Zusammenfassung
Das im ersten Teil dieser Untersuchung erarbeitete Konzept der Neuen Sozialen Bewegungen wurde vor allem im deutschen Sprachraum und mit Blick auf die deutschen Bewegungen konzipiert.2 Es ist daher zunächst zu fragen, ob eine Übertragung dieses Begriffs auf das Ausland überhaupt intendiert ist. Diese Frage kann eindeutig bejaht werden: sowohl Aktivisten als auch Sozialwissenschaftler haben Neue Soziale Bewegungen als internationales Phänomen begriffen, und letztere zögerten nicht, Forschungsprojekte über “Neue soziale Bewegungen in Westeuropa und den USA”3 oder “Neue soziale Bewegungen im internationalen Vergleich”4 zu initiieren. Wie in Kapitel 1. dargelegt, ist der Begriff der NSB jedoch nur dann sinn- und gehaltvoll, wenn er auf die konstituierenden Merkmale abzielt, die allen Bewegungen gemeinsam sind. Dies muß dann aber auch für ausländische Bewegungen gelten. Somit impliziert die Übertragung des NSB-Konzeptes auf andere Länder, daß damit bezeichnete Bewegungen ebenfalls die im ersten Teil ermittelten konstitutiven Spezifika5 Neuer Sozialer Bewegungen aufweisen.6
Im Kapitel 2.2.1.1. wurde darauf hingewiesen, daß CND zwar nicht mit der britischen Friedensbewegung gleichzusetzen, wohl aber ihr wichtigstes Element ist. Entsprechend wird auch in den folgenden Kapiteln vor allem CND mit dem NSB-Konzept verglichen; andere Gruppen und Gruppierungen werden nur erwähnt, wenn sie sich bezüglich einer Dimension des Konzeptes der Neuen Sozialen Bewegungen’ von der Campaign for Nuclear Disarmament unterscheiden.
Dieses Vorgehen erscheint auch deshalb ratsam, weil über die übrigen Gruppen wesentlich weniger Informationen vorliegen, so daß bezüglich der 3. Dimension (Träger) gar keine und bezüglich der anderen Dimensionen nur tendentielle Aussagen möglich sind.
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Literatur
Roth/Rucht weisen darauf hin, daß der Terminus zwar zunächst in Frankreich und Italien benutzt wurde, seine wesentliche Prägung aber doch in der deutschen Diskussion erhalten hat (Roth/Rucht, 1987b, S. 14).
Brand, 1985 (Titel)
So der Titel eines von Nicholas Watts geleiteten Forschungsprojektes (vgl. hierzu z.B. MüllerRommel/Watts, 1984 oder Watts, 1987 ).
Über NSB im internationalen Zusammenhang haben auch andere Autoren publiziert (z.B. Müller-Rommel, 1985; Müller-Rommel/Watts, 1984).
Es sei hier nochmals darauf hingewiesen, daß bei der Auswahl dieser Spezifika eigene Überlegungen ausdrücklich zurückgestellt wurden, um der sich in der Literatur herauskristallisierenden Mehrheitsmeinung nachzukommen. Eine etwaige Falsifikation spricht daher eher gegen das NSB-Konzept als solches als gegen den vorliegenden Definitionsversuch.
Die Gültigkeit einzelner Dimensionen des NSB-Konzeptes wird zudem häufig auch explizit behauptet (Müller-Rommel, 1985, S. 43, S. 49; Müller-Rommel/Watts, 1984, S. 603; Brand, 1982, S. 135 ).
Bestes Beispiel hierfür ist der Civic Trust mit seinen fiber 1.000 angeschlossenen ‘amenity societies’. Zu nennen sind aber auch die Royal Society for Nature Conservation mit ihren ’country trusts’, die CPRE branches oder die 250 FoE-Lokalgruppen.
Vgl. Roth, 1985, S. 44f. bzw. Kapitel 1.1. dieser Arbeit.
Vgl. hierzu den Abschnitt über die ‘Binnenstruktur ökologisch-orientierter Gruppen’ in Kapitel 2.1.3.2. dieser Arbeit
Die Snowball Campaign organisiert Aktionen Zivilen Ungehorsams an der US-Luftwaffenbasis Scuithorne. Der ‘Schneeballeffekt’ soll dadurch erreicht werden, daß sich an dem alle drei Monate angesetzten Aktionstag und der anschließenden Briefaktion, bei der jeder Beteiligte sein Verhalten öffentlich begründen und erklären soll, jeweils dreimal soviel Personen wie am vorangegangenen Aktionstag beteiligen.
Vgl. Snowball Campaign-Quelle 1, S. 2.
