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Machtpositionen und Demokratiepotentiale im politischen Organisationsfeld. Relationale Bestimmungen

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Das politische Organisationsfeld
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Zusammenfassung

Harald Mey (1965: 105f.) hat in seinen Vorüberlegungen zu einer soziologischen Feldtheorie drei Problembereiche für eine akteurzentrierte und konfliktorientierte Makrotheorie benannt: a) das Problem der Elitenbildung, b) die Chancen eines Einflusses einer Gegenmacht der Nicht-Mächtigen auf die Führungselite und c) die Bedeutung von Regelungen und Normen für die Beziehungen zwischen Elite und Gegenelite. Aus der Perspektive einer Theorie des Organisationsfeldes lassen sich diese Gesichtspunkte wie folgt ausformulieren: Innerhalb eines jeden einzelnen Organisationsfeldes werden sich die drei Problemebenen artikulieren, d.h. je nach dem Zugang zu den feldrelevanten Ressourcen und wettbewerbsrelevanten Kooperationsnetzwerken ergeben sich für Individuen in Organisationen und für Organisationen im Feld ungleiche Wettbewerbs- und Beeinflussungschancen. Innerhalb von Organisationen wird ein organisationsrelevantes Steuerungs- oder Produktionswissen durch eine besondere Stellung innerhalb der intraorganisationellen Hierarchie gratifiziert und durch die Reproduktionsweisen von professionellen Codes verstetigt. Organisationsinterne Hierarchien, Kompetenzverteilungen und (Sonder-) Vergütungen sind aber nicht für unbestimmte Zeit festgelegt, sondern können aufgrund interner Mobilisierungsleistungen von schlechter gestellten (Berufs-) Gruppen verändert werden.

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Literatur

  1. Für Mey ist es ein besonderes Kennzeichen der Feldtheorie, daß sie die Relationalität, in der Individuen sich als soziale Akteure immer situiert finden und in der die Akteure Identitäten, Gruppenzusammenhänge, Organisationen und (politische) Steuerungsmechanismen ausbilden, aufnimmt, ohne ein besonderes Beziehungsmodell normativ auszuzeichnen. Auf den unterschiedlichsten Handlungsebenen wirken Individuen (oder auch Organisationen) aufeinander ein, und dabei können symmetrische wie auch asymmetrische Beziehungstypen entstehen und eine Rolle spielen. Besondere Sympathien entwickelt Mey (1965: 107ff.) für Dahl und Lindbloms (1976) vier Idealtypen der ’zentralen soziopolitischen Prozesse’, die die Beziehungen zwischen Organisationen hauptsächlich im politökonomischen Kontext strukturieren. Neben den beiden geläufigen, zumeist als Steuerungsmodelle verstandenen Ordnungsprinzipien des Marktwettbewerbs und der intraorganisationellen bzw. bürokratischen Hierarchie diskutieren Dahl und Lindblom (1976: 277ff. und 325ff.) auch die demokratische Kontrolle von politischen (und ökonomischen) Führungsgruppen durch eine grundrechtlich verbriefte, breite und substantiell wirksame Bürgerbeteiligung und die Einbindung von politischen oder ökonomischen Eliten in Verhandlungssysteme, bestehend aus Führungskräfen der programm- bzw. entscheidungsrelevanten Organisationen und Einrichtungen. Interessant ist dabei vor allem, daß diese vier Ordnungsprinzipien — Markt, Hierarchie, demokratische Partizipation und Elitenbargaining — nicht unterschiedlichen Wirtschaftstypen (Planwirtschaft, Wohlfahrtsökonomie, laissez faire-Kapitalismus etc.) oder spezifischen Handlungsfeldern zugewiesen werden; vielmehr nehmen Dahl und Lindblom (1976: 172f.) generell für die (amerikanische) Wirtschaft an, daß alle Strukturierungsmechanismen zur Ordnung sozialer Beziehungen sich in ihr auf komplexe Weise miteinander verknüpfen. Eine genauere Vorstellung von dem Zusammenspiel der Ordnungsprinzipien in einzelnen Handlungsfeldern können die Autoren aber nicht beisteuern.

