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Formen der Medienselektivität — Entwicklung einer theoriegeleiteten Fragestellung

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Zusammenfassung

Bei der hier vorgenommenen theoretischen Begründung der Fragestellung ordne ich in einem ersten Schritt die Analyseeinheit des Protestereignisses in den Kontext der Forschungen zu Protest und Sozialen Bewegungen ein, um anschließend in Unterkapitel 2.2 und 2.3 den engeren Kontext der Fragestellung nach Aspekten der primären und sekundären Selektion bei Massenmedien darzustellen. Im Anschluss daran formuliere ich die Hypothesen der Untersuchung und gehe auf die methodisch-konzeptionellen Grundsatzentscheidungen und Rahmenbedingungen dieser Studie ein.

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Literatur

  1. Siehe Rucht/Koopmans/Neidhardt 1998 und Themenschwerpunkt in Heft 2 der Zeitschrift „Mobilization“(4. Jg./1999), dort insbesondere Koopmans/Rucht 1999.

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  2. Folgt man der Definition von Raschke, so handelt es sich bei Sozialen Bewegungen (wie z. B. der Arbeiterbewegung) um „mobilisierende kollektive Akteure, die mit einer gewissen Kontinuität auf der Grundlage hoher symbolischer Integration und geringer Rollenspezifikation“versuchen, sozialen Wandel herbeizuführen, zu verhindern oder rückgängig zu machen (vgl. Raschke 1988, S. 77). Von der Akteursstruktur her begreift sie Neidhardt als „mobilisierte Netzwerke von Gruppen“(Neidhardt 1994a, S. 32). Entsprechend handelt es sich bei ihnen um einen Sonderfall bewegungsförmiger Organisation, der nur unter einer Reihe von Randbedingungen möglich wird und an den immer auch organisatorische Kerne von Verbänden und/oder Parteien angebunden sind. Zu den großen mobilisierungsfahigen Bewegungsorganisationen (social movement organizations) gesellen sich eine Reihe ebenfalls bewegungsförmig organisierter Protest-träger: kleine Protestgruppen, Ein-Punkt-Initiativen und kurzfristige bestehende Koordinationskreise sowie nicht oder gering vernetzte Bürgerinitiativen und Politische Bewegungen, die ebenfalls ihren gesellschaftlichen Widerspruch vorrangig aktionsförmig vortragen.

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  3. Die Frage, inwiefern Parteien und Verbände selbst konstitutiver Teil des Protestsektors und der sich daran anschließend Interessenvermittlung sind, wurde in der Literatur bisher nur selten aufgegriffen (Heberle 1967; Rucht 1993; Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998). Virulent wurden diese Erwägungen in einschlägigen Forschungsdiskussionen immer dann, wenn der Grad an Konventionalität bei Protesten z. B. von Greenpeace oder der IG Metall bestimmt werden sollte. Eine Gewerkschaftsdemonstration zum 1. Mai wird in der Öffentlichkeit wegen ihres Routinegrades fast selbstverständlich zu den konventionellen“Protesten gerechnet, während eine Gewerkschaftsdemonstration gegen Ausländerfeindlichkeit weniger eindeutig zuzuordnen ist.

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  4. Eine Ausnahme stellt Hansen dar, der politischen Protest in das „collective-action“-Konzept einbindet (Hansen 1991). Politischer Protest wird dabei verstanden als Form unkonventioneller politischer Beteiligung, die jenseits der Rezeption der politischen Publizistik, der Mitgliedschaft in Parteien und Interessenverbänden und der Teilnahme an Wahlen stattfindet (ders, S. 456). Auf der Makroebene bildet Protest — so die einschlägige soziologische Begriffsklärung, die sich zunehmend durchsetzte — einen Indikator für Probleme. Die Probleme seien von der Gesellschaft entweder nicht aufgenommen oder bereits wieder ausgegrenzt worden (vgl. Rucht/Koopmans/Neidhardt 1998a, S. 7; Willems/Wolf/Eckert 1993, S. 36). Gleichzeitig verweist Protest jedoch auch auf soziale Veränderungen, die neue Konfliktlinien, Interessenlagen und Wertemuster hervorbringen (Koopmans 1998, S. 228; s. auch Neidhardt/Rucht 1993). — Zum begriffsgeschichtlichen Hintergrund des Protestbegriffs siehe Kraushaar 1996, Bd. 1, S. 13f.; zum Entwicklungsstand der theoretischen Diskussion in der Protest- und Bewegungsforschung siehe Hellmann/Koopmans 1998 und insbesondere Koopmans 1998.

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  5. So wird die Jugendrebellion der frühen 60er Jahre ebenso selbstverständlich unter dem Begriff Protest subsumiert (vgl. Brand/Büsser/Rucht 1986, S. 54–60) wie die Proteste der Friedensbewegung gegen die Aufrüstung der NATO mit neuen atomaren Mittelstreckenraketen in den 80er Jahren (Schmitt 1990, S. 26ff.) oder Proteste internationaler Bewegungen wie z. B. der Globalisierungskritiker (s. FJNSB 15/1 [2002]).

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  6. Unter einem „politischen Ereignis“verstehen Kriesi et al. in einer für die Protestereignisanalyse sehr wichtigen Untersuchung zu politischem Engagement in der Schweiz von 1945 bis 1978 eine örtlich und zeitlich klar umschriebene Manifestation eines politischen Interesses (Kriesi et al. 1981, S. 7). Diese kann die Form von politischen Informationsveranstaltungen ebenso annehmen wie die von Unterschriftensammlungen oder Demonstrationen. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Manifestation nicht von staatlichen Akteuren ausgeht.

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  7. Vgl. Neidhardt 1994a, S. 34. — Bei diesem Versuch befinden sich die Akteure in einem Dilemma. Mit Turner kann davon ausgegangen werden, dass sie die Balance zwischen „appeal“und „threat“finden müssen, um ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit zu gewinnen. Entsprechend haben die Träger von Protest sowohl die „Aktionsformen“als auch das „Framing“ihres Anliegens zu wählen (Neidhardt 1994a, S. 34). Während die Aktionsform der politischen Aktivität Ausdrucksformen im Sinne von kollektiven Handlungsweisen zur Verfügung stellt, verpackt das Framing das Anliegen der Akteure in einen „Überzeugungsdiskurs“, der auf Alltagsdeutungen rekurriert (Gerhards 1991a, S. 226f).

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  8. Politik und mit ihr das politische Teilsystem ist „für alle die Probleme zuständig, die von anderen Teilsystemen nicht gelöst werden und dem politischen System als Problemadressat attribu-tiert werden.... Ob Politik dann tatsächlich auf die Probleme reagiert und als Lösungsakteur auftritt, hängt entscheidend von Definitionsprozessen ab, die die Sachverhalte als Probleme definieren und das politische System als zuständiges System fixieren“(Gerhards/Neidhardt 1993, S. 56). Um als „Problemlösungssystem“funktionieren zu können, besitzt der Staat Steuerungsrechte, die durch die Monopolisierung staatlicher Gewalt untermauert werden. Diese Monopolisierung „in der Hand des Staates ermöglicht den verbindlichen Zugriff auf alle anderen Systeme innerhalb bestimmter territorialer Grenzen. Über diese Kompetenz verfügen die anderen Systeme gerade nicht. Politik setzt die Rahmenbedingungen der anderen Systeme primär durch Entscheidungen, die im Konfliktfall verbindlich durchsetzbar sind“(ebd.). Recht und staatliche Vollzugsorgane stehen als Garanten für die Durchsetzung gesellschaftlicher Entscheidung.

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  9. Die öffentliche Arena ist als „Kornmunikationsssystem“zu verstehen, das demokratische Kontrolle sichert und in dem Entscheidungen auf ihre gesellschaftliche Akzeptanz überprüft werden (Gerhards/Neidhardt 1993, S. 60–68). In systemtheoretischer Perspektive kann sie keinem der gesellschaftlichen Teilsysteme zugeschlagen werden und ist nach Neidhardt per se nichts anderes als ein „Jeeres Feld“. Das entscheidende Merkmal der Öffentlichkeit besteht darin, dass sie für alle zugänglich ist, die etwas zu sagen haben, oder das, was andere sagen, hören wollen (Neidhardt 1993, S. 3391). Dieser freie Zugang führt dazu, dass das Publikum ständig wechselt und nicht als stabile Größe behandelt werden kann. Die Sprecher treten je nach Situation folglich gegenüber einem „manifesten“oder „latenten Publikum“auf (Rucht 1992, S. 2).

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  10. Zum Beispiel:„Kein Ausbau der Kreuzung A im Stadtteil B!“

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  11. Zu den unterschiedlichen Formen und Intensitätsgraden von Mitgliedschaft siehe Rucht 1994a, S. 85f..

