Zusammenfassung
Damit ist aber auch die Sache mit „der Religion“ anders, und jedenfalls ist Gontscharov alles Andere als „ein entdämonisierter, ein entteufelter, ein bürgerlich gewordener Gogol“, wobei denn „freilich die Dimension des Religiösen, wenn auch nicht verloren, so doch in den Hintergrund gedrängt“ sei.303 Für die Prüfung dieser Frage wird allerdings der Hinweis nicht genügen, daß Gontscharov selbst „ein warmes religiöses Gefühl sein Leben lang bewahrt“ hat, daß er nicht nur regelmäßig zur Kirche, sondern auch zum Abendmahl und zur Beichte ging, jedesmal, wenn er an einer Kirche vorbeikam, den Hut abnahm und sich bekreuzigte, und daß er sich erboste, wenn jemand in seiner Gegenwart die „Existenz des allmächtigen Gottes“ leugnete, worauf Ljackij zuletzt (1920) hingewiesen hat. Aufschlußreicher ist schon die Mitteilung des atheistischen Neffen: Einmal habe er dem Onkel beweisen wollen, daß die Entstehung der Lebewesen gut ohne die Einwirkung des allmächtigen Schöpfers aus der Naturwissenschaft erklärt werden könne, und da habe Gontscharov „böse gekichert ‹...› und erklärt, das hat der Richter in Gogols Revisor schon längst gesagt.“304 Zeigt die Anekdote doch, daß Gontscharov auf Modeweisheiten dieser Art als Schriftsteller richtig herausgeben konnte. Aber halten wir uns an den Roman; aus den Nebenschriften ist hier kein oder fast gar kein Aufschluß zu erhalten.
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Literatur
Vgl. F. P. Filin (Hrg.), Slovars russkich narodnych govorov, vyp. II, M.L. 1960, S. 217.
Nicht auszuschließen ist indessen auch der Gedanke an die dritte Frau von Ivan IV., die mit Vatersnamen genauso hieß wie Marfenka: Marfa Vasiljevna, und die nach kurzer Ehe starb, „ohne die Jungfräulichkeit verloren zu haben“. Es ist zu bedenken, daß Gonarov in den 1860er Jahren eng mit A. K. Tolstoj befreundet war, vgl. z.B. an Turgenev am 10./22.11. 1868, VIII 371, dessen GroznyjRoman Knjazb serehrjanyj (1863) er hoch schätzte, vgl. an derselben Stelle.
Vgl. Lyngstad, S. 128, mit falscher Interpretation. Es ist auch daran ztf erinnern, daß die Heldin in Turgenevs Novelle Faust (1856) und in ernyIevskijs Roman Was tun? (1862) Vera heißen.
An E. A. und S. A. Nikitenko am 16./28. VIII. 1860, VIII 354. - Staroselskaja nennt S. 197 eine ähnliche Stelle, aber nicht den Bezug.
Lastol’ka,1792/94, Sod. I S.-Pbg. 1864 S. 570–573, Anmerkungen S. 574–590. Vgl. Pulkin, Evg.On. V 21,12.
Lohff S. 220 Anm. 1, freilich etwas apodiktisch. - Ethelbert Barksdale, Gonl`arov and the Pastoral Novel in 19-th century Russian Literature,Pd.D.-Diss., Ann Arbor 1971, S. 131–151, kennt die Fragestellung nicht.
Petriconi S. 42f. Dort das französische Zitat aus Ernest Seilliére, Jean Jaques Rousseau,Paris 21921, S. I.
II 15, Bd. V 285. - Das gehört zu den Partien, die schon 1860/66 geschrieben wurden. Den Ausdruck „Legion“ hat Gon6arov in diesem Zusammenhang noch zweimal gebraucht. Im April 1869 an E. P. Majkova, VIII 401, aber ohne den Bezug aufs Evangelium: „Eti krajnosti (…) projavljalisb ne v dvuch-trech nigilistach, kak vy govorite, a v celom legione, kotoryj vdrug javilsja (…) v 1682 godu”. An den anderen, fast gleichlautenden Stellen, wo Gonêarov von dieser Erfahrung des
Auffällig ist eine Koinzidenz. In seinem Vorwort (1869/70) nannte GonZarov Autoren, die in seinem Rajskij personifiziert sind: Tschaadajev, Nadeldin, Stankevitsch, Belinskij, Granovskij, VIII 149. Am 25. III./6. IV. 1870 schrieb Dostojevskij an A. N. Majkov über seinen neuen Plan für die Dämonen und nannte z. T. dieselben Namen: Tschaadajev, Belinskij, Granovskij, Bd. XXIX 1, L. 1986, S. 118. - Verweise auf Dostojevskij bei Staroseiskaja S. 174–191.
Vgl. an E. P. Majkova im April 1869, VIII 398. Vgl. Anm. 125.
An S. A. Nikitenko am 21. VIII./2. IX. 1866, VIII 364.
Vgl. auch zu Anm. 202. Zum Doppelcharakter der E. P. Majkova als Vorbild für Vera Gemena 1958, S. 188 f.
Einen überraschend ähnlichen Vergleich mit genau dem gleichen Grundgedanken hatte fast zur selben Zeit Dostojevskij. In den Zapiski iz mertvogo doma (Aufzeichnungen aus einem toten Hause) heißt es (Teil II, Kapitel 7): „(…) alle Gefangenen lebten hier wie nicht bei sich zu Hause, sondern wie in einem Gasthaus, unterwegs (na pochode), in einer Etappe des Weges“, (PSS v 30 tt. Bd. IV, L. 1972, S. 195.46–196.1). In den Aufzeichnungen bildet der Gedanke ein Motiv, das mehrfach vorkommt, vgl. noch I 7, S. 79.19f. und II 7, S. 198. Der Text war 1862 erschienen. Gontscharov hat den Vergleich schon 1855 in Fregat Pallada Bd. II 40f. Gewiß von ihm hat ihn dann Tschechov in seiner Skueitaja istorija (Eine langweilige Geschichte, 1889), PSSiP v 30 tt., SOS. Bd. VII 1977, S. 273 f. Dazu Vf., Anton Tschechov oder die Entartung der Kunst (Rhein.-Westf. Akad. d. Wiss. Vorträge G 306 ), Opladen (Westdeutscher Verlag) 1990, S. 26.
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Rothe, H. (1991). Religion und Bibel. In: Die Schlucht. Abhandlungen der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, vol 86. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90059-3_6
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