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  2. Für die politische Spendenpraxis in Deutschland lassen sich dagegen nur wenig präzise Angaben über Ausrichtung und Unterschiedlichkeit der Unterstützungszahlungen von Interessengruppen machen, da Abgeordnete und Parteien nur sehr eingeschränkt dazu verpflichtet sind, ihre Einkünfte offenzulegen und die Herkunft von Großspenden — weil sie über Fördergesellschaften und private Mittler an Parteien weitergegeben werden und die Quelle anonym bleibt — bislang nur in einigen Fällen öffentlich gemacht wurde; es läßt sich aber auch für die deutsche Politikfinanzierung annehmen, daß die im Rahmen von Parteispenden und von Zahlungen an Abgeordnete und Stiftungen geleisteten Aufwendungen der Großkonzerne und Wirtschaftsverbände die anderer Interessengruppen deutlich übersteigen (vgl. dazu Landfried 1990: 119–159; Weber 1976: 225ff. und 307ff.). Durch zusätzliche Verbotsklauseln in der deutschen Parteiengesetzgebung wurde allerdings nach 1994 die direkte Finanzierung der politischen Parteien durch die Verbände weitestgehend unterbunden (vgl. Triesch/Ockenfels 1995: 117).

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  3. In die folgenden Überlegungen gehen zusätzliche Unterscheidungenein, die Carruthers (1994:21 ff.) staatstheoretisch für eine Herleitung der Autonomie von ’state officials’ ausformuliert hat.

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  4. In diesem Zusammenhang läßt sich auf Wildavskys Grundformel für die Definition von Problemen im Rahmen der Policy-Analyse und Programmformulierung hinweisen: “Analysis has the task of creating problems (defined earlier as preferences tempered by possibilities) that are worth working out. Remember that a difficulty is a problem only if something can be done about it. A problem can be distinguished from a puzzle, moreover, only by hypothesizing what might be done, by suggesting a solution” (Wildavsky 1987: 42).

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  5. Eine solche Hypothese stellt Nordlinger (1987: 374) auf, der mit Recht davon ausgeht, daß die Präferenzen von Führungsbeamten eine hohe Stabilität besitzen; nichtsdestotrotz wirkt sich gerade die wahrscheinliche Stabilität von Präferenzen der programm- oder organisationspolitisch motivierten Beamten autonomiehemmend aus.

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  6. Das für Politikbereiche mit komplexen Interessenkonstellationenskizzierte Konfliktmodell beschreibt nur einen möglichen Typus der politischen Intervention in bürokratische Apparate. Ebenso häufig kann von der fast unwidersprochenen Adaption der politischen Vorgaben durch die Verwaltung ausgegangen werden. In einem höchst anspruchsvollen Vergleich von Reaktionen der unterschiedlichen Behörden mit Regulierungsfunktionen und weitreichenden Verordnungskompetenzen — ’regulatory agencies’ — auf politische Interventionen weisen Wood und Waterman (1994) auf das komplexe Zusammenspiel zwischen der Expertise und Durchsetzungsfähigkeit der vom Präsidenten im Einklang mit seiner Agenda ernannten ’political appointees’, den Mitbestimmungs- und Kontrollversuchen des Kongresses und den Aktivitäten von Interessengruppen bei Anhörungen zur Nominierung der politischen Beamten oder bei Beratungen des Kongresses zur Einbindung der Kontrollbehörde hin. Die Annahme, daß sich Verwaltungseinheiten einfach dem politischen Zugriff entziehen können und bei politischen Interventionen für eine inhaltliche Neuorientierung in jedem Fall ihren Widerstand organisieren, scheint als verallgemeinerbarer Befund kaum zuzutreffen. Nichtsdestotrotz kommt auch diese Analyse zu dem Schluß, daß die politische Beeinflussung der Bürokratie sich nicht durch ein vereinfachtes ’principal-agenť-Modell ausdrücken läßt, sondern die Mobilisierung eines unübersichtlichen Geflechts an politischen und administrativen Akteuren und Akteurkoalitionen einschließt. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt auch Johnsons (1992) Studie über Programmkonflikte zwischen Kongreßabgeordneten/Programmausschüssenund Beamten in vier ausgewählten Regulationsbehörden. Johnson zeigt, daß die Konflikte zwischen dem Gesetzgeber und der vollziehenden Verwaltung nicht immer durch angedrohte Budgetkürzungen oder Kompetenzverlagerungenausgelöst werden; Beamte können auch Vorbehalte gegenüber politischen Steuerungsversuchenartikulieren, die sich aus ihrem Wissen über Implementationsschwierigkeiten bei den geltenden Rechtsvorschriften herleiten. Die (in den USA) häufig mit Wissenschaftlern besetzten Kontrollbehörden profitieren dabei von professionellen Kontakmetzwerken, die sie über Schwierigkeiten bei der Festsetzung von klaren Richtwerten oder bei der Bestätigung von Kausalzusammenhängen zwischen Einflußfaktoren und über den Stand der Expertendiskussionen in den jeweiligen Sachgebieten informieren.

