, fehlt, sofern das Angebot initiativ und nicht reaktiv gemacht worden ist, die vorbereitende Bedingung Σ1 der zufolge in der Sprechaktsequenz eine seitens des Adressaten vollzogene Aufforderung vorangegangen ist (vgl. Graffe 1990, 253).
Graffe (1990, 281) zufolge gilt das Garantieren “als (i) Versuch, zu erkennen zu geben, daß man glaubt, daß p der Fall sein wird[,] und (ii) [als] Übernahme der Verpflichtung, [die Handlung] H zu tun, wenn p nicht der Fall ist innerhalb eines festgelegten zeitlichen Rahmens.”
Als Alternative zu dieser Formbestimmung ließe sich eine Form angeben, in der das Assertionssymbol ⊢ weggelassen wäre. Dann würde das Garantieren nicht als ein Aktkomplex, sondern als eine einfache kommissive Kraft aufgefaßt, die ihre vorbereitende Bedingung und ihren Durchsetzungsmodus dem assertiven Versichern entliehe.
“’Permit’ (’erlauben’) hat ebenfalls die Syntax der Direktive” (Searle 1975a/1982, 42).
Zur Kritik an dieser Position s. Tsohatzidis (1987).
Das ist z. B. auch bei Rolf (1993, 265) noch nicht gesehen worden.
Dieser Durchsetzungsmodus gilt auch für die folgenden 20 Illokutionskräfte.
Bei Vanderveken (1990, 194) wird das Sich-Berufen auf eine Macht- bzw. Autoritätsposition als spezieller Durchsetzungsmodus des Befehlens bzw. Kommandierens bezeichnet. Die entscheidende Frage beim Befehlen und Kommandieren aber ist, ob der Sprecher in einer Macht- bzw. Autoritätsposition ist. Daß er es ist, ist in der Regel unverkennbar. Dieser Umstand aber gehört zu den vorbereitenden Bedingungen und sollte entsprechend kategorisiert werden.
Hindelang spricht nicht vom Kommando-Geben, sondern — “in Ermangelung eines besseren umgangssprachlichen Ausdrucks” (Hindelang 1978, 130) — vom Kommandieren “(im Sinne von’jemanden herumkommandieren’)” (ebd). Hindelang (1978, 365) zufolge “gehört es zur alltäglichen Erfahrung von Sp2, daß er von Sp1’herumkommandiert’ wird.” Hindelang rechnet das — so verstandene, alltägliche — (Herum-)Kommandieren zu den illegal bindenden Aufforderungen (vgl. ebd., 130 und 367). Kein Wunder, daß er den — grundsätzlich als militärisch aufgefaßten (vgl. ebd., 260) — Befehl und das — grundsätzlich im Alltagsleben angesiedelte — Kommandieren im genau umgekehrten Verhältnis stehen sieht wie Searle und Vanderveken. Einigkeit aber besteht hinsichtlich der Ähnlichkeit des Befehlens und des Kommandierens bzw. Kommando-Gebens sowie hinsichtlich der Annahme, daß im einen Fall ein (rechtlich abgesichertes) Autoritätsverhältnis zwischen Sprecher und Hörer gegeben sein muß, während im anderen Fall ein (rechtlich nicht abgesichertes) Macht- oder Gewaltverhältnis gegeben sein kann.
Hindelang (1978, 240) behandelt diese beiden Fälle unter der Rubrik’Auftrag’.
Vgl. auch Vanderveken (1990, 210), der einen Sprechakt dieses Typs allerdings zur Klasse der Deklarativa rechnet.
Das gesteht Hindelang (1978, 380) indirekt zu.
Vgl. zu diesem Terminus Austin (1952–53/1970, 141; dtsch. 1986, 185).
Hier Mut anzuführen, wie es Vanderveken (1990, 191) tut, ist eher ein Beispiel für die gelegentlich allzu tautologische Art der von ihm angebotenen Erklärungen. Eher tautologisch ist es z. B. auch, wenn’urge’ durch “a matter of some’urgency’” (ebd., 190) erklärt wird.