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  12. Auf den wichtigen Umstand, dass Protestgruppen und letztendlich auch Soziale Bewegungen ihre „intangible issues“in „events“transformieren müssen, verweisen Kielbowicz/Scherer (1986, S. 82). Kampagnenfähigkeit ist dabei, so meine These, das Merkmal, das Protestgruppen und Soziale Bewegungen aus Phasen der immer wieder auftretenden Latenz herausführt.

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  13. In dieser Weise interpretiere ich Raschkes weithin geteilte Definition von Sozialen Bewegungen (s. Fußnote 14, vgl. auch Roth/Rucht 1991a, S.18). Sozialen Wandel zu beeinflussen, kann in modernen Gesellschaften nur gelingen, wenn die kollektiv verbindlichen Entscheidungen des politischen Systems zumindest teilweise von den protestierenden Akteuren beachtet und beeinflusst werden.

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  14. McPhail berücksichtigt an dieser Stelle nicht, dass auch Unterschriftensammlungen Protest ausdrücken, ohne dass sie eine reale Zusammenkunft der Protestierenden an einem Ort und zu einem Zeitpunkt voraussetzen. Allerdings ist diese Aktionsform im Vergleich zu überwiegenden Zahl der Aktionsformen als Sonderfall einzuschätzen.

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  15. McPhail 1991, S. 182. — Rucht/Neidhardt fassen eine Kampagne „as a set of discrete actions which can be subsumed under a common but specific goal or slogan“(Rucht/Neidhardt 1995, S.6f.).

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  16. Besonders bei Politischen und Sozialen Bewegungen tritt immer wieder das Phänomen der „Latenz“auf, d. h. sie verschwinden für unbestimmte Zeit mit ihren Handlungen aus dem öffentlichen Raum (vgl. Meluccis Hinweis auf die Möglichkeit von Latenzphasen Sozialer Bewegungen [Rucht 1994a, S. 96]). Ein Teil dieser Latenz mag organisationsbedingt sein. Entweder die Gruppen legen selbst keinen großen Wert darauf, in der allgemeinen Öffentlichkeit mit ihrem Anliegen vertreten sein und konzentrieren sich auf ihre Milieus (vgl. Rucht 1994c, S. 351; Gamson/Wolfsfeld 1993, S. 120). Oder sie verlieren Unterstützer und von Fall zu Fall mobilisierbare Mitglieder in einem Maß, dass die kontinuierliche Arbeit deutlich eingeschränkt werden muss. Erstaunlicherweise besitzen viele Bewegungen (wie die Frauen- oder Friedensbewegung) ein hohes Maß an historischer Kontinuität. Gerade unter diesen Bedingungen entwickelten sie häufig nicht nur politische Ziele, sondern auch Vorstellungen von sozialem Wandel, den sie erreichen wollten (vgl. auch Tarrows Beispiel von einer Bewegung katholischer Dissidenten in Italien [Tarrow 1991b, S. 662, Tarrow 1989/Kap. 8]).

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  17. Politische Auseinandersetzungen werden in diesem Zusammenhang als Teil einer politischen Kultur verstanden, die von demokratischen Entscheidungsvorgängen und politischen Kontroversen, also der Interaktion von Opposition und Akteuren lebt. Streit und konflikthafte Auseinandersetzung sind dabei als konstitutiver Teil des politischen Prozesses zu verstehen. Protestaktionen sind in diesem Zusammenhang häufig eine Form der politischen Auseinandersetzung, die Regelverletzungen nicht ausschließen. Finden Regelverletzungen statt, so sind sie vielmehr als hervorgehobene und symbolhafte Form der Beteiligung an der politischen Partizipation zu interpretieren (vgl. Rödel der Regelverletzungen als „symbolische Rede“bezeichnet [Rodel 1994, S. 35]).

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  18. Nachdem von den „Gründungsvätern“der Protestereignis-Analyse zunächst eine Reihe von begrifflichen Bestimmungen der Analyseeinheit eingeführt wurde, scheint sich die Fachdiskussion auf das „Protestereignis“als zentrale Analyseeinheit für die Untersuchung protestformiger Mobilisierung durchzusetzen (Rucht/Koopmans/Neidhardt 1998a, S. 9–15; Koopmans 1995; Lemke 1997a; Kriesi 1993; Ekiert/Kubik 1998; Tarrow 1998; Burchardt 2001; ausführlicher zur methodisch-konzeptionellen Bedeutung der Analyseeinheit Rucht/Hocke/Oremus 1995, S. 264ff.).

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  19. Diese Kriterien sind identisch mit denen, die im PRODAT-Projekt angewandt wurden (s. Rucht/Hocke/Ohlemacher 1992, S. 4).

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  20. Gerade dieses Thema bindet das Protestereignis in den Diskurs ein, der in der öffentlichen Arena den Gesellschaftsmitgliedern vorgetragen wird. Die Widerspruchsförmigkeit verweist darauf, dass mit der Aktion nicht nur ein konflikthaltiges Thema angesprochen, sondern zumindest der Versuch unternommen wird, ein Problem auf die politische Tagesordnung („agenda“) zu setzen. Aktionen, mit denen das Vorbringen eines Themas und das Benennen eines Problems geschieht, sind a) ungewöhnliche Maßnahmen mit Neuigkeitswert, b) außerordentliche Pressekonferenzen oder c) Regelverletzungen bzw. ziviler Ungehorsam (Gerhards 1992, S. 311).

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  21. Raschke 1988, S. 338. — Ausführlicher zur Interessenvermittlung und den Beziehungen zwischen Sozialen Bewegungen, Massenmedien und Publikum Rucht 1993, ders. 1994c, S. 345–353, und ders. 2001b.

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  22. Zusätzlich besitzen Protestereignisse durch ihren Widerspruchscharakter Merkmale, die sie aus der hohen Zahl anderer öffentlicher Ereignisse (wie Festvorträge oder Jahrestage) herausheben.

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  23. Diese Aufmerksamkeit wird in der Öffentlichkeitssoziologie als „Nachrichtenwert“bezeichnet (vgl. Rucht 1994c, S.348ff.; s. auch Neidhardt 1994a, S. 341).

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  24. Das Sprecherensemble in der Öffentlichkeitsarena ist nicht „gleichgewichtig“besetzt: Das Übergewicht liegt auf der Seite der etablierten politischen Akteure (Neidhardt 1994a, S. 32).

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  25. Schmitt 1990, S. 171f.; siehe auch Raschke 1988, S. 275; siehe auch Rucht 2001b.

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  26. Schmitt-Beck bezeichnet diesen Beziehungsryp als „transaktional“und bezeichnet das Verhältnis zwischen Massenmedien und Protestgruppen als kompetitive Symbiose (Schmitt-Beck 2001, S. 23, s. auch ders. 1998, S. 477).

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  27. Neidhardt 1994b; siehe auch Berens 2001, S. 21f.; Rucht 1994b, S. 165, bei dem Informationen als Konstitutivum politischer Öffentlichkeit betrachtet werden.

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  28. „‘Newsmaking’ durch Medienorganisationen ist ein nach Routinen ablaufender Prozeß der Komplexitätsreduktion, der unter Bedingungen knapper Ressourcen ständig optimiert werden muß“(Schmitt-Beck/Pfetsch 1994, S. 113). Die Optimierungsprobleme für die Massenmedien entstehen also durch die knappen Ressourcen, die ausführliche Recherchen nur in Ausnahme-fallen zulassen. Da Recherchen aber Bedingung für inhaltliche Differenziertheit sind, ist folglich in der Nachrichtenberichterstattung bestenfalls eine Ergänzung oder Modifikation vorhandener Stereotypen (wie dem Freund/Feind-Schema) zu erwarten. Ein Zuwachs an inhaltlicher Differenziertheit dagegen ist unwahrscheinlich.

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  29. Staab unterscheidet vier Forschungstraditionen, da er die Nachrichtenwert-Forschung in die europäische und die US-amerikanische Schule unterteilt (Staab 1990, S. 11). Eilders nennt ebenfalls vier Forschungstraditionen, sortiert diese jedoch nach anderen Kriterien: (1) die empirische Verarbeitung des norwegischen Ansatzes (Galtung/Ruge 1965), (2) der Vergleich inhaltsanalytisch gewonnener Mediendaten mit Daten aus nicht-medialen Quellen, (3) Input/ Output-Analysen, in denen veröffentlichtes Material mit angebotenem Material verglichen wird, (4) Experimente (Eilders 1997, S. 29–31). Bei Lindgens finden sich fünf Traditionen, die sich mit der Selektionsfunktion der Medien auseinandersetzen: Neben den drei zuerst genannten verweist sie auf die „Redaktionsforschung“4 (s. Rühl 1989; Krämer 1986) und die „Agenda-Setting-,, bzw. „Agenda-Building-Forschung“(Lindgens 1992, S. 11f.). — Für den politologischen Kontext kritisch dazu Kaase 1998.