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  7. Interessant ist in diesem Zusammenhang Ellis (1992) Hinweis darauf, daß auch die gemeinhin als pluralistisch und ’society-centered’ gekennzeichneten Studien aus den 60er Jahren über den Interesseneinfluß und die Generierung von politischer Macht z.B. von Dahl (1961), Wolfinger (1974) und Bauer, Pool und Dexter (1963) die relative Autonomie von führungsstarken und programminteressierten Politikern (Bürgermeistern, Kongreßabgeordneten) betonen und dem Interessengruppeneinfluß und den Präferenzen des Wählerklientels keine alleinbestimmende Geltung einräumen.

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  8. Gegenüber der früheren Formulierung unterscheidet Nordlinger (1987) hier aber deutlicher zwischen unterschiedlichen Autonomiegraden: der ’starke Staat’ zeichnet sich durch Autonomie und weitgehende soziale Unterstützung aus, der ’unabhängige Staat’ kann soziale Unterstützung vernachlässigen, wohingegen der ’responsive Staat’ auf Unterstützung angewiesen ist und der ’schwache Staat’ kaum seine Präferenzen durchsetzen kann.

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  9. Schon früh hat Ernst-Hasso Ritter die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Organisation der regelmäßigen Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft in einem ’kooperativen Subsystem’ formuliert: “Das Subsystem bezieht seine politische Kraft aus dem Zwang zum Kompromiß, dem eine auf Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft gegründete Planung nun einmal unterworfen ist. Der im Kompromiß gefundene Interessenausgleich erlangt, weil die maßgebenden Interessenträger daran mitgewirkt haben, leicht den Schein des politisch Vernünftigen und das Gewicht des ökonomisch und gesellschaftlich allein noch Durchsetzbaren. Das kooperative Subsystem tritt somit in Konkurrenz zu den traditionellen Institutionen parlamentarisch-repräsentativer Willensbildung. Verfassungstheoretisch bedeutet dies, daß neben die individuelle Wahlentscheidung gleicher Aktiv-Bürger als allgemeiner Quelle verfassungsrechtlicher Legitimation eine besondere Quelle sozioökonomischer “Legitimation” tritt, die auf der Mitgliedschaft in planungsbedeutsamen Organisationen oder auf dem Besitz planungsgewichtiger Vetopositionen beruht. Auf diese Weise rückt neben die durch allgemeine Wahl vermittelte volonté générale eine durch pluralistische Organisationen vermittelte ’volonté collective’ (Pierre Massé)” (Ritter 1979: 410/411).

