Zusammenfassung
In einer Zusammenführung der Perspektiven aus Kapitel II. 1 und Kapitel II.2 wird im folgenden von instrumentierter Wissensorganisation gesprochen, wenn eine Organisation als Institution des Wissens ihr Wissen durch effektive Koordinationsformen zu organisieren in der Lage ist, also durch Instrumente, die problemadäquat selegiert und mit dem anvisierten Wissen in ein resonantes Verhältnis gebracht werden können.1 Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen zu einem konzeptuellen Bezugsrahmen instrumentierter Wissensorganisation ist die Annahme, daß die Organisation von Wissen in der Praxis bestimmten Präliminarien unterliegt, welche die Formulierung von Umständen erfordern, unter denen ein Einsatz von Instrumenten als möglich oder zweckdienlich gedacht werden kann. Eine für den konzeptuellen Bezugsrahmen fundamentale Unterscheidung betrifft hinsichtlich der Instrumente eine Trennung von Aktivitäten und Aufgaben der Wissensorganisation von den Umständen, unter denen diese Aufgaben und Aktivitäten als sinnvoll konzeptualisiert werden können. Erstere sind mit den in den Kapiteln II.2.1 bis II.2.1.3 diskutierten Aufgaben eines Wissensmanagements gleichzusetzen, während letztere hier als Metakriterien der instrumentierten Wissensorganisation formuliert werden sollen.2
Gute Antworten sind im Grunde eine Neuformulierung der Frage, mit welcher der Fragesteller einverstanden ist.
Humberto Maturana
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Eine ausführliche Erläuterung des Resonanzbegriffes wird in Kap. III.2.1.1 vorgenommen.
Diese werden im konzeptuellen Bezugsrahmen als Brücken zwischen Steuerungsillusion (vgl. Kap. II.2.1.3) und systemischem Pessimismus (vgl. illustrativ Kap. III 1.2.2) verstehbar.
Der Sinn eines konzeptuellen Bezugsrahmens ist die “Selbstreflexion und Moderation eines Dialoges unter den Beteiligten, die ihre eigene Sicht von Zielvorstellungen, Ist-Situation und Rahmenbedingungen einer Zielrealisation im Dialog einbringen” (Bleicher 1992: 57).
Siehe Romhardt (1998: 78f.).
Daß standessen vielerorts die Funktionslogik ‘Kaufe Datenbank — erhalte besseres Wissen’ oder etwa ‘Entwickle Wissenslandkarte — schaffe Transparenz’ dominiert, zeigte bereits die Diskussion in Kap. II.2.1.3.
Daß es sich bei den theoretischen Grundlagen hier mehr um Fragmente bestehender Theorien als um eine monoüthische Fundierung handelt, liegt an der mangelnden Verfügbarkeit einer entsprechenden Theorie wissensorientierter Intervention, an deren Stelle im folgenden ein heuristisch entworfener konzeptueller Bezugsrahmen gesetzt wird.
Vgl. auch Kap. II.2.1.2.3.
Vgl. zur organisierten Komplexität als Normalfall der Konstitution sozialer Systeme Weaver (1978: 44f.; zit. II. Willke 1996a: 68).
Diese verkürzte Darstellung interventionsrelevanter Eigenschaften von Organisationen aus Perspektive der neueren soziologischen Systemtheorie ist in extenso bei Willke (1984, 1995a, 1996a, 1998b), Mingers (1995: 27ff.), kürzer bei Luhmann/Fuchs (1997), König/Volmer (1993), Groth (1996) und Wimmer (1992) zu finden.
Vgl. Willke (1996a: 212ff.), der je nach Durchschaubarkeit des zu intervenierenden Systems zwischen White-, Grey- und Black-Box-Interventionen unterscheidet, verweist gleichzeitig auf die relative Handlungsnähe der auszuwählenden Interventionsform, die mit steigender Intransparenz abnimmt. Die hier vorgenommene Einstufung von Wissens-Intervention ergibt sich allein schon aus der Kennzeichnung eines erheblichen Anteils handlungsrelevanten Wissens als implizites Wissen (vgl. Kap. II.1).