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  30. Schulz 1995, S. 328f.. — Einflussgrößen, die den Vorgang der Nachrichtenauswahl bestimmen, sind nach diesem Modell die Individualität des Journalisten, seine persönlichen Vorlieben und Abneigungen sowie seine Interessen und Einstellungen (ebd.). David M. White legte dazu die Schlüsselstudie vor, bei der das Auswahlverhalten eines Nachrichtenredakteurs bei einer kleinen Zeitung im amerikanischen Mittelwesten anhand von Agenturmeldungen untersucht wurde (White 1950). Während er die Rolle des Redakteurs als eine beschreibt, durch die Realität konstruiert wird, betonen neuere Interpretation der Gatekeeper-Forschung das Gegenteil. Die verantwortlichen Redakteure verhielten sich passiv und würden — sowohl bei kleinen als auch bei Qualitätszeitungen — das Nachrichtenbild der Agenturen reproduzieren (Schulz 1995, S. 329; Staab 1990, S. 15–17, 202f.). Der Vorgang der primären Selektion berichtenswerter Informationen finde also in den Nachrichtenagenturen und nicht den Redaktionsstuben der Presse statt. Trotz dieser starken Wandlungen des Gatekeeper-Ansatzes, denen er über die Jahrzehnte unterworfen war (s. auch Jarren et al. 1998, S. 653), ist sein charakteristisches Merkmal im Vergleich zu Nachrichtenwert- und News-Bias-Konzept die individualisierende Perspektive.

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  31. „Einseitigkeit“bedeutet nach Keppünger in diesem Zusammenhang mehr als eine „Abweichung von Ausgewogenheit im Sinne der Gleichbehandlung“. Als Erläuterung dafür nennt er folgendes Beispiel aus der Wahlforschung: Einseitig ist Wahlberichterstattung dann, wenn ein Kandidat mehr beachtet oder positiver dargestellt wird als ein anderer. In bedeutenden Untersuchungen, die dem News-Bias-Konzept zuzuordnen sind, werden die Orientierungen der Verleger oder Herausgeber von Tageszeitungen hin zu den verschiedenen politischen Parteien mit der Anzahl der Artikel, der Platzierung der Artikel und der Anzahl der Meinungsäußerungen in den Artikeln über die Kandidaten dieser Parteien verglichen (Kepplinger 1989a, S. 4). Dieser Erklärungsansatz geht davon aus, dass Ereignismerkmale nicht wertfrei festlegbar sind. Ein Beispiel dieser Richtung, das näher an den Fragen der Protestforschung liegt, bildet die Studie von Leon Mann. Er vergleicht die Presseberichterstattung zu zwei Demonstrationsmärschen gegen den Vietnamkrieg in den 60er Jahren. Zentrales Vergleichskriterium ist für ihn hierbei die jeweils berichtete Teilnehmerzahl. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass Presseorgane, die für eine Fortsetzung des Krieges votierten, niedrigere Teilnehmerzahlen berichteten als diejenigen, die für eine Beendigung des Krieges eintraten (Mann 1974, S. 278). — Zu den Traditionen der News-Bias-Forschung siehe auch Hagen 1992, S. 444f.

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  32. Östgaard 1965; Galtung/Ruge 1965; ausführlich dazu: Staab 1990, S. 55ff.; Eilders 1995, S. 51f.

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  33. In öffentlichkeitstheoretischer Perspektive erzeugen Nachrichtenfaktoren „eine Vermutung der Besonderheit für sich, wecken allgemeine Neugier und ziehen Aufmerksamkeit an“(Gerhards/ Neidhardt 1993, S. 62). Insofern sichern sie die Aufmerksamkeit des „dispersen Laienpubli-kums“(Gerhards 1991, S. 25).

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  34. Jonscher 1991, S. 191.- Über die bedeutsamen Nachrichtenfaktoren findet sich in der Literatur bisher keine Übereinstimmung (Eilders 1997, S. 69). Während Gerhards die sechs Nachrichtenfaktoren „Status der Akteure“, „Relevanz“, „Dynamik“, „Konsonanz“, „Valenz“und „human interest“als klassisch bezeichnet und diese selbst wiederum bis zu vier Subfaktoren enthalten, kritisiert Eilders den Stand der Nachrichtenwert-Forschung grundlegend und stellt damit die Annahme klassischer Nachrichtenfaktoren in Frage. Zu selbstverständlich werde in der Literatur davon ausgegangen, dass die Einflussfaktoren bei Journalisten und Rezipienten gleich wären. In ihrer Darstellung zum Stand der Nachrichtenwert-Forschung werden für die journalistische Selektion insgesamt sieben Faktorenbündel identifiziert, die in der Nachrichtenwert-For-schung argumentativ nicht verknüpft sind, aber bei der Sichtung der Literatur sowohl für die journalistische Selektion als auch für die Nutzung und Wahrnehmung des Rezipienten von Bedeutung wären (Eilders 1997, S. 68; Gerhards 1991, S. 24f.). Die Unterscheidung zwischen lokalen und internationalen Nachrichtenfaktoren sowie Nachrichtenfaktoren mit „allgemeiner Wirkung“erklärt diese unterschiedlichen Gruppierungen der bedeutsamen Nachrichtenfaktoren aus meiner Sicht noch nicht. Näher werden diese Fragen der Sortierung der Nachrichtenfaktoren in Kapitel 4.2 behandelt.

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  35. Siehe dazu auch Rühls Kritik am Forschungsstand der Medien- und Kommunikationsforschung (Rühl 1989, S. 258f.).

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  36. Die Allgemeinverbindlichkeit dieser Regeln für die gesamte Berufsgruppe wird von Schulz dadurch gerechtfertigt, dass die gängigen Weltdeutungen und Wertordnungen der jeweiligen Gesellschaft sich in den Nachrichtenfaktoren wiederfinden und damit die Selektionslogik der journalistischen Gemeinschaft steuern (Schulz 1987, S. 133f.). — Auch Kielbowicz/Scherer betonen die Bedeutung personenunabhängiger organisatorischer Kräfte und professioneller Normen bei der Auswahl berichtenswerter Ereignisse (Kielbowicz/Scherer 1986, S. 91).

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  37. Insgesamt scheinen sie — so mein Eindruck nach Sichtung der Literatur — Teil einer pluralistisch strukturierten Forschungsdisziplin zu sein, die plausible, aber in ihrer Perspektive nur einzelne ausgewählte Aspekte theoretisieren (vgl. Gerhards Kritik, dass die bisher vorliegenden Studien die von ihm ausgemachten Faktorengruppen, die die Selektionsleistung des Mediensystems beeinflussen, nur ungenügend berücksichtigen [Gerhards 1991, S. 21]. Als Variablenkomplexe nennt Gerhards die „Nachrichtenlage“, die „Nachrichtenfaktoren“und die „institutionelle Verankerung“der Medien [ebd.]).

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  38. Wilking 1990, S. 17. — Ein Beispiel für eine Studie dieser Art, die sich der Protestberichterstattung widmet, ist Michel (1987).

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  39. Mit Gerhards kann davon ausgegangen werden, dass dieses stabile Muster ein Ergebnis journalistischer Professionalisierung darstellt, das sich jenseits externer Einflüsse entwickeln konnte (Gerhards 1994, S. 87). Empirisch wird die Stabilität journalistischer Selektion z. B. auch von Knoche/Lindgens gezeigt, die bei ihrer Untersuchung der Wahlkampfberichterstattung der „Grünen“in der Tagespresse ein hohes Maß an Übereinstimmung bei der Themenselektion feststellten (Knoche/Lindgens 1988, S. 502).

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  40. Vgl. Staabs Hinweise auf Gesichtspunkte des Ereignisbegriffs, die in der Nachrichtenwert-Theorie nicht hinreichend diskutiert sind (Staab 1990, S. 99); siehe auch Kepplinger 2001.

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  41. Kepplingers Konzept der „instrumentellen Aktualisierung“und auch Staabs Versuch der Einführung eines Finalmodells in die Nachrichtenwert-Diskussion stellen einen Schritt in diese Richtung dar (Kepplinger/Brosius/Staab/linke 1989; Staab 1990). Sie unterlaufen jedoch die aus meiner Sicht zentrale Konzeption des Nachrichtenwert-Modells, kollektive und nicht individuelle Muster zum Ausgangspunkt der Erklärung zu nehmen.

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  42. Siehe grafische Darstellung der Modellannahme zum Vermittlungsprozess nach Galtung/Ruge in Abbildung A 2 im Anhang.

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  43. Zur Berliner Anti-Schah-Demonstration am 2. Juni 1967 siehe Schulz 1968; Kliment 1995, S. 263; zur Londoner Anti-Vietnam-Demonstration mit 60.000 Teilnehmern am 27. Oktober 1968 siehe Halloran et al. 1970; dies. 1974; Murdock 1973; Noelle-Neumann/Mathes 1987, S. 394f.; van Dijk 1988, S. 261; Kliment 1995, S. 263, 268.