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  10. Selbst wenn jedoch das Zusammengehen von sozialdemokratischen Regierungen mit Konzertie-rungsversuchen in makroökonomischen Steuerungsaufgaben unterstellt wird, bliebe der partei- bzw. programmpolitische Einfluß nur auf einige wenige — zweifellos wichtige — Politikbereiche beschränkt. Immerhin lassen sich Unterschiede im Policy-Making zwischen sozialdemokratischen und bürgerlich-konservativen Regierungen noch am ehesten in den Politikbereichen der Einkommens-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik aufweisen (vgl. Merkel 1993; Schmidt 1982a; Schmidt 1982b: 138; Schmidt 1991: 191); dies stimmt auch überein mit der programmatischen Ausrichtung von sozialdemokratischen Parteien, mittels der Integration von Gewerkschaften in die staatlich organisierten, aber freiwilligen Verhandlungen über Lohn-, Preis- und Beschäftigungsprogramme mit den Wirtschaftsverbänden den Forderungen nach Arbeitsplatzsicherheit und Vollbeschäftigung entgegenzukommen (vgl. Scharpf 1987: 34). Aber auch für sozialdemokratische Parteien kennt die programmpolitische Priorität der Vollbeschäftigung Grenzen; wenn sie mit der Regierungsbildung betraut sind, müssen sie auch andere Gefährdungen der makroökonomischen Stabilität beachten und ausschalten.

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  11. Perschke-Hartmann (1994) stellt im Kontext gesundheitspolitischer Entscheidungen eine weitere wichtige Voraussetzung für den Erfolg von programmpolitischen Interventionen heraus, nämlich die Existenz von parteiübergreifenden Sachkoalitionen, die es den von politischen Regulierungen bedrohten Interessengruppen fast unmöglich machen, für ihre Interessen Verbündete im politischen Feld zu finden.

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  12. Es handelt sich bei dieser Programmvorstellung um das von dem Kölner Ökonomieprofessor Herder-Dorneich entwickelte Modell der Nicht-Markt-Ökonomik (vgl. Döhler 1990:226); Döhler (1995: 398) geht davon aus, daß viele der im Bonner Gesundheitsministerium beschäftigten Beamten in Köln bei Herder-Dorneich studiert haben und dessen Modell in der Gesundheitspolitik zur Anwendung bringen.

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  13. Der letztgenannte Reformvorschlag kongruiert in starkem Maße mit der realistischen Selbstlimitierungs-Strategie für Bewegungsakteure im Rahmen des Zivilgesellschaftkonzeptes von Cohen und Arato (1992); auch diese Autoren wollen die Beziehungen zwischen etablierten politischen Organisationen/Akteuren und den zivilgesellschaftlichen Trägergruppen stärken. Raschke hat die Idee einer Anbindung von nicht-etablierten Gruppen an Parteien noch einmal in seinen Überlegungen zu einer basisnahen Repräsentationsarbeit durch politische ’Rahmenparteien’, als die beispielsweise die GRÜNEN fungieren (sollen), aufgegriffen: “Die Rahmenpartei wirkt mit am Umbau zu einer Gesellschaft der Eigenaktivität, Selbstorganisation und ’solidarischen Individualisierung’. Vermittlung betreibt sie als Agentur zwischen den ihr korrespondierenden gesellschaftlichen Feldern und dem Staat. Während die Volkspartei aufgrund ihrer Staats- und Institutionenfixierung zu Recht auch Staatspartei genannt wird, verschiebt die Rahmenpartei die Gewichte in Richtung gesellschaftlicher Kräfte, die prinzipiell selbstorganisationsfähig sind. Die Selbstbegrenzung der Partei entspricht der politisch gestützten Unterstellung einer Selbstorganisations-fähigkeit der Gesellschaft. Sie ist aber als intermediäres Konzept angelegt, das die zivilisierenden, schützenden, egalisierenden Potentiale des Staates nicht aufgibt, um der Chimäre einer staatsfreien Autonomie von Großgesellschaft nachzujagen” (Raschke 1993: 867).

