Zusammenfassung
In diesem Kapitel behandle ich nicht verschiedene Versionen des Grammatikbegriffs, sondern eine ganz spezielle — und für die Linguistikgeschichte der 6oer Jahre folgenreiche — Version, die Chomsky 1957 in seinem Buch Syntactic Structures entwickelt hat.
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Literatur
N. Chomsky, Syntactic Structures, The Hague 1957, 13.
Es ist möglich, daß eine Konstruktionsgrammatik zugleich auch als Analysegrammatik verwendbar ist; jedoch ist dies nicht generell der Fall.
In späteren Veröffentlichungen verwendet Chomsky den Ausdruck <tacitknowledge>, d. h. er betont den impliziten Charakter dieses Wissens. Außerdem ist <knowledge> evtl. zweideutig, nämlich im Sinne von Wissen (Kennen) oder von Können zu verstehen. Als Problem ergibt sich, inwieweit Wissen eine Kategorie ist, die empirischen Untersuchungen (Experimenten, Tests usw.) zugänglich ist; jedenfalls ist ein Wissen nicht zu beobachten. Evtl. lassen sich Experimente der kognitiven Psychologie heranziehen (z. B. des Strukturerkennens und Struktur-vergleichens). Dementsprechend ordnet Chomsky die Linguistik als Zweig der kognitiven Psychologie ein. Wollte man diese Auffassung übernehmen, wären möglicherweise alle Untersuchungen, in denen ein Wissen expliziert und rekonstruiert wird (z. B. in Logik und Wissenschaftstheorie), der kognitiven Psychologie zuzurechnen. Diese Einordnung (die ja nur aufgrund bestimmter experimenteller Bedingungen zustande kommt) ist sicher wenig nützlich.
Chomsky 1957, 15.
In diesem Sinne ist vielleicht der später verwendete Terminus <sprachliche Kompetenz> zu verstehen. Hier würde sich am ehesten anbieten, die sprachliche Kompetenz von Sprechern als Dispositionen eines sprachlichen Verhaltens zu beschreiben.
Ganz offensichtlich rekurriert Chomsky hier nicht auf Experimente darüber, was Sprecher wissen — außer vielleicht im letzten Punkt -, sondern auf Experimente über das Verhalten von Sprechern in geeignet innovierten Situationen.
Vgl. Kap. 4.3.
Chomsky bemerkt zu der Frage: «How can you construct a grammar with no appeal to meaning?», daß man mit dem gleichen Recht auch fragen könnte: «How can you construct a grammar with no knowledge of the hair color of speakers?» (Chomsky 1957, 93). Diese polemische Stellungnahme mag überspitzt sein, doch sie kennzeichnet den Standpunkt Chomskys, daß die Syntax nicht bloß die Basis für eine Semantik schafft, sondern auch ganz unabhängig von ihr zu entwickeln ist.
Aufgrund der durch die Konstruktion erlaubten Analogie kann man nun auch Sätze wie <Die Bendaten kamulierten elatisch> als grammatisch im Deutschen verstehen. Wenn wir wissen, was die Wörter <Bendat>, <kamulieren> und <elatisch> bedeuten, wissen wir auch, was der Satz bedeutet.
Vgl. auch Kap. 3.5.
Ich gebe hier nur die Struktur der Argumente wieder. Näheres zur Form der genannten Grammatiken kann man in Chomsky 1957 nachlesen.
Der Begriff der Transformation ist den Arbeiten von Harris entnommen, er wird dort aber in einer konkreteren Weise verwendet. In seinen späteren Veröffentlichungen modifiziert Chomsky den Transformationsbegriff. Vgl. Kap. 10.9.
Chomsky 1957, 42 ff. Chomsky orientiert sich hier insofern an traditionell grammatischen Vorstellungen, als er eine einheitliche Beziehung zwischen Aktivsätzen und Passivsätzen zu formulieren sucht (als Passiv-Transformation). Eine genauere Analyse aller möglichen Aktiv- und Passivsätze des Englischen (oder einer verwandten Sprache, wie des Deutschen) wird erweisen, daß es sich hier mindestens um zwei verschiedene Beziehungen handelt: einmal zwischen Sätzen, in denen das grammatische Subjekt an erster Stelle oder an einer späteren Stelle steht, zum andern zwischen Sätzen, in denen das grammatische Objekt an einer späteren Stelle oder an der ersten Stelle steht. Entsprechend solchen Überlegungen läßt sich die Passiv-Transformation in zwei Teiltransformationen aufspalten, die jede auch eine von den Aktiv-Passiv-Beziehungen ganz unabhängige Begründung erhalten können. Ich verweise auf die detaillierte Diskussion in W. Huber/W. Kummer, Transformationelle Syntax des Deutschen. Syntaktische Transformationen I, München 1973, Kap. 10 «Passiv», die einem späteren Vorschlag von Chomsky folgen. Die beiden Teiltransformationen erhalten dort die Namen <Agent Postponing> und <Accusative Shift> und stehen in engem Zusammenhang mit noch weiteren Transformationen.
<NP> steht für Nominalphrase, <V> für Verb, <Aux> für den Hilfsverbkomplex, die Morpheme <be> und <en> werden in zugeordneten phonologischen Regeln geeignet verarbeitet. Die verschiedenen Verkettungszeichen <-> bzw. < + > erklären sich aus der Arbeitsweise dieser Regeln. Für die Details verweise ich auf Chomsky 1957.
N. Chomsky, Aspects of the Theory of Syntax, Cambridge (Mass.) 1965, Kap. 2, § 2.3.
Chomsky 1957, 90 f.
Vgl. Kap. 3.5 und 3.9.
Fälschlicherweise identifiziert Chomsky diese Version oft mit der Auffassung der amerikanischen Strukturalisten. Bei ihnen bestand aber im allgemeinen das Problem darin, praktisch und mechanisch anwendbare Verfahren zu legitimieren, d. h. ihnen Geltung zu verschaffen. Chomsky setzt die Legitimation als gegeben voraus.
Chomsky 1957, 51 (Hervorhebungen vom Verf.).
Chomsky 1957, 51.
Vgl. hierzu die Diskussion in Kap. 3.9, besonders auch die in Fußnote 31 auf S. 104 f. erwähnte Arbeit von S. Peters. Nach dieser Auffassung ist die Grammatiktheorie also keineswegs eine Theorie der Sprachbeschreibung, als welche sie Lieb charakterisiert (vgl. Kap. 1.7).
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Wunderlich, D. (1981). Zur Explikation des Begriffs <Grammatisch in der Sprache L>. In: Grundlagen der Linguistik. WV studium, vol 17. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90063-0_8
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