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  44. Danzger veröffentlichte 1975 eine provokative Studie (Mueller), in der er sich mit der Angemessenheit der Zählung von „conflict events“durch die Presse bei Rassenauseinandersetzungen in den USA auseinander setzte. Er vertrat dabei die These, dass Zeitungsberichte im Hinblick auf die primäre Selektion als valide betrachtet werden könnten (Danzger 1975). Bei den Ereignissen, die nicht berichtet wurden, war für ihn entscheidend, ob Nachrichtenagenturen am Ereignisort mit einem Büro vertreten waren oder nicht (Danzger 1975, S. 582; Mueller 1997, S. 171–175). In kritischer Perspektive setzten Snyder/Kelly dem entgegen, dass die Dauer und die Friedlichkeit bzw. Gewaltförmigkeit eines Protestereignisses ebenso bedeutsam wären wie die journalistische Infrastruktur und Praxis. Mit ihrem Modell, das sowohl Ereignisintensität als auch Mediensensibilität zu integrieren versucht, untersuchen sie Sekundärdaten über gewalt-förmige Rassenauseinandersetzungen („riots“) in den USA aus den Jahren 1965 bis 1969 und sog. „collective action events“, die in 43 US-amerikanischen Städten zwischen Mai und Oktober 1968 stattfanden (Snyder/Kelly 1977). Zusammenfassend stellen Snyder/Kelly fest, dass Ereignismerkmale bedeutsam für die Medienresonanz sind. Gleichzeitig plädieren sie für Studien, die die Form der Proteste berücksichtigen (Snyder/Kelly 1977, S. 121).

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  45. Nur ein geringer Prozentsatz aller Demonstrationen ist gewaltförmig. Nach der offiziellen Statistik des Bundesinnenministeriums lagen die Anteile der „unfriedlichen Demonstrationen“zwischen 1972 und 1991 unter 10%, nach 1980 sogar deutlich darunter (Statistik zit. n. Bürgerrechte und Polizei, H. 34, 1989, S. 49).

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  46. Schmitt-Beck berücksichtigt zwar den Diskussionsstand der Medien- und Kommunikationsforschung. Auch den Nachrichtenwert hebt er als bedeutsame Einflussgröße hervor, widmet dessen Untersuchung jedoch keine größere Aufmerksamkeit. Es geht ihm schließlich darum, den „Medienerfolg“und nicht die allgemeine Medienresonanz Sozialer Bewegungen zu bestimmen. Medienerfolg schließt neben Medienresonanz auch positive Thematisierung und Kommentierung der Bewegungspolitik ein. Zusätzlich neben den Nachrichtenfaktoren sind für ihn a) die Produktionsbedingungen bei Massenmedien, b) das “inter media agenda setting“und c) Gatekeeper-Effekte bedeutsam (Schmitt-Beck 1990, S. 648–654).

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  47. Siehe Tabelle A 1 im Anhang. — Unter Prominenz versteht Schmitt-Beck die Prominenz der Akteure, die den Protest tragen. Personalisierung wird als „Konzentration auf das Handeln von Personen“im Gegensatz zu abstrakten Zusammenhängen definiert (Schmitt-Beck 1990, S. 649f.). Auch die Orientierung am Ereignishaft-Punktuellen wird negativ definiert, indem das Ereignishaft-Punktuelle von „komplexen und langfristigen Prozessen“abgegrenzt wird (ders., S. 649).

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  48. Der Nachrichtenfaktor „Größe“wird bei Rochons Untersuchung der westeuropäischen Friedensbewegungen nicht näher ausgeführt, sondern vielmehr als selbstverständlicher Befund der Nachrichtenforschung ausgewiesen (s. Rochon 1990, S. 108; s. auch Koopmans 1995, S. 251).

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  49. Dazu gehören verschiedenste Untersuchungen, die sich sowohl mit der primären, als auch der sekundären Selektion auseinandersetzen (vgl. McCarthy/McPhail/Smith 1996a; McCarthy/Mc Phail/Smith 1996; McCarthy/McPhail7Smith/Crishock 1998; McPhail/Schweingruber 1998).

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  50. Eine Ausweitung auf eine flächendeckende Erhebung von PE-Daten, die sich an PRODAT anlehnt, ist angelaufen (Olzak et al. 1995).

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  51. Zu den methodologischen Schwierigkeiten bei der Arbeit mit Polizeiquellen siehe Maney/ Oliver 2001.

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  52. Grundlage für die Datenerhebung sind die Genehmigungsunterlagen („demonstration permit records“) der drei wichtigsten Washingtoner Polizeibehörden: „National Park Service“, „U.S. Capitol Police“and „D.C. Metropolitan Police“. Verkodet wurden alle sog. „first amendment events“, zu denen neben den politischen auch religiöse Versammlungen und Umzüge gehören (McCarthy/McPhail/Smith 1996, S. 482). Unter dem „first amendment events“sind alle die Ereignisse und Veranstaltungen zu verstehen, die sich auf das in der US-Verfassung verbriefte Recht der Versammlungsfreiheit berufen. McCarthy et al. unterscheiden bei diesen Ereignissen zwischen Protesten einerseits sowie religiösen und kommerziellen Veranstaltungen andererseits.

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  53. Systematische Aufzeichnungen legt die französische Polizei in fünf verschiedenen Archiven an. Fillieule entschied sich für lokale Polizeiarchive, die er für Marseille und Nantes sowie mit Einschränkungen für Paris auswertete (s. Fillieule 1998, S. 199f.).

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  54. Der Schwerpunkt seiner Auswertungen zur Medienresonanz hegt auf dem Zeitraum Januar bis Juni 1989. An einigen Stellen greift er für Paris Ergebnisse aus dem ersten Halbjahr 1991 auf (Fillieule 1996, S. 12–18).

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  55. Mueller 1997a. — Ausgerichtet ist die Untersuchung auf die Überprüfung des von Snyder/Kelly entwickelten Modells. Als Gegenstand wählt sie die primäre Selektion nationaler Qualitätszei-tungen aus den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik bei der Auslandsberichterstattung über DDR-Proteste des Jahres 1989 (s. auch dies. 1997, S. 179–181).

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  56. Eine weitere Ausnahme stellt Chermesh dar (Chermesh 1982). In seiner Studie, die die Berichterstattung über Streiks in der israelischen Gewerkschaftszeitung „Davar“der Jahre 1974 bis 1976 untersucht, wird das Nachrichtenwert-Konzept aufgegriffen, dient jedoch nur zur Formulierung von Hypothesen. Drei Ereignismerkmale von Streiks (Anzahl der Beteiligten, Dauer und Häufigkeit) werden acht Nachrichtenfaktoren zugeordnet. Die Zuordnung selbst wird jedoch nicht plausibel erläutert und der Katalog von Nachrichtenfaktoren ohne Diskussion übernommen.

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  57. Vielmehr wäre — so meine These — im Einzelfall davon auszugehen, dass andere Einflussgrößen wie die politische Agenda mit ihren Top-Themen oder „media attention cycles“(Downs 1972; McCarthy/McPhail/Smith 1996a, S. 29f.) die Medienresonanz stärker bestimmen als die Merkmale eines einzelnen Protesterereignisses (s. auch Fillieule 1996, S. 16–18).

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  58. Schmitt-Beck unterscheidet zwei Stufen der Selektion. Die erste Stufe bezeichnet er als „Thematisierung“, die zweite als „Strukturierung“(Schmitt-Beck 1990, S. 646). Bei der Thematisierung geht es darum, ob ein bestimmter Sachverhalt (in diesem Fall ein spezifischer Protest) überhaupt berichtet wird. Den Auswahlprozess, der diesem Vorgang zugrunde liegt, bezeichnet er als „primäre Selektion“. Dieser steht die „Strukturierung“gegenüber, die einen ausgewählten Sachverhalt (hier einen als berichtenswert eingestuften Protest) in eine spezifische Form bringt. Unter dieser sekundären Selektion verstehe ich in Anlehnung an Schmitt-Beck die Fokussie-rung der Berichterstattung auf spezifische Merkmale und Zusammenhänge, in denen der ausgewählte Protest steht. Sowohl die Platzierung eines berichteten Protestes als auch Fragen seiner „Aufmachung“und Kommentierung werden unter dem Begriff der sekundären Selektion zusammengefasst. Schlüsselbegriffe, die es erlauben, die Frage nach dem Was-wird-berichtet? und Was-wird-verschwiegen? zu steuern, fehlen bisher. Während Rosengren bei der Frage nach der Medienselektivität drei Formen des „Gatekeeping“berücksichtigt (selective, quantitative and qualitative gatekeeping), konzentrieren sich McCarthy et al. auf die Verzerrung („bias“), die durch die selektive Berichterstattung verursacht wird (s. Tabelle A 2 im Anhang). Was McCarthy et al. als „selection bias“bezeichnen, betrifft die Auswahl der berichtenswerten Proteste und wird folglich durch die primäre Selektion abgedeckt. Die Frage des „description bias“dagegen lässt sich durch die sekundäre Selektion erklären (Rosengren 1974, S. 147f.; McCarthy/McPhail/Smith 1996, S. 479f; McCarthy/McPhail/Smith/Crishock 1998).