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  14. Allerdings setzen sich Cohen und Rogers nicht mit dem Problem auseinander, daß die Auswahl von Interessengruppen für die Konzertierung oder für die Verbesserung ihrer politischen Einflußmöglichkeiten nach bestimmten Kriterien geschehen muß. Die politischen Entscheidungen, welche Interessen begünstigt werden oder nicht, müssen konzeptuell nachvollzogen und im Kontext realer Entscheidungen politisch legitimiert werden. Die Legitimation der öffentlich betriebenen politischen Patronage stellt die Akteure aber vor gewisse Probleme, weil durch Patronageleistungen zugunsten von nur schwach repräsentierten Interessen grundlegende demokratische Gleichheitsgrundsätze und Zugangsrechte verletzt werden (vgl. dazu besonders Hirst 1994: 38). Weniger problembeladen wirkt in dieser Hinsicht Philippe Schmitters (1993; 1994) Vorschlag, ressourcenschwache Interessengruppen durch ’Gutscheine’ (vouchers) der Steuerzahler zu finanzieren. Die Zahlung einer speziellen Steuer zur Finanzierung von Interessengruppen ist dabei für alle Bürger obligatorisch, allerdings können die Individuen selbst darüber bestimmen, welcher Interessengruppe sie ihren Beitrag regelmäßig oder punktuell zukommen lassen. Fraglich ist nur, ob eine solche Praxis, die immerhin für populistische Moden und Strömungen anfällig bleibt, eine langfristige Unterstützung bzw. im Kontext der Ressourcenausstattung eine wirkliche Chancengleichheit für gemeinwohlfreundliche Interessengruppen, die letztlich immer für die Beschneidung bestimmter partikularer Rechte oder Interessen eintreten, garantieren kann.

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  15. Helena Flam macht dementsprechend auf die allgemeine Spannung aufmerksam, die durch die staatliche Garantiening der Bürgerrechte für die Formulierung und Durchsetzung staatlicher Politik entsteht: “The ’democratic’ state, moreover, in recognizing and protecting civil society — individuals, associations and civic spaces — from encroachments by the ’administrative-technocratic’ state, inadvertently guarantees these movements a modicum of formal protection. In particular, civil rights protect the emerging movements against the administrative-technocratic state and its representatives whose programs and policies they contest. It is by utilizing civil rights that social movements- both defensive or ’traditionalist’ and offensive or ’new’ — stand a chance to assert themselves against this state, while at the same time contributing to the safeguarding, but also further modification, of the public sphere” (Flam 1994a: 9/10). Dessenungeachtet kann man davon ausgehen, daß die von Giddens (1988) als zentral herausgestellte Dialektik von ’enabling structures’ und ’constraining structures’ auch in der Gewährung und Wahrnehmung von Bürgerrechten zur Geltung kommt: Informations-, Versammlungs- und Organisationsrechte sowie die Rechte zur Gleichbehandlung und Chancengleichheit bei Job-Entscheidungen, politischer Repräsentation etc. ermöglichen nicht nur das Einklagen ’neuer’ Interessenpositionen im politischen Entscheidungsprozeß und den begrenzten Widerstand gegen politische Entscheidungen, sondern leisten auch einen maßgeblichen Beitrag dazu, angesichts der Notwendigkeit einer Implementierbarkeit von ’policies’, Protestverhalten zu ’zivilisieren’ und diffuse Gegnerschaft zu ’kanalisieren’, um das Verhalten der betroffenen Akteure und Assoziationen berechenbar zu machen (vgl. dazu auch Offe 1981: 144; McAdam 1982: 54ff.).

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  16. Die folgenden Ausführungen antizipieren die Kritik, die an der Strukturfixierung des ’political opportunity structure’-Ansatzes geübt wird; gegenüber der Fokussierung auf institutionelle und strukturelle Besonderheiten der politischen Regimestruktur, die durchaus facettenreich etwa von Kitschelt (1986), Koopmans (1992: 54ff.), Kriesi (1991) und Tarrow (1994: 81 ff.) herausgearbeitet worden sind, wird die politische Gelegenheitsstruktur durch den Bezug auf Programmorientierungen von politischen Akteuren substantieller erfaßt (vgl. ähnlich auch Kriesi 1995; Kriesi/Koopmans/Duyvendak/Giugni 1995: 33ff.). Mit Flam (1994c: 302) wird hier davon ausgegangen, daß sich die Interaktionen in der Politik durch Ressourcenpotentiale von ’citizen groups’ und institutionellen Handlungsspielräumen von politischen Akteuren nicht vollends erklären lassen, vielmehr verbleibt ein Gestaltungsrest für die miteinander interagierenden Akteure. Insofern entwerfen die ’structural properties’ des politischen Organisationsfeldes nur einen Rahmen, der durch die Interaktionen zwischen Interessengruppen bzw. Bürgergruppen und politischen Akteuren ausgefüllt wird.

