Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird untersucht, ob und wie sich das traditionelle Muster gewerkschaftlicher Einflußnahme auf den politischen Prozeß im Untersuchungszeitraum verändert hat. Es wird die These vertreten, daß an die Stelle des bis Anfang der siebziger Jahre vorherrschenden Musters ein neues getreten ist. Traditionell erfolgte die Einflußnahme der Gewerkschaftsbewegung(en) auf politische Entscheidungen in Regierung und Parlament auch in Japan mittels der ”Arbeiterparteien” — mit der Besonderheit, daß hier während des Untersuchungszeitraums eine Arbeiterpartei nur einmal einige Monate lang an der Regierung beteiligt war. Gleichzeitig beteiligten sich die Vertreter der Gewerkschaftsorganisationen an den Beratungsgremien der Regierung, beschränkten sich dort allerdings weitgehend auf das Einbringen ihrer Forderungen. Demgegenüber ist das neue Muster dadurch charakterisiert, daß
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nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch die Regierungspartei bewußt als Ziel gewerkschaftlicher Beeinflussung gesehen wird;
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innerhalb der Oppositionsparteien die KPJ als Bündnispartner der Gewerkschaftsorganisationen ausgeschlossen wird;
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gewerkschaftliche Partizipation in einer größeren Anzahl von Beratungsgremien angestrebt wird;
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von Seiten der Gewerkschaftsorganisationen an die Regierung die Forderung gerichtet wird, bestimmte neue Beratungsgremien einzurichten;
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in den Beratungsgremien die gewerkschaftliche Mitarbeit ”aktiv” betrieben wird, d.h. es werden gewerkschaftliche Vorschläge vorgelegt, welche die jeweiligen ökonomischen Bedingungen mitberücksichtigen und von daher für die Regierungsvertreter verhandlungsfähig sind.
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Literatur
A. Görlitz/R. Prätorius (Hrsg.), Handbuch Politikwissenschaft, S. 375.
Vgl. hierzu auch die Überlegungen von B. Süllow in seiner Untersuchung Korporative Repräsentation der Gewerkschaften, hier besonders S. 32 ff.
Nihon shakaitô chûô honbu rôdô kyoku (Hrsg.), Gendai Nihon rôdô kumiai shiryô shûsei, S. 1612.
Vgl. Rôdôshô (Hrsg.), Shiryô rôdô undô shi 1985, S. 915. Weitere Abstufungen ergeben sich entsprechend der Art des Dokuments (einmalig beschlossenes Statut oder jährlich neu zu beschließendes Aktionsprogramm), in dem die Festlegung auf die Partei(en) fixiert wird: 1. Kooperation und Unterstützung, schriftlich im einmalig beschlossenen Statut und/oder in der Satzung fixiert. 2. Kooperation und Unterstützung, schriftlich im jährlich beschlossenen Aktionsprogramm fixiert, wobei sich ”Unterstützung” insbesondere auf die Unterstützung der Kandidaten der betreffenden Partei vor und in Wahlen bezieht; 3. Kooperation, schriftlich im einmalig beschlossenen Statut und/oder in der Satzung fixiert; 4. Kooperation, schriftlich im jährlich beschlossenen Aktionsprogramm fixiert; 5. punktuelle Zusammenarbeit lediglich in Einzelfragen, nicht schriftlich fixiert. Natürlich ist die praktische Ausgestaltung dieser verschiedenen formell fixierten Beziehungen von Fall zu Fall verschieden.
Ebenda.
Vgl. Shirai Taishirô, ”Japanese Labor Unions and Politics”, S. 337.
Ebenda, S. 335. Shirai konstatiert außerdem: ”The convention decision on which political party to support has no binding effect on the actual votes of union members at the time of an election, although it may influence considerably their selection among the candidates.” Ebenda, S. 337.
Vgl. Rôdôshô (Hrsg.), Shiryô rôdô undô shi 1984, S. 820. Vgl. auch Rôdôshô (Hrsg.), Shiryô rôdô undô shi 1974, S. 763 f. und Ohara shakai mondai kenkyûjo (Hrsg.), Nihon rôdô nenkan 1987, S. 279 f.
Die hier wiedergegebenen Informationen stützen sich auf die Interviews mit den betreffenden Gewerkschaftsführern 1984. Sie gehen teilweise über die durch das Dokumentenstudium erschlossenen Informationen hinaus.
Vgl. den programmatischen Titel der Studie von Shinohara Hajime, Rengô jidai no seiji riron (Politische Theorie in der Ära der Koalitionen), 1977.
So erklärt der Vertreter von CHÛRITSURÔREN, die Festlegung einer affiliierten Branchenföderation auf eine bestimmte politische Partei bedeute ja nicht, daß die Mitglieder der angeschlossenen Unternehmensgewerkschaften ebenso wählten. Analysen hätten vielmehr ergeben, daß sie durchaus andere Parteien als die SPJ bevorzugten, darunter auch und gerade die LDP. Von den Mitgliedern der Denkirôren angeschlossenen Unternehmensgewerkschaften haben 1983 nur etwa 27 % ihre Stimme der SPJ gegeben. (Ôtani-Interview) — Es gibt zahlreiche ähnliche Stellungnahmen von Gewerkschaftsseite.