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  59. Einige wenige Ereignisklassen (wie z. B. Erdbeben) sind dabei zwar ausgeschlossen, da direkte menschliche Beteiligung nicht festzustellen ist. Für die überwiegenden Bereiche innen- und außenpolitischer Berichterstattung spielen diese jedoch kaum eine Rolle.

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  60. Zum Beispiel: Staab 1990, S. 101 ff.; auch Eilders 1997, S. 19.

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  61. Alternativen zur Gewinnung medienexterner Daten hoher Qualität, die bei Selektionsmessungen in der Protestberichterstattung nützlich sein könnten, wären möglicherweise Gewerkschaftsstatistiken zu Konflikten aus der Arbeitswelt (z. B. Streiks) oder themenspezifische Archive für spezifische Protestsegmente.

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  62. McAdam 1982, S. 235; Tuchman 1978, S. 47–52; siehe auch Tuchman 1973.

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  63. Die Diskussion über harte und weiche Nachrichtenbestandteile liefert gleichzeitig ein Argument, Proteste als Ereignisklasse und Analyseeinheit für die Überprüfung von Medienselektivität zu verwenden. Da Proteste durch eindeutiges kollektives Handeln und einen zeitlich fixierten Aktionsbeginn bestimmt sind, gehören sie im Vergleich zu komplexen politischen Diskursen, fachpolitischen Maßnahmen oder Entscheidungsabläufen mit Prozesscharakter zu der Klasse der punktuell-ereignishaften Vorgänge, die als „hard news“bei der journalistischen Selektion bevorzugt werden (Schmitt-Beck 1990, S. 649). Ihr Stattfinden im öffentlichen Raum und die Würdigung, die sie durch rechtliche Bestimmungen (wie das Versammlungsrecht) erfahren, machen sie ebenso zu eindeutig erfassbaren und daher in den journalistischen Auswahlprozess eingehenden harten Nachrichten, bei denen ein hohes Maß journalistischer Aufmerksamkeit zu erwarten ist.

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  64. Während sich Veranstalter um die organisatorische Vorbereitung und Durchführung eines PEs kümmern und zum Mobilisierungskem des PEs gehören, setzt sich der „kollektive Akteur“im Regelfall zusätzlich aus weiteren Akteuren (weitere Gruppen, individuelle Unterstützer etc.) zusammen.

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  65. Nur bewusstes Gegensteuern von beiden Seiten (Protestierenden und Medien) könnte diese Unterbrechungen des Kommunikationsflusses verbessern. Dies ist aber wegen der tendenziellen Ressourcenknappheit auf beiden Seiten unwahrscheinlich.

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  66. Wenn Autoren in der Nachrichtenwert-Diskussion die Negativität als Merkmal der Protestberichterstattung besonders herausheben (z. B. Kliment 1995, S. 265), so kann dies als weiterer Hinweis in diese Richtung gewertet werden (kritisch dazu Rosengren 1970; Wilking 1990, S. 124; Kepplinger/Weissbecker 1991; siehe auch Noelle-Neumann/Mathes 1987).

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  67. Gewonnen wurden diese Hypothesen aus drei verschiedenen Zusammenhängen: (1) Erfahrungen, die ich bei der Ausweitung von Pressematerial im Rahmen meines empirischen Projektes sammelte, das die Grundlage für meine Diplomarbeit über Bürgerinitiativen im Konflikt um die WAA Wackersdorf bildete, und (2) der Lektüre zur Nachrichtenwert-Diskussion. Darüber hinaus spiegeln sie (3) meine beruflichen Erfahrungen als Redakteur bei einer Lokalzeitung wieder.

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  68. Vgl. Raschke, der betont, dass Soziale Bewegungen (und folglich erst recht Protestgruppen) bereits viel erreicht hätten, wenn sie massenmediale Aufmerksamkeit finden (Raschke 1988, S. 344f).

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  69. Vgl. della Porta, die die Verteidigung der gesellschaftlichen Ordnung gegen Gewalt und Gesetzlosigkeit als eine der Stereotypen bezeichnet, die häufig in der Protestberichterstattung anzufinden sind (Porta 1993, S. 14f.).

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  70. Vgl. Noelle-Neumann/Mathes (1987), die auf diesen Stereotyp der Protestberichterstattung hinweisen.

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  71. Jarren 1994a, S. 301; Jonscher 1991, S. 261f.. — Zum Muster der Berichterstattung gegenüber protestnahen Akteuren betonen sowohl Knoche/lindgens als auch Raschke eine besondere mediale Fokussierung der Berichterstattung, die auf eine Stabilisierung des Status quo abzielt (Knoche/lindgens 1988, S. 508; Raschke 1988, S. 344).

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  72. Rosengren bezieht seine Überlegungen jedoch überwiegend auf die Auslandsberichterstattung -ein Segment der Berichterstattung, bei dem — so meine Annahme — die Massenmedien aufgrund der internationalen Ereignisvielfalt wesentlich höheren Selektionsnotwendigkeiten ausgesetzt sind als bei der innenpolitischen Berichterstattung.

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  73. „Most news studies have been report oriented. In such studies it may be difficult to differentiate between bias inherent to reality and bias inherent in reporting“(Rosengren 1979, S. 33).

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  74. Die üblicherweise verwendeten Datentypen klassifiziert Rosengren als „intra media data“, denen er „extra media data“(medienexteme Vergleichsdaten) gegenüberstellt (vgl. Rosengren 1970).

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  75. Dies trifft zwar nicht für Streik- oder Kriminalstatistiken zu, die von Akteuren erstellt werden, die selbst mit hoher Aufmerksamkeit bestimmte Ereignisklassen beobachten. Bei themenspezifischen Ereignislisten oder Dokumentationen jedoch, die z. B. von Menschenrechtsorganisationen oder thematisch ausgerichteten Archiven erstellt werden, gehen häufig Presseauswertungen ein (vgl. Snyder/Kelly 1977, S. 114, 118).

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  76. Staab räumt derartige Möglichkeiten in Ausnahmefällen auch ein, bleibt jedoch insgesamt in einer philosophisch-theoretischen Polarisierung des Subjekt/Objekt-Verhältnisses hängen, in der Nicolas Hartmann als erkenntnistheoretische Autorität bemüht wird. Ereignisse bestünden nur durch das Subjekt, das diese als Ereignisse definiere (Staab 1990, S. 102). Sie wären daher „Jediglich Produkt spezifischer Interessen und Relevanzannahmen“(ebd.). Insgesamt wendet er dieses Argument in seiner wichtigen Untersuchung zur Nachrichtenwert-Theorie in eine Richtung, die „intra-media“-Ereignisdaten als adäquate Bezugsgröße deklariert. Daran anknüpfend bemüht er sich, dem Kausalmodell der Nachrichtenwert-Theorie (Ereignisse sind die Ursache für mediale Resonanz) ein Finalmodell an die Seite zu stellen, das mit Kepplingers Konzept der „instrumentellen Aktualisierung“harmoniert (Staab 1990a; Staab 1990: Kap. 2 und 5; Kepplin-ger/Brosius/Staab/Linke 1989). Im Gegensatz dazu überzeugt Staabs Feststellung, dass der Anspruch des Nachrichtenwert-Theorems, die selektive Medienresonanz für Ereignisse aller Art zu erklären, bisher nicht eingelöst wurde.

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  77. An diesem Punkt setzen auch McPhails neuere Arbeiten an, bei denen er mit seiner Forschungsgruppe versucht, durch teilnehmende Beobachtung systematisch Informationen (z. B. über die Vielfalt der Anliegen, die unterschiedlichen Slogans der teilnehmenden Gruppen) zu erheben, um anschließend die Ausgangsgröße für die Medienresonanz zu kennen (McPhail/ Schweingruber 1998).