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  17. Von William Gamson (1975: 28ff.), Clarence Lo (1992) und Charles Tilly (1978: 52) stammt die Feinunterscheidung für die Rollen, die soziale Bewegungen im politischen Entscheidungsprozeß spielen können, zwischen ’polity members’ und ’challengers’; Lo führt dazu aus: “Challengers become members of the polity only when they have gained acceptance and have won new advantages. ... (Acceptance of a movement occurs when any one of its antagonists recognizes the movement, appoints its leaders to official positions, or consults with or negotiates with the movement. Movements win advantages when they gain significant concessions, partly fulfilling at least one of the movement’s goals (even if nothing is gained for other goals). Challengers, in contrast, are mobilizing to enter the polity but have gained neither acceptance nor advantages” (Lo 1992: 230).

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  18. Die Bedeutung unterschiedlicher professionalistischer Handlungsorientierungen für politische Entscheidungen wird anhand des Konflikts zwischen Juristen und Ökonomen in der Programmgestaltung und -überwachung von ’regulatory agencies’ u.a. auch von Alfred Marcus (1980: 288ff.), Thomas McGarity (1991), R. Shep Melnick (1983: 259ff.), Sheila Jasanoff (1990) und James Wilson (1980: 379ff.) erkannt und diskutiert.

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  19. Grundsätzlich ist auch der kritische Gehalt der Habermasschen Unterscheidung nicht klar; gerade wenn man die weiter oben getroffene Einschätzung teilt, daß Bürger- und Konsumentengruppen in Demokratien sehr wohl bereits eine wichtige Rolle in einem solchen Entdeckungszusammenhang spielen, aber daran scheitern, auch Einfluß auf die konkretere Programmformulierung zu nehmen, scheint Habermas wenig über eine bloß defensive Absicherung des politischen Status quo in realexistierenden Demokratien hinauszugehen.

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  20. Dies gilt allerdings nicht für Jane Mansbridges (1992a; 1992b) Vorschlag einer Organisation der laissez faire-Interessenrepräsentationhin zu einer deliberativen Form des Neo-Korporatismus. Das deliberative Organisationsmodell für Politiknetzwerke fordert eine staatlich initiierte und kontrollierte Deliberation unter den für die Beratung eines ’issues’ relevanten Interessengruppen. Der Ansatz lenkt die Aufmerksamkeit auf die Fähigkeit von Interessengruppen, durch politische Mobilisierung spezifische Interessen einer Mitgliedschaft nicht nur zu artikulieren und in politischen Verhandlungen effektiv durchzusetzen, sondern diese Interessen in kreativen Diskussionsprozessen selbst erst zu formulieren und im Abgleich mit anderen Interessenpositionen auf ihre Stichhaltigkeit zu testen. Die staatlich überwachte Diskussion zwischen Interessengruppen dient somit nicht primär einer stärker kontrollierten Interessenaggre-gation, vielmehr lassen sich auch die Präferenzen, Handlungsstrategien und Problemwahrnehmungen durch die Verständigung der Interessengruppen über gemeinsame Einschätzungen und gegenläufige Ziele ändern bzw. in manchen Fällen optimieren.

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  21. Ähnlich unaufgeregt stellt Joseph Bessette (1994) für das amerikanische Regierungssystem fest, daß auf den unterschiedlichen Ebenen der Politikformulierung deliberative Diskussions- und Entscheidungsmodelle wirksam sind; allerdings operiert Besserte mit einem ’realistischen’ Verständnis deliberativer Verfahren, das den politischen Repräsentanten die Verantwortung für die Erzeugung und Reproduktion einer deliberativen Demokratie überträgt: “The deliberation that lies at the core of the kind of democracy established by the American constitutional system can be defined most simply as reasoning on the merits of public policy. As commonly and traditionally understood, deliberation is a reasoning process in which the participants seriously consider substantive information and arguments and seek to decide individually and to persuade each other as to what constitutes good public policy. Thus, deliberation includes a variety of activities often called “problem solving” or “analytic”: the investigation and identification of social, economic, or governmental problems; the evaluation of current policies or programs; the consideration of various and competing proposals; and the formulation of legislative or administrative remedies. In any genuine deliberative process the participants must be open to the facts, arguments, and proposals that come to their attention and must share a general willingness to learn from their colleagues and others” (Bessette 1994: 46).