Siehe hierzu auch die Unterscheidung von core set knowledge structures vs. peripheral knowledge structures von Lyles/Schwenk (1992). Während erstere in Anlehnung an Abelsons (1981) Metaskript-Konzept abstraktes, weitreichend geteiltes Wissen beschreiben, welches letztlich der Legitimation der Existenz der Organisation dient, ist letzteres nichtkonsensuelles Wissen, beispielsweise über diskursiv verhandelbare Interpretationsmögüchkeiten der Umwelt. Erstere sind relativ stabil und damit als in-terventionsresistent interpretierbar, letztere dagegen sind — da in steter diskursiver Aushandlung begriffen — instabiler und leichter zu verflüssigen (Lyles/Schwenk 1992: 169ff.). Wissen des ersten, ‘tieferliegenden’ Typs ist wegen seiner Konstruktionsleistung für die Organisation nur schwer intentional veränderbar (grundlegend: Kelly 1955).
Zum Konzept der Kontextsteuerung siehe grundsätzlich Teubner/Willke (1994) oder Willke (1989: 16): “Ich meine damit nichts anderes, als daß ein steuernder Eingriff in ein System nicht von außen in das System intervenieren kann, denn ein System ist eben eigengesetzlich, daß heißt autonom, eigendy-narnisch. Von außen her kann ich diese Dynamik nicht verändern. Alles, was ich bewirken kann ist eine Veränderung der Rahmenbedingungen des Systems, der Kontextbedingungen, welche sich dann auf die Funktionsweise des System auswirken, wenn diese selbst nur auf die Veränderungen seines Kontextes reagiert. Steuerung ist dann Anregung zur Selbststeuerung”.
Daß das intervenierte System für den Akteur intransparent erscheint, wird ihn in der Praxis nicht davon abhalten, direkt zu intervenieren. Entsprechend sieht Garrat (1995) eine erhebliche Persistenz der Vorstellung, wie Steuerung in ‘echten Organisationen’ zu funktionieren hat, nämlich gemäß der Feststellungen Taylors, die Ford in die Praxis umsetzte. Willkes typologisierte Konfundierung von Intrans-parenz des Zielsystems und wünschenswerter Indirektheit von Intervention wird jedoch anhand der vielfältigen empirischen Berichte, etwa zum “Trümmerhaufen” der Steuerungsversuche (Willke 1995: 1) im Bereich des Reengineering in der Praxis nachvollziehbar (vgl. stellvertretend für viele die empirisch gut fundierte Analyse von Maisberger 1996).
Vgl. Kap. II.2, wo die notwendigerweise fremdreferentielle Perspektive eines Gestaltens von Wissen bereits herausgestellt wurde.
Eine weitere zu thematisierende Prämisse ist diesbezüglich die Außerachtlassung bereits bestehender Instrumente innerhalb der Organisation, die hier als Bestandteil selbstreferentieller Regelungssysteme gesehen werden.
Vgl. zur Nützlichkeit “spezifischer systemrelevanter und systemrelativer Expertise” für die Klärung praktischer Fragen wie etwa der organisational Kernkompetenzbestimmung Willke (1998b: 68).
Übersichtliche Abrisse zur Ideengeschichte der Organisationsberatung liefern Mingers (1995: 18ff.), Groth (1996: 30ff.), König/Volmer (1993: 11 ff.) und in Verbindung mit einer zwischen Expertengutachten und der systemischen Beratung hegenden Typologie von Beratungskonzeptionen Exner et al. (1987: 280ff.). Siehe auch Heideloffs (1998b: 5ff.) illustrativen Überblick zur Geschichte der Machbarkeit in der Managementlehre. Die wortreiche Auseinandersetzung um den systemischen Beratungsansatz reflektieren z.B. Häfele (1990); Boos (1990); Königswieser et al. (1995); Willke (1992, 1996a); Luhmann (1992a); Königswieser/Lutz (1992); Fatzer/Eck (1990); Groth (1996); Luhmann/Fuchs (1997: 212ff.); für den englischsprachigen Raum u.a. MacCalman/Paton (1992); Flood/Jackson (1992b). Groth (1996: 21) verweist nachdrücklich darauf, daß es die systemische Beratungspraxis nicht gibt, sondern lediglich “diverse Berater und Wissenschaftler, die mit unterschiedlich ausgeprägten systemischen Ansätzen operieren”.
