Zusammenfassung
Für die These, daß die römischen Klassiker nicht die Kategorie des Gewohnheitsrechts für ihr Recht anerkannt haben, ist, wie Mayer-Maly33 mit Recht angenommen hat, die wichtigste Frage die nach dem Grunde für die Nichtanerkennung. Das ius, soweit es nicht positiviert ist, sondern wie es in der Pomponius-Stelle richtig heißt, in sola prudentium interpretatione consistit, ist in seiner Existenz für die römischen Juristen selbstverständlich. Die Meinungen der Juristen bedürfen keiner weiteren Approbation, insbesondere bedürfen sie als ius nach ihrer Ansicht nicht der Legitimation durch die consuetudo. Die Selbstverständlichkeit, mit welcher die Existenz des nicht positivierten und nur in den Meinungen der Juristen in Erscheinung tretenden ius von den Juristen hingenommen wird, findet besonders seinen Ausdruck in den Sentenzen des „hoc iure utimur“ 34 oder des „alio iure utimur“ 35, mit welchen in zahlreichen Stellen von den Juristen das geübte Recht im Gegensatz zu anderen Rechtsmeinungen oder früheren Rechtszuständen festgestellt wird. Zum ius gehören die Meinungen und Entscheidungen der Juristen, gleich, ob es sich um herrschende Meinungen oder Sondermeinungen oder einen Widerstreit von Meinungen handelt, der selbst über lange Zeit unausgeglichen bleibt. Die Aussagen der Juristen der klassischen Zeit über das nicht positivierte Recht sind auch selbst nicht positiviert. Gerade wenn man sieht, welche Schwierigkeiten es uns zum geltenden Recht macht, die in Wissenschaft und Rechtsprechung vertretenen Meinungen, das „hoc iure utimur“, in Fragen, die vom Gesetz nicht geregelt sind, in die Rechtsquellenlehre einzuordnen, und wie man, um einen positiven Anhalt für die rechtliche Entscheidung zu haben, bis in die neueste Zeit immer wieder seine Zuflucht zum „Gewohnheitsrecht“ nimmt, ist es faszinierend, daß für die römischen Juristen nach ihrem Verständnis vom Recht und ihrer Berufung als dessen Interpreten ein Bedürfnis nach einer Rechtsquellen-Legitimation für das Juristenrecht gar nicht besteht.
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Flume, W. (1975). Die Nichtanerkennung der Kategorie des Gewohnheitsrechts als Wesensmerkmal der Jurisprudenz der römischen Klassiker. In: Gewohnheitsrecht und römisches Recht. Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, vol 201. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90070-8_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-90070-8_3
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-07201-2
Online ISBN: 978-3-322-90070-8
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