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  78. Die ptolemäische Position umreißt Schulz mit zwei Prämissen und einer Funktionsbestimmung. Die erste, in der Medienforschung bedeutsame Annahme beruhe auf dem Gegensatz zwischen Massenmedien und Gesellschaft (Schulz 1989, S. 140). Medien seien ein Fremdkörper mit dem Potenzial, Individuen und soziale Gruppen zu manipulieren. Die zweite Annahme unterstelle, dass es die grundsätzliche Aufgabe der Medien (und insbesondere der Nachrichtenmedien) sei, Realität widerzuspiegeln (ders. 1989, S. 141f.). Die kopernikanische Position begreife dagegen Medien als „aktives Element im sozialen Prozeß“, die Stimuli und Ereignisse zu selektieren, zu verarbeiten und zu interpretieren hätten (ders. 1989, S. 142). Selektivität, Unausgewogenheit, Brechung und Bewertung seien erwünschte Funktionen von Kommunikation (ders. 1989, S. 142). Die dabei erfolgende „Realitätskonstruktion“speise sich aus zwei Quellen: den externen und den internen Informationen. Externe Informationen wären die Stimuli und Ereignisse aus der überschaubaren Umgebung des Information verarbeitenden Subjekts oder Systems. Interne Informationen sind die Erfahrungen und Verarbeitungsregeln, die im Information verarbeitenden System angelegt sind. „Aus der Interaktion von externer und interner Information resultiert die von den Medien konstruierte Wirklichkeit“(ebd.). Für Schulz zeigt sich die Überlegenheit der kopemikanischen Sichtweise letztendlich darin, dass zwischen Ideal und Wirklichkeit unterschieden und eine bestmögliche Annäherung an die ‘objektive Wirklichkeit’ durch eine Konkurrenz verschiedener Definitionen von Wirklichkeit erreicht werde (ders. 1989, S. 145f.) (Zur Bedeutung der Schulz’schen Positionsbestimmung in der Mediensoziologie siehe auch Marcinkowski 1994, S. 45ff.).

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  79. Dies behaupte ich wohlwissend, dass neuere Theorieströmungen diese Position bestreiten (z. B. der ‘linguistic tum’ in den sinnverstehenden Sozialwissenschaften). Meine Schwierigkeiten mit diesem neuen Paradigma bestehen jedoch darin, dass mir methodologisch überzeugende Arbeiten bisher nicht bekannt sind, die sich auf die latenten Tiefenstrukturen hinter den manifesten kulturellen Objektivationen wie Zeitungstexten beziehen (vgl. Streek 1991, S. 90 ff.; Bude 1991, S. 108f.).

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  80. Kepplinger 1988, S. 679. — So vertritt Kepplinger in diesem Zusammenhang die überraschende These, dass die Presse nach der extremen und weltweit feststellbaren radioaktiven Belastung durch den Atomunfall in Tschernobyl diesen dazu benutzt, um die vergleichsweise geringe Belastung zu skandalisieren, die von dem Hochtemperaturreaktor in Hamm/Westfalen ausging (Kepplinger 1988, S. 678). Als medienexterne Daten benutzt er in diesem Zusammenhang nationale Störfall-Statistiken (1977–1986) und eine Zeitreihe über die Messung der allgemeinen Radioaktivität in München für die Jahre 1955 bis 1986.

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  81. Siehe auch Funkhouser, der die Zahl der in Vietnam eingesetzten Soldaten mit der Medienresonanz vergleicht, die dieser Krieg fand (Funkhouser 1973).

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  82. Vgl. Staabs Kritik am Kausalmodell der Nachrichtenwert-Forschung (Staab 1990).

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  83. Auf die theoretische Unentschlossenheit innerhalb des Nachrichtenwert-Ansatzes weist Eilders hin, wenn sie die mangelnde Berücksichtigung der wahrnehmungspsychologischen Komponente in der Grundlegung der Nachrichtenwert-Theorie durch Galtung/Ruge betont (Eilders 1997, S. 19–72). Offensichtlich wurde in der einschlägigen Diskussion das theoretische Spannungsverhältnis, das Galtung/Ruge als „Zentralfiguren“der europäischen Nachrichtenwert-Diskussion, mit ihrer wahmehmungspsychologisch ausgerichteten Fragestellung anlegten. Dieses Spannungsverhältnis entstand dadurch, dass Galtung/Ruge den Rezipienten und somit das Subjekt theoretisch in das Nachrichtenwert-Konzept hereinholten, ohne hinreichend zu klären, in welchem Verhältnis diese Annahme zu Interpretationsansätzen der Nachrichtenwert-Forschung steht, die Ereignismerkmale als subjektunabhängige Größe zum modelltheoretischen Ausgangspunkt machen (z. B. Brosius/Eps 1993, S. 512). Da Makrovorstellungen vom subjektunabhängigen Ereignismerkmal genauso forschungsleitend sind wie Mikrovorstellungen von rezipierenden Subjekt, bleibt also eine allgemein-theoretische Erklärungslücke, die durch allgemeine Setzungen (wie Realität sei nicht repräsentativ abbildbar), nicht überwunden wird. Entsprechend lautet meine These, dass im Nachrichtenwert-Konzept Mikro- und Makrovorstellungen beim bisherigen Diskussionsstand zu stark changieren. Eine produktive theoretisch-konzeptionelle Bearbeitung dieses Spannungsverhältnis ses erscheint mir Voraussetzung dafür, um die Bedeutung von Nachrichtenmerkmalen sowie von politisch-kulturellen Maßstäben und Werten begründet ins Nachrichtenwert-Konzept zu integrieren.

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  84. Selbst Schulz wechselt in seinen Untersuchungen von 1976 und 1982 die Begrifflichkeiten für die Dimensionierung der Nachrichtenfaktoren (Schulz 1976, ders. 1982), Staab verzichtet vollkommen auf sie und andere Autoren wie Emmerich oder Wilking scheinen in dieser Frage mit Schulz nur schwer kompatibel (Emmerich 1984, Wilking 1990). Eine Darstellung der verwendeten Nachrichtenfaktoren und ihre Dimensionierung befinden sich in Tabelle A 3 im Anhang.

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  85. Bei diesen „images“unterscheidet Eilders zwischen dem „media image“und dem „personal image“(s. Abbildung A 2 im Anhang). Während das „media image“das Ereignisbild darstellt, das die Medien zeichnen, geht es beim „personal image“um das Bild von der Ereigniswirklichkeit, das sich bei den Rezipienten einstellt. Das „personal image“ist also das Ergebnis eines mehrstufigen Prozesses der Informationsverarbeitung, an dessen Ende der Rezipient steht. Der Rezipient baut sich das „personal image“, indem er Teile des „media image“von der Wirklichkeit als für ihn bedeutsam auswählt. Ein vergleichbarer Auswahlprozess hat bereits bei den Produzenten des Medienimages stattgefunden, also bei den Nachrichtenagenturen bzw. den Redaktionen der zwischengeschalteten Massenmedien. Nachrichtenfaktoren werden in der Eilders’schen Lesart des Nachrichtenwert-Konzepts nicht als berufsspezifische Selektionskritie-rien verstanden, sondern als kognitionspsychologisch erklärbare, allgemeinmenschliche Mechanismen der Informationsverarbeitung, denen auswählende Journalisten ebenso folgen wie auswählende Medienrezipienten.

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  86. Darunter verstehe ich die Entwicklung spezifischer Nachrichtenfaktoren-Kataloge, die entweder auf Ereignisklassen (wie z. B. Naturkatastrophen oder großtechnische Unfälle) oder sogar einzelne Ereignistypen (wie z. B. Streiks) abheben. Nach ihrer empirischen Überprüfung wäre zu bestimmen, in welchem Umfang die ereignisspezifischen Nachrichtenfaktoren auf andere Ereignisklassen übertragen werden können. Chermesh unternimmt auch einen Versuch in diese Richtung (Chermesh 1982). Allerdings benutzt er das Nachrichtenwert-Konzept lediglich dazu, um Hypothesen für seine Pfadanalyse zu formulieren. Insofern führt er keine Inhaltsanalyse von Nachrichtenfaktoren bei der Streik-Berichterstattung durch.

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  87. McPhail weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bisher kein systematisches Wissen über die Komposition dieser Klasse von politischen Zusammenkünften vorliegt (McPhail 1991, S. 179). Es fehlten rudimentäre Kriterien für die Beobachtung, den Vergleich und die Skalierung kurzzeitiger Menschenversammlungen in Begriffen, die die Folge von Verhaltenskomponenten analysieren.

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  88. Vgl. Raschke, der Protestaktionen als den „gut sichtbaren Teil sozialer Bewegungen“einstuft (Raschke 1988, S. 274).

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  89. Siehe Rucht/Neidhardt/Koopmans 1998a, S. 19; Lehmann-Wilzig/Ungar 1985, S. 65; Tilly et al. 1975, S. 16; kritisch dazu Mueller 1997.

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  90. Auf die Informationsquellen (Eigenrecherche, Agenturmeldungen), die der Protestberichterstattung zugrunde liegen, wird in den Kapiteln 5 und 6 genauer eingegangen.

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  91. Siehe Zusammenfassung in Rucht/Neidhardt/Koopmans 1998a und Rucht/Ohlemacher 1992.