Weitere Abgrenzungsmerkmale gegen die klassisch-mechanistischen Beratungsansätze sind Prozessorientiertheit, Symmetrisierung der Beziehung von Klient und Berater sowie die unbedingte Partizipation Betroffener im systemischen Beratungsansatz (Wimmer/Oswald 1987; Exner et al. 1987).
Daß (auch) der systemische Berater nicht umhin kommt, als Ansatzpunkt dabei immer das individuelle oder Gruppenbewußtsein wählen zu müssen, betont Wimmer (1992: 8): “Obwohl wir es in der Beratung mit hochkomplexen sozialen Systemen zu tun haben, kommunizieren wir bei dieser Arbeit in erster Linie mit Personen und Gruppen. Wir können uns ausschließlich über das ‘Nadelöhr des individuellen Bewußtseins’ mit Organisationen in Beziehung setzen und, vermittelt über dieses Nadelöhr, Wirkungen auslösen”. Dies wird in den folgenden Kapiteln im Hinblick auf die (notwendige) Kontextualität von Intervention im Rahmen der instrumentierten Wissensorganisation diskutiert.
Zu einer fundierten Kritik an der systemischen Organisationsberatung siehe Kommescher/Witschi (1992): “Systemisch” wird hier als in der Beratungspraxis nicht klar definierbares Modewort charakterisiert. Chancen systemischer Beratung sehen die Autoren vor allem in der Offenlegung von Widersprüchen, Wirklichkeiten und Beziehungen, dem respektvollen Herantasten an die Verhaltensweisen der Menschen und dem Aufbrechen rigider Handlungsmuster. Systemische Beratung sei aber kein Ersatz für Expertisen und Fachberatungen. Sie sei in Katastrophenfällen ungeeignet, werde als kalt und distanziert empfunden und setze große Beratungskompetenz voraus.
Die Dysfunktionalitäten der instrumentierten Wissensorganisation befinden sich in Kap. III. 1.2.3.
Vgl. zur Generierung von Resonanz zwischen Intervention und System als Zielvorstellung systemadäquater Intervention Willke (1992, 1996a, insbes.: 89ff.). Ein Interventionsinstrument erzeugt Resonanz in der Organisation, wenn es ihm gelingt, “das zu verändernde System in Distanz zu seiner eigenen Selbstbeschreibung [zu bewegen, H.R.]. Diese Distanz ist Grundlage für Verstehen, für die Denkmöglichkeit von alternativen Optionen und mithin für Veränderung” (Willke 1992: 37). Voraussetzung ist dafür, daß Interventionen in komplexe Systeme [...] darauf angewiesen [sind, H.R.], in den ‘terms’ des behandelten Systems formulierbar zu sein und formuliert zu werden, (ebd. 1996a: 90). Willke (1996a: 88) sieht es daher als selbstverständlich an, daß “[Interventionsstrategien, H.R.] nicht aus der Sicht des Beobachters, sondern aus der Sicht des Systems entworfen werden [sollten, H.R.]”. Siehe ausführlicher hierzu Kap. III.2.1.1.
Hierbei handelt es sich um das Unglück von Mann Gulch, bei dem 13 Feuerwehrleute umkamen.
Hierbei handelt es sich um das Unglück von South Canyon, bei dem 14 Feuerwehrleute umkamen.
Weick (1996a) bezieht sich hier auf den Artikel von Putnam (1995).