In einer gewissen Weise kann man sagen, daß es diese Bedingung ist, gegen die ein dank (Meringer und) Freud (1941, 67) berühmt gewordener Präsident des österreichischen Abgeordnetenhauses verstoßen hat, der eine Sitzung mit den Worten’eröffnete’: “’Hohes Haus! Ich konstatiere die Anwesenheit von soundsoviel Herren und erkläre somit die Sitzung für geschlossen !” Im Hinblick auf diesen, aufgrund der Selektion eines zu’eröffnen’ antonymen Prädikats zustandegekommenen Versprecher zieht Flader (1995, 68) zudem die Möglichkeit in Erwägung, daß hier ein Verstoß gegen “Searles Regel des propositionalen Gehalts” vorliegt. “Die Proposition dieser Äußerung enthält ja die falsche Prädikation’geschlossen’.” (Ebd.)
Kündigungen beziehen sich natürlich nicht nur auf Arbeits- oder Mietverträge, sie können sich z. B. auf Verträge beziehen, die zwischen Wirtschaftsunternehmen oder Staaten geschlossen worden sind. In all diesen Fällen werden die mit der jeweiligen Vertragsschließung eingegangenen wechselseitigen Verpflichtungen wieder aufgehoben.
Bestätigt werden können nicht nur Entscheidungen von Untergebenen, sondern z. B. auch: zu zahlende Geldbeträge, die mit einer Kreditkarte bezahlt werden, oder Schecks, die bei einem Kreditinstitut vorgelegt werden. Dies geschieht durch eine (weitere) Unterschrift, jenes durch das Drücken einer Bestätigungstaste an einem bestimmten Gerät (vgl. Searle/Vanderveken 1985, 208).
Prüfer und Prüfungsvorsitzender sind in der Regel nicht personenidentisch. Es kann aber vorkommen, daß ein Prüfer gleichzeitig als Vorsitzender der Prüfung fungiert, d. h. mit entsprechenden Machtbefugnissen ausgestattet ist.
Es ist deswegen auch nicht als’repräsentational’ (bzw. assertiv) einzuschätzen, wie Flowerdew (1991) voraussetzt.
Bei Vanderveken (1990, 200ff.) sind unter der Rubrik der Deklarativa noch ein paar weitere Verben aufgeführt, die Illokutionskräfte bezeichnen, welche jedoch nicht als deklarativ einzuschätzen sind. Das gilt z. B. für solche Verben wie’abjure’ (abschwören),’licence’ (eine Genehmigung erteilen),’enact’ (ein Gesetz erlassen) und’promulgate’ (einen Gesetzeserlaß öffentlich bekanntmachen). Die von den ersten beiden Verben bezeichneten Illokutionskräfte sind als kommissiv, die von dem dritten Verb bezeichnete Illokutionskraft ist als direktiv einzuschätzen (vgl. dazu auch Rolf 1993, 239ff.), die von dem letzteren Verb bezeichnete Illokutionskraft ist assertiver Art.
Vanderveken (1990, 213) geht deshalb sogar davon aus, daß die expressive illckutionäre Stammkraft lediglich eine theoretische Entität, ein Grenzfall von Illokutionskraft sei.
Die Auffassung, daß auch Handlungen Ereignisse sind, vertritt z. B. Davidson. Davidson (1985, 74) geht von der Annahme aus, “daß es eine recht deutlich bestimmbare Untermenge von Ereignissen gibt, die Handlungen sind. “
Man muß hier hinzufügen: Falls mit dem Sprechakt überhaupt eine Proposition zum Ausdruck gebracht wird. Wie beim Grüßen ist letzteres beispielsweise auch bei einer Entschuldigung nicht der Fall: Wenn ich jemandem auf den Zeh getreten habe, kann einfach sagen’Entschuldigung!’. Die Anpassungsrichtungslosigkeit der Äußerung zeigt sich darin, daß es weder mein Ziel ist, “zu behaupten, daß ich auf deinen Zeh getreten habe, noch, daß darauf getreten wird.” (Searle 1982, 34)
Ob diese Bedingung im Einzelfall erfüllt ist — ob der Sprecher sich wirklich freut bzw. wirklich bedauert, wozu er Stellung nimmt -, ist eine andere Frage.