Von den Wertvorstellungen der Umweltbewegung muß hier die große Zahl von Büchern, Broschüren und sonstigen Publikationen, die sich mit der ökologischen Krise beschäftigen, unterschieden werden. Als besonders einflußreiche Werke sind hier vor allem Carson, 1962; Ehrlich, 1970; Ecologist, 1972; Schumacher, 1975 und als aktuellste Stellungnahme Porrit, 1984, zu nennen. Für eine belletristische Verarbeitung dieses Gedankengutes siehe vor allem Callenbach, 1985.
Eine gute Behandlung der verschiedenen Stränge dieser Literatur findet sich bei Cotgrove, 1976; Cotgrove, 1982, Kapitel 1; Lowe/Worboys, 1980; Peppers, 1984; Pepper, 1986; Sandbach, 1980, S. 21ff.; Weston, 1986, Kapitel 1 und B.
Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, ist Cotgrove auch an der vom WZB angeregten internationalen Vergleichsstudie zum Umweltbewußtsein beteiligt. Da dieses Forschungsprojekt als Zeitreihenanalyse angelegt ist (Fietkau, 1982, S. 9) wären daher neuere Daten verfügbar. Das Problem hierbei ist aber, daß Cotgrove sich in nachfolgenden Erhebungen ausschließlich auf Mitglieder der Conservation Society als Repräsentanten der’environmentalists’ beschränkt hat, diese Gruppe aber vom Wandel des Bewußtseins auch innerhalb der britischen Umweltbewegung relativ unberührt blieb. Dieses Festhalten an den Themenader sechziger und siebziger Jahre war denn - verbunden mit dem ‘Mitaltem’ ihrer Mitglieder (Davoll (ConSoc), Interview) - auch hauptsächlich für die Auflösung der ConSoc im Herbst 1987 verantwortlich. Veränderungen im Bewußtsein der britischen Umweltbewegung werden sich daher bei Mitgliedern der Conservation Society kaum feststellen lassen, womit sich Cotgroves Untersuchungen selbst gegen einen Meinungswandel in der Umweltbewegung immunisiert haben.
So z.B. Dudley und Coleman (Dudley (EER), Coleman (CC), Interview)
Vgl. zu dieser Gegenüberstellung vor allem Hildebrand/Dalton, 1977.
Die Anteile wären wahrscheinlich höher ausgefallen, wenn nicht mehr als ein Drittel der Stichprobe mit’welshness’ ein Element als zentralen Pfeiler der eigenen Weltanschauung angegeben hätte, das bei englischen Aktivisten sicherlich nicht vorhanden ist.
Cotgroves Ergebnisse sind bezüglich des Alters nur bedingt hilfreich (siehe Kapitel 2.1.5.), so daß nicht abschließend geklärt werden kann, ob ’Ökologen’ wirklich überwiegend zur “jüngsten Generation” (Mirklin, 1984, S. 573) gehören oder ob sie nur jünger als der Durchschnitt sind.
Siehe Watts, 1987, S. 47; Brand, 1988, S. 5f..
So nennen von den in Kapitel 1, Seite 5, Fußnote 2, angeführten Autoren elf die ’Ökologiebewegung’ und nur eine Forscherin die ‘Umweltbewegung’ als Elemente der Neuen Sozialen Bewegungen.
Vgl. zu diesen Abgrenzungsschwierigkeiten auch Rucht, Dieter: Von der Bewegung zur Institution? Organisation der Okologiebewegung. In: Roth/Rucht, 1987, S. 238–260 (S. 242 ff.).
Da die ’Ökologen’ - wie in Kapitel 2.1.1. ausgeführt - in Großbritannien keine eigene Bewegung bilden, sondern Teil der umfassenden Umweltbewegung sind, wird der Begriff ’Ökologiebewegung’ in diesem Zusammenhang bewußt vermieden.
So nennt beispielsweise Murphy bei seiner Beschreibung der “neue[n] soziale[n] Bewegungen in Großbritannien” (Untertitel) explizit Organisationen wie TCPA, CPRE und Civic Trust als Reprgsentanten der Umweltbewegung und vor allem CND als Vertreter der Friedensbewegung (Murphy, 1985). Er scheint sich somit auf die ganze Friedensbewegung und auf einen Teil der Umweltbewegung, der noch über die als ’ökologisch-orientiert’ bezeichneten Gruppen hinausgeht, zu beziehen.
Dasselbe gilt auch für TCPA und CPRE, die allerdings überwiegend außerhalb des Quadrats anzusiedeln sind.
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Rothgang, H. (1990). Die Gültigkeit des Konzeptes der ‘Neuen Sozialen Bewegungen’ zur Beschreibung der Umwelt- und Friedensbewegung in Großbritannien. In: Die Friedens- und Umweltbewegung in Großbritannien. DUV: Sozialwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90038-8_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-90038-8_4
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