Als weitere Beispiele nennt Weick (1996a: 301) die Befehlsverweigerung von Marinesoldaten, bei sinkenden Schiffen vor dem Sprung ins Schlauchboot die stahlbewehrten Arbeitsschuhe auszuziehen, so daß sie entweder die Boote durchlöchern oder ertrinken. Außerdem die Unfähigkeit von Piloten in Kampfjets, im Falle eines drohenden Absturzes den überlebensnotwendigen Schleudersitz zu betätigen, um möglichst lange im “cocoon of oxygen” des Cockpits bleiben zu können.
Siehe zum Begriff des Regelsystems in bezug auf die Geschlossenheit sozialer Systeme Willke (1996a: 155).
Solche Blindheit ist Normalfall der Realitätskonstruktion durch Instrumente. Hierfür liefert Wehner im Zusammenhang mit dem Wissensrepräsentationsproblem der Künstlichen Intelligenz (1995: 246; vgl. Kap. II.2.1.2.1) ein eindrucksvolles Beispiel. Mit Wahl der Erhebungs- und Repräsentationstechniken wird die Frage nach den Eigenschaften eines Experten, die als Wissen erscheinen bzw. welches Wissen als explizierbar und repräsentierbar gelten kann, vor-entschieden. Die Wissensdarstellung bekommt einen erheblichen Anteil an der “Produktion” impüziten, nicht repräsentierbaren Wissens. So erweist Wehner implizites Wissen als repräsentationstechnisch erzeugten Effekt (ebd. 1995: 26C).
Vgl. für die Organisationstheorie auch Heideloff (1998b: 76), der zum Instrumentproblem in Innovationskontexten feststellt: “Eine einseitige Fixierung darauf, daß im instrumentell. Unterstützbaren das Problem liegt, verstellt den Blick auf ganze Problemzusammenhänge”.
Arbnor/Bjerke (1997: 9) beschreiben einen ähnlichen Zyklus für die problemorientierte Auswahl von Methoden: “But how is it possible to choose good methods when everything appears to depend on anythings else? It seems like a circular discussion to claim that methods depend on problems, which depend on ultimate presumtions, which depend on methods (or vice versa!).”
Weick (1996a: 308) formuliert für die Feuerwehrleute in der obigen Geschichte: “Tools and identities form a unity without seams or separable elements”.
Daher verwundert es kaum, dali Richter (1994: 31) für die instrumentelastige Organisationsentwicklung mit Blick auf die einhergehende Normativität vor einer “ Instrumentokratie” warnt. Kritik an der Verknüpfung des Instrumentbegriffs mit einem unreflektierten Machertum üben Klimecki et al. (1991: 46). Vgl. für die entsprechende ‘Instrumentschelte’ der Organisationstheorie Weick (1995: 59f.): “Accuracy is defined by instrumentality. [...] Accurate perceptions have the power to immobilize”.
Vgl. etwa die Titel bzw. Theoriekapitelüberschriften (in) der Publikation von Romhardt (1998), Roehl/Romhardt (1997), Kleinhans (1989) und Mingers (1995: 118).
Vgl. hierzu u.a. die vier Funktionen von Organisationszielen bei Porter et al. (1975: 78f.): 1) Stiftung von Handlungsanleitung und Motivation, 2) Rechtfertigung von Handlungen gegenüber Dritten, 3) Bildung eines Maßstabes zur Leistungsbeurteilung und 4) Transport von Informationen über den Zweck der Organisation an Organisationsmitglieder und Nichtmitglieder.
Aus der Sicht von Probst et al. (1997: 64) erfüllen Ziele darüber hinaus den Zweck einer Konkretisierung Organisationalen Lernens. Eine Umsetzung des positiv konnotierten Veränderungswillens wird erst durch konkrete Zielsetzungen möglich.
Etwa nach der Maßgabe: “Fördern Sie intensive Kommunikation” (Probst et al. 1997: 72; aus dem Leitbild des Konzerns 3M).
Im praxisorientierten Konzept des ILOI (1997) etwa ist entsprechend von einem Soll-Wissensprofil die Rede.
Für Romhardt (1998: 70ff.) sind Wissensziele unter die betriebswirtschaftliche Zielforschung, insbesondere unter die Ansätze des St. Galler Management-Konzeptes sensu Gomez/Zimmermann (1993) und Bleicher (1992) zu gruppieren.