In ähnlicher Weise postuliert Scheele (1990, 37) so etwas wie “’selbstbezogene Bewertung’” als Kern emotionalen Erlebens. Scheele (1990, 15) vertritt die These, “daß die (bewertende) Reflexivität des menschlichen Subjekts die für die (qualitative) Art und Differenziertheit des Emotionserlebens entscheidende Instanz darstellt.” “Das Emotive entsteht unter Bezug auf bedürfnisrelevante Weltmaßstäbe des Selbstkonzepts.” (Ebd., 37)
Nach Searle (1982, 35) wird im propositionalen Gehalt eines expressiven Sprechakts “entweder S oder H eine Eigenschaft (nicht unbedingt eine Handlung) zugeschrieben. Ich kann dich ja nicht bloß zu einem Rennsieg beglückwünschen, sondern auch zu deinem guten Aussehen. Die im propositionalen Gehalt eines Expressivs aufgeführte Eigenschaft muß allerdings mit S oder H etwas zu tun haben. Zu Newtons erstem Gesetz der Bewegung kann ich dich höchstens unter sehr besonderen Voraussetzungen beglückwünschen.” Man könnte hinzufügen: wenn überhaupt.
“In der Regel ist der Ausdruck von Gefühlen auf der Seite des Sprechers und das Auslösen oder die Veränderung von Gefühlen auf der Seite des Hörers direkt mit BEWERTUNGEN […] verbunden.” (Zillig 1982, 108)
“Nach unserer Charakterisierung ist allen Gefühlen eine Bewertung eigen, so daß vorauszusetzen ist, daß auch alle expressiven Sprechakte eine Bewertung beinhalten.” (Marten-Cleef 1991, 89)
Der illokutionäre Zweck besteht in dem Versuch, eine auf Seiten des Hörers anzunehmende Beunruhigung (wieder) aufzuheben (vgl. Rolf 1986, 479f.).
Dies belegen Äußerungen wie’Du hast völlig recht; das war nicht richtig von mir’ oder’Ja, ich geb’s ja zu; tut mir leid’, die als (wenn auch, etwa im Vergleich mit’Entschuldigung!’, komplexe) Beispiele für Entschuldigungen angesehen werden können (vgl. Fritz/Hundsnurscher 1975, 92).
Scott/Lyman ([1968]/l976, 76) unterscheiden vier Grundformen, “in denen Entschuldigungen typischerweise formuliert werden: Berufung auf Unfälle, Berufung auf Annullierbarkeit, Berufung auf biologische Triebe und Sündenbockstrategie.” Zur der zweiten Grundform stellen sie fest: “Berufungen auf Annullierbarkeit sind als eine Form der Entschuldigung verfügbar, weil weithin Übereinstimmung darüber besteht, daß alle Handlungen irgendein’geistiges Element’ enthalten. Dessen Komponenten sind das’Wissen’ und der’Wille’. Einer Beschuldigung läßt sich entgegenhalten, daß man nicht vollständig informiert oder daß der’Wille’ nicht gänzlich frei gewesen sei. Ein Individuum kann sich so von der Verantwortlichkeit freisprechen, indem es für sich beansprucht, daß bestimmte Informationen ihm nicht zugänglich waren, die, falls es im Besitz dieser Information gewesen wäre, sein Verhalten geändert hätten. Weiterhin kann ein Individuum sich darauf berufen, aufgrund von Fehlinformationen gehandelt zu haben, die sich aus beabsichtigter oder unwissentlicher Fehldarstellung der Fakten durch andere ergab.” (Ebd., 77)
Scott/Lyman ([1968]/1976, 75) unterscheiden, ähnlich wie Austin, zwei “Typen praktischer Erklärungen: Entschuldigungen und Rechtfertigungen. […] Rechtfertigungen sind praktische Erklärungen, in denen man die Verantwortung für die fragliche Handlung übernimmt, die dieser Handlung zugeschriebene negative Eigenschaft jedoch bestreitet. […] Entschuldigungen sind praktische Erklärungen, in denen man eingesteht, daß die fragliche Handlung schlecht, falsch oder unangemessen ist, die volle Verantwortung jedoch bestreitet.”
