Zivilreligion als politisches Drama

Zusammenfassung

Die mediale Erlebnisgesellschaft der 90er Jahre ist geprägt durch eine eigentümliche Implosion von Politik und Entertainment, politischer Kultur und populärer Medienkultur. Hatte der frühere Sportreporter und Schauspieler Ronald Reagan, der sich in seiner politischen Rhetorik auch gern populärkultureller Muster bediente, schon in den 80er Jahren die Annäherung zwischen Polit- und Showbusineß im Weißen Haus verkörpert, so wurde die Kampagne zu den Präsidentschaftswahlen 1992 von vielen Beobachtern als endgültiger Vollzug eines grundsätzlichen Wandels der politischen Kommunikation in den USA gesehen (vgl. dazu u.a Powers 1994, Diamond/Silverman 1995, Fiske 1996 und Dörner 1997). An die Stelle des Arguments in der politischen Debatte ist das impression management in der Talk Show gerückt, an die Stelle der Nachrichten das Infotainment. Die ‘klassischen’ Gattungen der Politikvermittlung wie Zeitungskommentare, Fernsehnachrichten und politische Magazine haben an Bedeutung stark eingebüßt. Bill Clinton sammelte seine Wählerstimmen im Musikfernsehen MTV, bei seinen Fernsehauftritten als Saxophonspieler und mit Hilfe der Unterstützung durch zahlreiche populäre Show-größen. George Bush und Dan Quayle hingegen versuchten mit Attacken gegen die “linke Hollywood-Elite” und gegen subversiv erscheinende Fernsehserien wie die Simpsons und Murphy Brown, Zustimmung im rechten Wählerspektrum zu gewinnen.