Siehe hierzu die pointierte Arbeit von Mintzberg (1994).
Die Kritiken am klassischen Zielbegriff strategischer Planung sind breit gestreut (z. B. Weick 1995a; Mintzberg 1994; Luhmann 1990b, 1994; Schreyögg 1998).
Einen Katalog von Leitunterscheidungen zur problemorientierten Verortung von Interventionen (mit Ausprägungen wie beispielsweise Beziehungsdynamik, Kernkompetenzen, Organisationsstrukturen u.a.) liefert Willke (1996a: 210). Diese qualifizieren den intervenierenden Akteur, zwei Leitfragen zu stellen: “Wie definiere und wo lokalisiere ich das Problem, um das es geht?” und “Worauf, in welchen Bereich, zielt meine Intervention in erster Linie?” Obwohl hiermit die Beobachterabhängigkeit der Problemdefinition natürlich nicht ausgeräumt werden kann, gewährleisten die Leitfragen eine erste Systematisierung in einer “normalerweise hochkomplexen und undurchsichtigen Situation”.
Aus der Mehrzahl der Konzepte zu Wissenslücken (vgl. Kap. II. 1) folgt unmittelbar nach der Identifikation derselben die Formulierung eines Wissensbedarfes. Dieser kann als Wissensziel interpretiert werden. Wie im nächsten Kapitel ausführlich dargelegt wird, ist die Formulierung von Wissenszielen besonders für Experten ein Problem (Starbuck 1992).
Dafür daß Organisationen nicht Ziele realisierende, sondern Ziele suchende Entitäten sind, argumentierten bereits 1976 March/Olsen.
Die Bedeutung von Dysfunktionalitäten für die Wissensdebatte ist ambivalent einzuschätzen. Während die Frage innerhalb der praktisch inspirierten Diskussion des Wissensmanagements bisher — ähnlich dem Change Management (Wiegand 1996: 77) — eher unterbelichtet scheint (Willke 1998b: 79, der den Aspekt hier als “häufig unterschlagen” einschätzt), hat die Forschung zu Dysfunktionalitäten in Organisationstheorie und Sozialwissenschaften eine lange Tradition: “Erstaunlicherweise hat in den Sozialwissenschaften das Nachdenken über Formen des Mißmanagements von Wissen eine stärkere Tradition als die Erarbeitung konstruktiver Ideen über Wissensmanagement” (Willke 1995: 332).
Der Barrierenbegriff selbst ist als eindimensionale Metapher zu kritisieren, der zufolge ein gerichteter Kraftaufwand von einer Gegenkraft behindert wird, ohne die jeweilig multikausalen Vernetzungen beider Anteile des Problems im Sinnbild aufzuzeigen. Das gleiche gilt für den Begriff der Lernpathologien (zuerst Wilensky 1967), die suggerieren, es gebe neben den ‘gesunden’ Entwicklungen einer Organisation auch ‘krankhafte’, “pathologische Verlaufsformen organisatorischer Lernprozesse” (Schüppel 1996: 37, 106). Die allegorische Gleichsetzung von Organisation und krankem Organismus kritisieren auch Schreyögg/Noss (1995) in bezug auf die Organisationsentwicklung wegen ihrer notwendigerweise starken Normativität. Eine systemtheoretisch informierte Konzeptualisierung nicht gelingender Intervention hat demgegenüber die Aufgabe, eine entsprechende Abartigkeit in Normalität aufzulösen.
Der Begriff der Dysfunktionalität liefert seine funktionale Orientierung gleich offen mit, er provoziert gewissermaßen die Frage: Dysfunktional? Für wen?
Siehe den Pionierartikel von Coch/French (1948), weiterhin Böhnisch (1979) und Duncan (1975).
(Kritisch) hervorzuheben sind diesbezüglich insbesondere Filley et al. (1976), die u.a. Frauen, älteren und weniger gebildeten Menschen und Mitarbeitern, die ihre Arbeit besonders ernst nehmen, Widerstandsneigung zusprechen.