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  92. Merten bietet eine Typologie der verschiedenen inhaltsanalytischen Verfahren an (Merten 1995, S. 123–279). Er fasst dabei sechs Haupt- mit insgesamt 20 Untergruppen zusammen, innerhalb derer erneut verschiedene Verfahren unterschieden werden.

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  93. Diese Orientierung auf die Situation beschreibt die Verschiebung des Fokus weg vom Rezi-pienten oder Kommunikator hin zur „Situation“. Unter Situation im engen Sinn versteht Merten Randbedingungen der Kommunikation, aus denen heraus Kommunikation bzw. das Senden einer Nachricht geschieht (Merten 1995, S. 252ff.). Da auch die Untersuchungen von Schulz in diesem Zusammenhang abgehandelt werden, zeigt sich, dass Merten gleichzeitig einen weiten Begriff von Situation berücksichtigt, der die Ereigniswirklichkeit integriert.

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  94. Nach Eigenschaften oder Kriterien, die Ereignisse haben bzw. haben müssen, um kommuniziert zu werden, fragt die strukturelle Inhaltsanalyse. Sie interessiert sich also für Ereignisse, die zum Gegenstand der Kommunikation zwischen Kommunikator und Rezipient wurden, klammert also die Ereignisse aus, die von der Kommunikation ausgeschlossen wurden.

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  95. Innerhalb der landesspezifischen Verwaltungsgliederung ist das Ordnungsamt eine Kreispolizeibehörde und Teil der nichtuniformierten Polizei. Das Ordnungsamt ist dabei gleichzeitig Teil der städtischen Verwaltung mit dem Oberbürgermeister als obersten Dienstherrn. Es ist u. a. verantwortlich für das Einwohner-Meldewesen, das Waffenrecht und die Lebensmittelkontrolle. Die Anmeldung von „politischen Versammlungen unter freiem Himmel“bei gleichzeitiger Wahrung der öffentlichen Sicherheit kann als eine von mehreren zentralen Aufgaben des Amtes charakterisiert werden. Dabei gilt es für das Ordnungsamt, einen Kompromiss zu finden zwischen verkehrstechnischen und privaten (d. h. besonders ökonomischen) Interessen sowie dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Die rechtspolitisch brisante Aufgabe besteht dabei darin, das Versammlungsrecht zu sichern, und nicht darin, politische Versammlungen (wie z. B. Demonstrationen) zu „genehmigen“oder zu „verbieten“, auch wenn die Behörde durch den gewählten und parteigebundenen Oberbürgermeister mit der poütischen Elite verknüpft ist (Be-ckord 1993; Dietel/Gintzel/Kniesel 1991; Zeitler 1998).

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  96. Diese „Versammlungsleiter“sind nicht jedem Fall die „Köpfe“der Protestgruppe. Häufig sind es Personen, die mit dem Bewegungssektor eng verbunden sind und Erfahrung in den bürokratischen Prozeduren besitzen. Wie Interviews mit Polizisten ergaben, ist auf Seiten der Protestträger von einer zunehmenden Professionalisierung dieser Rolle auszugehen.

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  97. In anderen Bundesländern ist sie häufig dem Polizeipräsidenten und nicht dem Bürgermeister unterstellt (z. B. in Nordrhein-Westfalen). Im Stadtstaat Berlin gehört sie zum Staatsschutz, der in das Landeskriminalamt integriert ist, dem wiederum der Berliner Polizeipräsident vorsteht.

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  98. Der Erhebungszeitraum, der die Jahre 1983 bis 1989 umfasst, ergab sich durch die Einführung des polizeilichen Findbuches 1983 in Freiburg und die zeitliche Begrenzung des PRODAT-Kernprojektes, das in der beantragten Version mit dem Jahr 1989 die Protestdokumentation abschließen sollte.

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  99. Zur Abgrenzung der empirischen von der logischen Validität siehe Rucht/Ohlemacher 1992, S. 78f..

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  100. McCarthy et al. bezeichnen bereits die Anmeldungen von Demonstrationen als „objektive Datenbasis“(McCarthy/McPhail/Smith 1996b, S. 482). So weit würde ich zwar nicht gehen, da die Objektivitätsannahme an dieser Stelle bedeutet, dass die Sicherheitskräfte mit der Darstellung des einzelnen Protestgeschehens und ihrer damit verknüpften Arbeit keine Interessen verfolgten. Aus meiner Sicht kann bei derartigen Aktenablagen zumindest immer das Interesse der Selbstlegitimation unterstellt werden. Allerdings zeichnen sich die Beschreibungen des aus den Freiburger Akten ablesbaren Polizeihandelns durch ein erstaunliches Maß an Zurückhaltung und Nüchternheit aus. Es waren keine Hinweise darauf zu entdecken, dass Protest entweder vermieden werden sollte, wie Olien et al. (1992, S. 151) annehmen, oder stark verzerrt abgebildet wurde. Die zweite Beobachtung der Autorengruppe um Olien, Sicherheitsbehörden hätten als Organe sozialer Kontrolle ein Interesse daran, Protesten das Dramatische zu nehmen, kann in gewissen Grenzen bestätigt werden (ebd.); praktisch wurde dieses Interesse z. B. bei Verhandlungen um die Demonstrationsroute, Gegendemonstrationen oder bei nicht genehmigten Verkehrsblockaden. Auf die Erfassung basaler Informationen zum Ablauf eines PEs, seinem Ereignisbeginn oder dem Anliegen der Protestierenden hatte dies aber, so meine Beobachtung, nur geringen Einfluss.

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  101. McCarthy et al. sprechen in diesem Zusammenhang von der Entwicklung der Polizei hin zu einer Organisation, die angesichts von Protestaktionen ein modernes „public order management system“entwickelt hat (McCarthy/McPhail/Crist 1999; McPhail/Schweingruber/McCarthy 1998). Für Frankreich und Großbritannien liegen erste Untersuchungen vor, die diesen Profes-sionalisierungstrend bestätigen (Waddington 1998; Fillieule/Jobard 1998). Der Eindruck, den die Freiburger Polizeiunterlagen erweckten, stärkte diese Beobachtung ebenfalls. Hinweise auf die Gängelung von Protesten durch Ordnungsämter und Polizei, wie sie für die Ostermärsche der frühen 60er Jahre beschrieben werden (Otto 1977, S. 128), waren den untersuchten Quellen nicht zu entnehmen. Damals wurden z. B. Sprechchöre und Gesang verboten, Demonstrationsrouten in Innenstädten nicht genehmigt oder ausländischen Delegationen die Einreise verweigert. Winter begreift in seiner Studie zu bundesdeutschem Polizeihandeln der 80er Jahre dieses als Entwicklungsstadium, in dem die Rolle der Polizei als Garant öffentlicher Ordnung in jeder Situation zutritt, das staatliche Gewaltmonopol aber aufrechterhalten wird. Gleichzeitig ist dieses Polizeihandeln jedoch auch durch eindeutige Orientierungen auf innergesellschaftliche Deeskalation geprägt, die eine Durchsetzung des Gewaltmonopols nicht in jeder Situation als oberstes Prinzip betrachten; seine Formel dafür lautet „deescalative power“(Winter 1998).

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  102. Bei der ersten Vergleichsmessung wurden zwei Dokumentationen des „Archivs Soziale Bewegungen in Baden“hinzugezogen, die das lokale Protestgeschehen der Region auswerten und das erste Halbjahr 1988 abdecken (Archiv Soziale Bewegungen). Die Auswertung zeigte hier, dass von der Gesamtheit aller in beiden Dokumentationen erfassten Proteste nur 4,4% exklusiv in der Dokumentation des Archivs verzeichnet wurden. Von den insgesamt 23 Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen und Blockaden des ersten Halbjahres 1988, die nicht der Hausbesetzer-Bewegung zuzuschlagen waren, wurde nur ein PE exklusiv über die Dokumentation des Archivs erfasst. Es handelte sich dabei um eine Studentendemonstration im Mai 1988. Der Anteil der Proteste, der also exklusiv in den Akten des Ordnungsamtes dokumentiert wurde, betrug dagegen 39,1% Eine zweite Vergleichsmessung wurde durch die Auswertung der Proteste möglich, die in der Lokalpresse berichtet wurden. In den sieben ausgewerteten Jahren wurde eine geringe, aber insgesamt zu vernachlässigende Zahl an Protesten ermittelt, die in der Lokalpresse zwar berichtet wurden, in den Basisdaten jedoch nicht auftauchten. Bei 6,2% dieser zwischen 1983 bis 1989 erfassten Proteste der ausgewählten vier Aktionsformen fand sich kein Pendant in den Polizeidaten. Bei der Sichtung dieser Proteste ohne Pendant in den Polizeidaten zeigte sich, dass sie zu einem erheblichen Abteil durch „ungewöhnliche“Aktionsformen auszeichneten. Bei der Aufnahme in die Freiburg-Datenbank war die Bestimmung der Aktionsform des Protestes zentral. Bei sechs dieser dreizehn Proteste, die exklusiv in der Lokalpresse berichtet wurden, war dies der Fall (wie z. B. eine „politische Wanderung“gegen Arbeitslosigkeit 1988). Diese Aktionsform entspricht zwar den Kriterien der PRODAT-Datenerhebung, offensichtlich fand sie jedoch keine ausreichende versammlungsrechtliche Würdigung im Findbuch des Ordnungsamtes. Dadurch senkte sich der exklusiv berichtete Anteil der Proteste auf 3,4% und lag damit ähnlich niedrig wie bei der Dokumentation des Archivs Soziale Bewegungen in Baden.