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  22. Das Einstehen der ’professionals’ für die Einhaltung gemeinwohlorientierter, materialismuskritischer Prinzipien in der organisationsdominierten Demokratie findet sich auch von Terence Halliday (1987: 368ff.), Larry May (1996: 107ff.) und Robert Sprinkle (1994) sowie besonders eindrucksvoll von William Sullivan (1995) als normatives Gebot erörtert.

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  23. Die folgenden Bestimmungen wenden sich sowohl gegen die normativ istischen Institutionenverständnisse des Politischen (vgl. March/Olsen 1989; Märch/Olsen 1995) als auch gegen die um eine Verknüpfung von ’rational choice’-Theorien mit Theorien des regelgeleiteten Handelns bemühten Erklärungsansätze (vgl. Elster 1992; Knight 1992; Ostrom 1986a; Ostrom 1986b; Ostrom 1998). Eine grundsätzliche Schwäche dieser Ansätze liegt darin, daß sie zwar durchaus informative Distinktionen zwischen formalen und informellen Regeln, die in politischen Institutionen auf das vermeintlich rationale Handeln der Akteure wirken, einführen (vgl. z.B. Ostrom 1986b: 468f.), aber keine adäquate Herleitung dieser Regeln präsentieren können; es finden sich mithin nur ungenügende Informationen darüber, welche Faktoren — Organisationelle Imperative, Erfahrungen mit tradierten Entscheidungsregeln, Konkurrenzverhältnisse zwischen den um eine potentielle Machtposition streitenden Notabein, Verkettungen von formalen Regeln mit konkreten Interessenlagen politischer Akteure — diese Regeln hervorbringen und ihre Wirkung in konkreten Handlungssituationen motivieren; zur Diskussion vgl. auch Grafstein 1992; Orren/Skowronek 1994.

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  24. Hier läßt sich auch die ähnlich geartete Kritik von Helmut Wiesenthal an der Verwendung einfacher Rationalitätsannahmen in der Politikanalyse geltend machen: “Zwar kommen in der Realität auch modellgemäß triviale Entscheidungssituationen mit wohlgeordneten Präferenzen, transparenten Situationsmerkmalen und optimalen Lösungen vor. Aber Akteure in weniger durchgeregelten und komplexer strukturierten Konstellationen, etwa jener der Agendakonstruktion und Kompromißvorbereitung für ein Bundes-pflegegesetz, haben es typischerweise mit mehreren taktischen Alternativen, vielen, z.T. unerwarteten ’Mitspielern’, verdeckten Kompromißbereitschaften und einer generellen Folgenungewißheit zu tun. Die Realisierung aller involvierten Intentionen scheitert an ihrer Inkommensurabilität, an Bedingungen der strategischen Interaktion sowie an den Informationdefiziten und unzulänglichen Kapazitäten der Informationsverarbeitung. Eine gemäß den eigenen Zielen optimale Reaktion auf empirische Rationalitätshindernisse ist fast unmöglich” (Wiesenthal 1991: 24). Den Akteuren bietet sich aber ein Lösungsweg, um die begrenzte Rationalität in komplexen Handlungssituationen zu verarbeiten. Durch den Rückgriff auf Regeln, Routinen und Vereinbarungen werden Verhaltensanforderungen zurückgeschraubt und Lösungsmodelle höchstens für die konkrete Situation gesucht. Bei veränderten Akteurkonstellationen und Handlungsanforderungen müssen neue Bewältigungsstrategien in Anschlag gebracht werden. Eine solche situations-geleitete Handlungsstrategie von Akteuren mit eingeschränkten Evaluierungsmöglichkeiten und beschränkten Verhandlungskompetenzen führt natürlich nicht zu einer Kontinuität in der politischen Entscheidungsfindung und auch nicht unbedingt zu einer Ausbildung von ’rationalen’ Programmidentitäten bei den Entscheidern (vgl. auch Jones 1994; Lewin 1991; Wiesenthal 1990).