Die Anlässe zum Danken sind sehr unterschiedlich. “Z. B. wird DANKEN vollzogen, wenn eine Kassiererin im Supermarkt das Wechselgeld herausgibt, ein Kellner das bestellte Essen bringt oder ein Passant einem anderen die Tür offenhält, aber auch, wenn ein Freund dem anderen dessen Examensarbeit tippt oder nachdem ein Arzt durch eine Operation das Leben eines Patienten gerettet hat. Die Beispiele weisen darauf hin, daß DANKEN sowohl bei selbstverständlichen bzw. geringfügigen Handlungen der täglichen Routine vollzogen wird als auch anläßlich von Handlungen, die von großer oder existentieller Bedeutung für den Sprecher sind.” (Marten-Cleef 1991, 204)
Der Sprecher (Sp1) kann sogar verpflichtet sein, sich beim Hörer (Sp2) zu bedanken. “Im allgemeinen ist ein Sprecher zum DANKEN verpflichtet, wenn i) die benefíkative Handlung des Sp2 nicht zu erwarten gewesen ist, ii) Sp2 die Handlung freiwillig aufgeführt hat, iii) die Handlung mit ihren Folgen von Spl hoch bewertet wird und iv) Spl von der Handlung in besonderer Weise persönlich betroffen ist.” (Marten-Cleef 1991, 206)
Insofern setzt die Feststellung Vandervekens (1990, 215), Komplimente bezögen sich’nicht notwendig’ auf etwas, was der Adressat getan hat, den falschen Akzent.
“Während ein KOMPLIMENT i[m] allgemeinen] im Hinblick auf persönliche Eigenschaften oder Besitztümer des Adressaten vollzogen wird, bezieht sich GRATULIEREN meist auf Leistungen oder das Glück und Wohlergehen des Kommunikationspartners. Beiden Handlungsmustern liegt ein vergangener oder gegenwärtiger Sachverhalt zugrunde, von dem der Adressat betroffen ist. Dieses vom Sprecher Sp1 wahrgenommene positive Ergehen des Adressaten Sp2 wird vom Sprecher positiv bewertet. Dies unterscheidet das KOMPLIMENT z. B. vom Sprechhand-lungsmuster SCHMEICHELN, bei dem der Sprecher zur Erlangung persönlicher Vorteile einen nicht vorhandenen Sachverhalt (eine Leistung oder eine Eigenschaft des Adressaten) in unangemessener Weise positiv hervorhebt. Abzugrenzen ist das KOMPLIMENT auch vom Handlungsmuster LOBEN.” (Marten-Cleef 1991, 127)
Ob die Aufrichtigkeitsbedingung erfüllt (ob die Wertschätzung wirklich vorhanden) ist, ist (wie immer, also) auch beim Komplimente-Machen eine andere Frage.
Sind zudem “dritte Personen betroffen, dann kann die Freude des Sprechers mit Schadenfreude oder Häme gepaart sein” (Marten-Cleef 1991, 249).
Das Verhöhnen ist mit dem Verspotten verwandt, es stellt aber eine indirekte — und infolgedessen hier nicht weiter zu berücksichtigende — Art des Kommunizierens dar. Beim Verhöhnen wird H zum Adressaten einer Aufforderung gemacht, von der man weiß, daß er ihr nicht nachkommen kann (vgl. Zillig 1982, 191). Beispiel: H, von dem bekannt ist, daß er’r’ und’l’ verwechselt, wird aufgefordert,’Rhabarber’ zu sagen (vgl. ebd., 189). Die Indirektheit eines solchen Kommunizierens zeigt sich unter anderem auch darin, daß das Verhalten von S gedeutet werden kann als ein Verstoß gegen die zweite Maxime der Qualität für direktive Sprechakte (’Sage nicht, daß H a tun soll, wenn du annimmst, daß H a nicht tun kann’) (s. Rolf 1994, 233).
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Rolf, E. (1997). Illokutionskraftfamilien. In: Illokutionäre Kräfte. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90242-9_6
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