Zum Konzept der Informationspathologie siehe Sorg (1982).
Eine ausführliche Diskussion zum Begriff der losen Kopplung in Veränderungsprozessen liefert Weick (1982) und in rekonzeptualisierter Form (Weick 1996b).
Vgl. diesbezüglich Kap. II.1.1–II.1.3.
Vgl. Weick (1985a).
Dysfunktionalitäten bleiben selten auf das bloße Scheitern einer Intervention begrenzt. Sie können sich in den verschiedensten, auch subtilen Formen wie Humor, Arbeitsvermeidung, Absentismus, Wissens- und Leistungszurückhaltung bis hin zu Sabotage und Diebstahl manifestieren (Mars 1984; Jermier et al. 1994; Rodrigues/Collinson 1995) und können damit weit über das Nichtfunktionieren einer lokalen, instrumentierten Intervention hinausgehen.
Damit wird an dieser Stelle auf eine ausführliche Diskussion zur Barrierenklassifikation verzichtet. Einen Überblick liefert Schüppel (1996: 38, 108ff.), der u. a. die Systematisierung von Hindernissen organisatorischer Wandlungsprozesse in drei Dimensionen von Müller-Stevens (o. J.) anführt. Die erste Dimension besteht zwischen Erlernen und Entlernen, die zweite zwischen den Bewältigungsdimension des (Nicht-)Dürfens, Wollens, Könnens und Wissens und die dritte schließlich in der Einteilung in strukturelle, politische, kulturelle und individuelle Barrieren. Für den Zweck der Erläuterung der systemischen Bedingtheit von Dysfunktionalitäten der Wissensorganisation erscheint es sinnvoll, statt solch abstrakter Dimensionen den Zusammenhang mit den Aufgaben und Prozessen der Wissensorganisation zum Ausgangspunkt der Analyse von Dysfunktionalitäten zu machen. Schließlich gilt es zu erkennen, daß per se keine organisationale Eigenheit den Charakter einer ‘Barriere’ hat, sondern eine solche Zu-schreibung nur in Abhängigkeit aller Faktoren eines jeweilig beobachteten Systemzustandes vorgenommen werden kann. Auf die praktisch-interventiven Konsequenzen dieser Diskussion wird in Kap. III.2 noch ausführlich einzugehen sein.
Dem verfolgten Argumentationsziel entsprechend geht es bei den lose und ohne Zusammenhang abgelisteten, logisch auf unterschiedlichen Ebenen liegenden Kernaktivitäten (die außerdem einen erheblichen Anteil gemeinsamer Varianz aufweisen, also nicht gegeneinander trennscharf sind) darum, die Interventionsansprüche der Instrumente zusammenfassend zu reflektieren.
Daher hebt Grant (1996: 119) hervor, daß zu bestimmende vertikale und horizontale Barrieren des Wissenstransfers in bezug auf ihren relativen Beitrag zum Wissenstransfer analysiert werden müssen.
Häufig werden in der Barrierenforschung Ursachen und Phänomene nur unzureichend getrennt behandelt (Schüppel 1996). Der zur Feststellung von Ursachen notwendige Schluß von einem (beobachterabhängigen) Phänomen der Dysfunktionalität auf einen dahinter liegenden ursächlichen Mechanismus in einem praktischen Interventionsfall muß spekulativ bleiben. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, daß die in Literaturen unterschiedlichster Provenienz vorfindlichen Dysfunktio-nalitäten von Wissensorganisation in einem weit ausgedehnten Forschungsfeld Hegen. Darüber hinaus ist aus dieser Sicht die Beschreibung von Barrieren ohne eine ex ante vorgenommene (Interventions-) Aktivitätsbeschreibung sinnlos, da tatsächlich jede Operation jeder Prozeß und jede Handlung in der Organisation gegenüber irgendetwas opponiert.