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  25. Das Aufnehmen und Aufrechterhalten von intensiven Beziehungen zu Klienten, worin einbegriffen ist von Seiten des ’professional’ das Auseinandersetzen mit den Wünschen, Interessen und realen Problemen der Klienten und von seiten des Klienten das Vertrauen in die Handlungskompetenz und in die Angemessenheit und Unparteilichkeit der Problemdiagnose des ’professional’, scheint von fundamentaler Bedeutung zu sein, um die Tätigkeit des ’professional’ von dem Fachurteil des Experten unterscheiden zu können (vgl. Koehn 1994: 22ff.). Gerade für das Sicherstellen des Vertrauens der Bürger in die Rationalität und Angemessenheit von politischen Entscheidungen ist die Einlagerung der von politischen Repräsentanten behaupteten Programmkompetenz und Problemsensibilität in Vertrauensbeziehungen und damit in Akte einer bürgernahen Diskussion und Rechtfertigung von ’policies’ entscheidend. Das Wirken von politischen ’professionals’ besitzt nicht zuletzt deshalb eine besondere Relevanz für die Legitimation und die Bestandssicherheit von repräsentativen Demokratien.

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  26. Als das zur Zeit meistdiskutierte Beispiel einer Theorie der Rationalität von politischen Institutionen, die aus einigen prinzipiellen Grundannahmen und Regeln abgeleitet wird, kann auf John Rawls’ (1971) Theorie der Gerechtigkeit verwiesen werden.

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  27. Dies scheint auch das Problem der ’original position’ zu sein, die Rawls (1993: 62) nun explizit auf den Gedanken der politischen Repräsentation bezieht; politische Repräsentanten sollen demnach sich von allen Interessen und Wertbindungen frei machen, um zu politschen Grundentscheidungen zu gelangen; da ihre Entscheidungen nicht wertbasiert sind, resultieren aus diesen Entscheidungen auch keine Einschränkungen für Bürger, die andere Wertmaßstäbe anlegen. Offensichtlich läßt sich dieses Modell nur auf spezifische, verfassungsgebende oder -verändernde Entscheidungssituationen anwenden (vgl. Rawls 1993: 149 und 165). Nichtsdestotrotz ist es fraglich, ob die Bürger einer Demokratie solche politischen ’Weichenstellungen’ akzeptieren, die von ihren Interessen und Grundwerten nicht geprägt werden.

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  28. Diese Überlegungen lassen sich auch als eine Kritik an radikalen bzw. radikal-deliberativen Demokratievorstellungen lesen: Das Geltend machen einer übergeordneten Vernünftigkeit von politischen Entscheidungen, die insbesondere gesichert scheint durch die möglichst inklusive öffentliche Deliberation über Handlungsprobleme und Programmvorschläge, muß in komplexen Demokratien in realistischer Einschätzung als flankiert von der Durchsetzung und Artikulation partikularer Interessen betrachtet werden. Partikulare Interessen und Problemsichtweisen liefern in ihrer Gesamtschau außerdem den Vergleichspunkt für das Einholen und Abgleichen der ’Vernünftigkeit’ deliberativer Politik. Die radikalen bzw. radikal-deliberativen Demokratietheorien scheinen allzusehr auf eine eigenständige Selbst-Transformation der partikularen Interessenlagen durch deliberative EntScheidungsprozesse zu vertrauen (vgl. z.B. Bachrach/Botwinick 1992: 28ff.; Bohman 1996: 26f.) und unterschätzen die eigentlich deliberativen Aufgaben und Funktionen, die politische Institutionen bzw. politische Akteure in den repräsentativen Demokratien übernehmen. Insbesondere Mark Warren (1992; 1996a; 1996b) hat in einigen sehr instruktiven Aufsätzen auf diese Defizite in der aktuellen Debatte über demokratische Reformkonzepte hingewiesen.

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Janning, F. (1998). Machtpositionen und Demokratiepotentiale im politischen Organisationsfeld. Relationale Bestimmungen. In: Das politische Organisationsfeld. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89956-9_8

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