Konkrete Fälle sind für die Werftindustrie bei Ishikawajima-Harima und für die Rüstungsindustrie bei Mitsubishi Jûkô. Vgl. dazu aus KPJ-orientierter Sicht auch Tsujioka Yasuji (Hrsg.), Rôdô sensen no uyoku-ieki chôryû hihan, Kapitel 1, S. 11–46.
Hikuma führt seinerseits als ein eher beiläufiges, gleichwohl schlagendes Beispiel für die Instrumentalisierung SOHYÔs durch die SPJ an, daß sich die SPJ-Mitglieder im erweiterten Vorstand von SÔHYÔ — sie sind als ”Rat der SPJ-Mitglieder” (Shakaitô-in kyôgikai) organisiert — unmittelbar nach einer Vorstandssitzung im selben Raum zu einer Besprechung nur für Parteimitglieder treffen, die Miete für diesen Raum jedoch von SÔHYÔ bezahlt wird und nicht von der Partei. Er fügt empört hinzu: ”So etwas wäre doch in Westdeutschland undenkbar!” (Hikuma-Interview)
Vgl. B. Süllow, Korporative Repräsentation der Gewerkschaften, der hierzu anmerkt: ”Zwar läßt eine solche quantitative Analyse (...) keine direkten Rückschlüsse auf gewerkschaftliche Durchsetzungschancen zu, dennoch bildet sie überaus anschaulich den Rahmen ab, in dem sich gewerkschaftliche Einflußversuche durch korporative Repräsentation zu vollziehen haben.” (S. 83).
Hagizawa Kiyohiko, ”Der Arbeitsprozeß”, S. 236.
E. Harari, Policy Concertation in Japan, S. 20.
Vgl. Tanaka Yoshihiko, ”Rôdô kumiai to kanchô to no kankei”, S. 237 f.
Die paritätisch zusammengesetzten Beiräte werden von G. Foljanty-Jost nicht erwähnt. Ihre Existenz bedeutet jedoch, daß sich die generelle Aussage der Autorin, Gewerkschaften seien ”stark unterrepräsentiert”, nicht halten läßt. Vgl. G. Foljanty-Jost, ”Shingi-kai — ein Beitrag zur Konkretisierung des Konsensbegriffs in der japanischen Politik”, S. 116.
Auch aus diesem Grund sind in der Tabelle zur Entwicklung der Gewerkschaftsorganisationen (Anhang) die wichtigsten Branchenföderationen mit ihrer jeweiligen personellen Stärke aufgeführt.
So war z.B. Ichikawa Makoto als SÔHYÔ-Vorsitzender 1973 Mitglied des Beirats für Wirtschaft und in diesem Rahmen auf konziliante Töne verpflichtet. Demgegenüber formulierte er 1981 in den Auseinandersetzungen um die ”Einheit der Gewerkschaftsfront” zusammen mit Ôta Kaoru und Iwai Akira von neuem einen Standpunkt der Systemopposition. Vgl. W. Seifert, Die Auseinandersetzungen, S. 46ff.
Vgl. Harari, Policy Concertation in Japan, S. 13.
Vgl. Harari, Policy Concertation in Japan, S. 22 f.
Laut Interview mit Chiba Toshio.
Vgl. S. Tokunaga, ”Japans unbelasteter Umgang mit Technologie”, Neue Zürcher Zeitung, 24.4.1991.
Siehe hierzu den Fragebogen meiner Enquete im Anhang, S.333.
Vgl. Tsujinaka, ”Shakai henyô to seisaku katei no taiô”, S. 122.
Takahashi H., ”TUC-kei rôdô undô no leiten”, S. 232.
Vgl. Dokument 2 im Anhang.
Vgl. Takahashi H., ”TUC-kei rôdô undô no kiten”, S. 234.
Zit. nach Takahashi H., ”TUC-kei rôdô undô no kiten”, S. 236.
Dômei (Hrsg.), 79nendo chingin seisaku iôsô hakusho (Weißbuch zum Lohnkampf und den Kampf um Politiken 1979), zit. nach Takahashi, ebenda.
Rengô (Hrsg.), Tôitsu taikai giansho, 1989, S. 4,9,88.
Ujihara Shôjirô (1920–1987), Arbeitsökonom, Professor am Institute of Social Science der Universität Tôkyô.
So auch Shimizu von Jidôsharôren (Konföderation der Gewerkschaften in der Automobilindustrie).
Ôhara shakai mondai kenkyûjo (Hrsg.), Nihon rôdô nenkan 1988, S. 253.
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Seifert, W. (1997). Die Institutionalisierung der neuen Politik in den Außenbeziehungen: zur Entwicklung gewerkschaftlicher Einflußnahme auf den politischen Prozeß. In: Gewerkschaften in der japanischen Politik von 1970 bis 1990. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89930-9_7
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