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  103. Siehe auch Hocke 1998, S. 143.

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  104. Dies ist bedauerlich, da es sich bei den Hausbesetzungen und den sie tragenden Akteuren um ein lokal bedeutsames Protestsegment handelt. Allein bei den Konflikten um Wohnen, die überwiegend mit Hausbesetzungen verknüpft sind, werden von Dackweiler et al. in den Jahren 1973 bis 1979 insgesamt 38 PEs (6,3 PE/a), 1980/81 50 PEs (25 PE/a) und 1982 bis 1989 33 PEs (4,1 PE/a) gezählt (Dackweiler et al. 1990, S. 33; vgl. Roth 1994a, S. 420; Manrique 1992, S. 69–71).

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  105. Unter risikoarmen Aktionsformen werden in PRODAT Unterschriftensammlungen, Petitionen oder Flugblatt-Aktionen verstanden. Sie werden durch die rechtliche Rahmung politischer Partizipation abgedeckt und sind — vom einzelnen Teilnehmer aus betrachtet — ohne größeren Aufwand durchzuführen. Das Risiko finanziell oder physisch belangt zu werden, ist so gut wie nicht vorhanden. Bei Kundgebungen, Mahnwachen oder Demonstrationen, sind derartigen Sanktionen nicht auszuschließen. Es muss in gewissen Grenzen mit dem Auftreten von Gegendemonstranten oder einer Eskalation der Handlungen durch die Interaktion mit Sicherheitskräften gerechnet werden. Bei Blockaden wird diese wahrscheinliche Eskalation bewusst ins Handlungskalkül einbezogen. Sanktionen und Belastungen auf deutlich höherem Niveau drohen bei den risikoreichen Aktionsformen Anschlag, Klage und Attentat. Während bei Klagen die häufig sehr hohen Prozesskosten als Risikofaktor betrachtet werden, sind es bei Anschlägen oder Attentaten die drohenden strafrechtlichen Konsequenzen (zur Anordnung der Aktionsformen nach Risikoniveau siehe Rucht/Hocke/Ohlemacher 1992, S. 46f., S. 84). Die präzise Bestimmung der verschiedenen Aktionsformen wurde in der Protestereignis-Analyse noch nicht näher ausgeführt.

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  106. Ausgangspunkt waren dabei die Informationen, die im Polizeitelex den Verlauf des PEs beschrieben.

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  107. Ebd. — Von der Mahnwache wird die „picket line“unterschieden, die in der bundesdeutschen Protestkultur weitaus seltener anzutreffen ist als in den USA: „The picket involves (...) persons carrying placards stating a protest or principle. Picketers stand, or walk single file (but sometimes two or three abreast) in a elliptical path“(McPhail 1991, S. 181).

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  108. Zu Demonstrationsmärschen (als engem Begriff von Demonstration) finden sich bisher nur wenig nähere Ausführungen. In Anlehnung an McPhail und Raschke werden in der PRODAT-Lokalstudie unter Demonstrationen Märsche und Umzüge verstanden, die durch einen Ver-sammlungsprozess eingeleitet werden (McPhail 1991, insbesondere 175–184; Raschke 1988: Kap. 10, insbesondere 288 und 325). Der sich dabei häufig erst konstituierende kollektive Akteur bewegt sich von diesem Versammlungspunkt A zum Punkt B. Diese „primäre Aktionsform“des Bewegens von A nach B kann für sich allein stattfinden, wird jedoch in vielen Fällen durch unterschiedlichste „sekundäre Aktionsformen“(wie Kundgebungen, kulturelle Darbietungen, aber auch Formen zivilen Ungehorsams) ergänzt. Abhängig von der Ausgestaltung dieser sekundären Aktionsformen kann eine Demonstration auf der Risikoskala sowohl als advo-katorisch, nonkooperativ als auch intervenierend eingestuft werden (s. o.).

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  109. Siehe Dietel et al. 1994, S. 46–18.

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  110. „The familar sit-down blocks pedestrian or vehicular traffic or otherwise obstructs routine movements in a thoroughfare, entryway, or place of business“(McPhail 1991, S. 181f.).

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  111. Fillieule vermerkt allgemein, dass Studien mit Polizeiquellen bisher nur selten anzutreffen sind (Filiieule 1996, S. 12). Allerdings würden Informationen wie das Statt- oder Nicht-Stattfinden eines PEs dagegen besonders in räumlich eingegrenzten Zonen mit hoher Kontinuität gesammelt (ders. 1996, S.8f.).

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  112. PEs, die exklusiv bei den Qualitätszeitungen auf Lokal- und Regionalseiten auftraten, entfielen ebenso wie die auf den Seiten „Wirtschaft“, „Kultur“, „Sport“und „Wissenschaft“. Bei der Badischen Zeitung wurden die Titelseite, die Landes- und die Landkreisseite nicht ausgewertet, obwohl auf ihnen Berichterstattung über PEs vermutet werden könnte, die auf Freiburger Stadtgebiet stattgefunden hatten. Stichproben bei der Badischen Zeitung zeigten, dass die Berichterstattung zu PEs, die im Stadtgebiet Freiburg stattfanden, nie exklusiv im überregionalen Teil (Seite 1 und „Landesumschau“) abgedruckt wurde.

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  113. Diese Stichprobe fußt auf den Erfahrungen der Protestereignis-Analysen Hanspeter Kriesis und der PRODAT-internen Vorstudie. Da in der Bundesrepublik im Regelfall Tageszeitungen keine Sonntagsausgaben veröffentlichen, ermöglichte die Vollerhebung aller Montagsausgaben, sich ein Bild über die PEs des gesamten vorausgehenden Wochenendes zu machen (Rucht/Neid-hardt 1998, S. 79). Im Effekt bedeutet dies, dass durch die Wahl der Montagsausgabe die aktuelle Berichterstattung über zwei Kalendertage ausgewertet wurde, während es bei jeder Ausgabe, die an einem anderen Tag erscheint, jeweils nur ein Tag war. Da gleichzeitig bestimmte Protestförmen (wie z. B. Arbeitnehmerproteste) selten am Wochenende stattfinden, war ihre Berichterstattung in der Montagsausgabe unwahrscheinlich. Dies und der Umstand, dass auch die „mittelbaren Reaktionen“auf einzelne PEs im medialen Diskurs beobachtet werden sollten, führte dazu, sich nicht allein auf Montagsausgaben bzw. Wochenend-PEs zu stützen. Entsprechend wurde eine kombinierte Sampling-Strategie angewendet, bei der neben den Montagsausgaben zusätzlich in jeder vierten Woche die Ausgaben Dienstag bis einschließlich Samstag ausgewertet wurden. — Detailliertere Angaben zur Stichprobe finden sich Kap. 10.2 im Methodischen Anhang.

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  114. Auf die Berücksichtigung der Berichterstattung durch elektronische Medien (wie durch den bewegungsnahen Freiburger Rundfunksender „Radio Dreyeckland“) und alternative Printmedien (wie das lokale Stadtmagazin), wurde verzichtet, obwohl beide sicherlich dem lokalen Protestgeschehen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit zollten (s. dazu auch Kap. 3.2). Das lokale Pressemonopol, das die Badische Zeitung in Freiburg besitzt, führte zwar einerseits dazu, dass die redaktionelle Linie der gewählten Zeitung auf lokaler Ebene mediendaten-intern nicht kontrolliert werden konnte. Andererseits ist davon auszugehen, dass die Einhaltung professioneller Standards nicht durch Konkurrenzverhalten beeinflusst wurde. D. h. die kollektiven journalistischen Auswahlmuster, die das Nachrichtenwert-Konzept annimmt, dürften aller Wahrscheinlichkeit nach nicht durch ökonomische Zwänge aus Konkurrenzgründen gestört worden sein. Gleichzeitig wurde es durch die Einschränkung auf ein lokales Printmedium möglich, mehr Ressourcen in die aufwendige Erhebung der medienexternen Daten zu investieren und sie so über einen sieben — und nicht nur einen ein- oder zweijährigen — Erhebungszeitraum zu sammeln.

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Hocke, P. (2002). Formen der Medienselektivität — Entwicklung einer theoriegeleiteten Fragestellung. In: Massenmedien und lokaler Protest. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89844-9_2

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