Der Schwerpunkt der nachfolgenden Darstellungen liegt auf der organisational Ebene. Damit bleiben psychologische Dysfunktionalitäten wie Wahrnehmungs- Verarbeitungs- und Lernkapazität, motivationale Aspekte und intrapsychische Konflikte unterbelichtet. Ausführlich geht hierauf Schüppel (1996: 123f.) ein.
Vgl. Romhardt (1998); Probst et al. (1997).
Vgl. kritisch zur Explikationforderung im Organisationalen Lernen Wiegand (1996: 169) und Kap. III.1.3.
Siehe hierzu Polanyi (1985: 27): “Ich meine zeigen zu können, daß der Prozeß der Formalisierung allen Wissens im Sinne einer Ausschließung jeglicher Elemente impliziten Wissens sich selbst zerstört”.
Dieser Aspekt wird hier betont, weil sich zahlreiche Ansätze in der Wissensdebatte zwar auf Polanyi beziehen, aber dessen Konzept impliziten Wissens nur verkürzt rezipieren.
Daß Experten mehr wissen als sie zu sagen wissen, führt Wehner (1995: 246) weniger auf “mysteriöse Seinsmodalitäten des Wissens” zurück, als (kritisch gegenüber Polanyi) auf den unvermeidbaren Effekt der Verfahren, in denen Wissen des Experten als solches erst zur Darstellung gelangt. Siehe hierzu bereits die Kritik an den ‘explikationsintensiven’ Instrumenten wie dem Expertensystem in Kap. II.2.2.2.1.
Vgl. zuerst Miller (1956).
Vgl. auch die Folgen der Formalisierung von Wissen bei Wehrsig/Tacke (1992: 225), die ähnliche Zirkularität erzeugen.
Daß hier außerdem ein positivistisches Weltbild hineinspielt, deutet Wehner an, wenn er schreibt: “Nur unter der Voraussetzung einer vorgegebenen objektiven Welt konnten Wissenstechniker annehmen, daß sich Repräsentationsprobleme aus der Unzulänglichkeit einiger Wissensschichten oder der Unwilligkeit des Experten, über sein Wissen Auskunft zu erteilen, ergeben” (Wehner 1995: 264).
In der Künstlichen Intelligenz wird implizites Wissen häufig als “negative Entität” tituliert.
Vgl. ausführlich hierzu Kap. III.2.1.3.
Vgl. beispielsweise die wissensspezifischen Kritikpunkte an der Wissenslandkarte in Kap. II.2.2.2.6.
So irren Schreyögg/Noss (1997: 74), wenn sie annehmen, daß implizite Lernpraktiken im eigenen Unternehmen durch ein knowledge engineering einfach beobachtbar und kollektiv nutzbar werden ebenso wie mit der Annahme, daß ein solches Vorgehen “neues Lernwissen im Sinne von Wissen III” generieren kann.
Diese Sperrung verstärkt sich mit zunehmender Tiefe der kulturellen Verankerung des Wissens. Entsprechend argumentiert Schüppel (1997: 35) mit Verweis auf Scott-Morgan (1994): “Je fundamentaler die Eingriffe [...], desto gravierender regt sich in aller Regel offen gezeigter oder latent vorhandener Widerstand”.
Vgl. für den Verlust verschiedener kultureller Wissensformen auf der gesellschaftlichen Ebene Postman (1991).
Vgl. hierzu das Konzept der Latenz von Wissen bei Luhmann/Fuchs 1997 (vgl. auch: Kap. III. 1.3).
Romhardt (1998: 107) verweist mit Krackhardt/Hanson (1993, 1994) darauf, daß entsprechende Methoden in Organisationen nur bedingt zum Einsatz kommen: “Die Auseinandersetzung mit dem unbe-wußten Teil der organisatorischen Wissensbasis kann sich lohnen und bedarf Explizierungsmethoden, die heutzutage noch selten in Unternehmen eingesetzt werden”. Daß solche Methoden darüber hinaus bereits auf der Ebene des Individuums mit immens hohen Kosten verbunden sein können, zeigt für psychische Systeme die Metaanalyse zur Psychotherapieforschung von Grawe (1998).
Vgl. hierzu die wissensspezifische Kritik an Instrumenten der Wissensorganisation, die einen besonderen Fokus auf das tabuisierte, unbewußte Wissen von Gruppen legen wie die ‘Wissenskarten des Informalen’ (Soziogramme) oder andere Instrumente, die besonders in den früheren Ansätzen der Organisationsentwicklung Anwendung finden (vgl. Kap. II.2.1.2.2 und Kap. II.2.2.2.6).
Vgl. Probst et al. 1997: 222.
Dysfunktionalitäten müssen hier in Abhängigkeit von verschiedenen Wissensformen formuliert werden. Grant (1996: 111) etwa weist darauf hin, daß beispielsweise die Unterscheidung implizit/explizit aufgrund des Kriteriums der Transferierbarkeit von Wissen getroffen werden kann: “If tacit knowledge cannot be codified and can only be observed through its application and acquired through practice, its transfer between people is slow, costly and uncertain” (vgl. ähnlich: Kogut/Zander 1992).
Daß das “Kognitariat” Eigentum an den Produktionsmitteln hat (Willke 1998a), fördert diese Umverteilung. Für die Theorie fordert Lawler (1994) hieraus eine Neuorientierung der Organisationstheorie von einseitig auf Hierarchie und Position fixierten Modellen zugunsten einer “Kompetenzorientierung” (vgl. ähnlich: bereits Drucker 1970).
Vgl. Wilensky (1967).
Über diese transferspezifischen Dysfunktionalitäten hinaus bleibt das Thema Macht/Machtverlust, auf das tatsächlich eine Vielzahl der genannten Dysfunktionalitäten attribuierbar ist, hier unterbelichtet. Als prominentes Steuerungsinstrument in dieser Hinsicht kann die wissensorientierte Führung gelten. Deren Maßstäbe können implizite kultur-, macht- oder politikkonforme Regeln sein, es können aber auch — wie Nonaka fordert (1992: 102) — explizite, zu verkündende Maßstäbe sein, nach denen der Wert neuen Wissens bemessen wird. Ein Review des entsprechenden Diskurses würde den hier thematisch aufgespannten Rahmen sprengen (vgl. grundlegend Crozier/Friedberg (1980), außerdem die Hinweise von Grant (1996: 119f.) zur Bedeutung von Macht und wissensbasierter Entscheidung, die ausführliche Arbeit von Hanft (1996, insbes. 143ff.), zur prinzipiellen Politizität von Managementwissen die Beiträge in Clegg/Palmer (1997) und schließlich zum Wissensmanagement Davenport (1996: 35): “Knowledge Management is a highly political undertaking. If knowledge is associated with power, money and success, then it is associated with lobbying, intrigue and backroom deals”).
Hierarchien fungieren für Probst et al. (1997: 255) als Quelle für Teilungsbarrieren, die zu einer “Zersplitterung der organisational Wissensbasis” führen können.
Vgl. den Begriff des “benevolent censorship” bei Argyris (1994: 81), der die Negierung negativer und problematischer Nachrichten bei Führungskräften im Dienste der defensiven Routinen der Organisation bezeichnet.
Siehe hierzu Neubergers Feststellung zunehmender Entkopplung oberer Hierarchieebenen von einer organisational Wirklichkeit (1994).
Wirksame Kommunikationsmittel sind hier beispielsweise sogenannte Killerphrasen. Sie richten sich durch inhärente Setzungen gegen ein Aushandeln beteiligter Perspektiven, wie es etwa in Dialogen stattfinden kann. Siehe zur Kommunikations- und Lernbarriere Killerphrase Probst/Büchel (1994); Probst (1993).
Vgl. Probst et al. (1997: 222).
Vgl. etwa Minx/Roehl (1998).
Vgl. Tannen (1996) welche bezugs der Kommunikationseffizienz auf die von Managern zu entschlüsselnden rituellen Sprechgewohnheiten in Organisationen hinweist.
Ebenso wichtig ist die Ausbildung differenzierender Spezialsprachen bei der Integration spezialisierten Wissens zu beachten. Siehe hierzu die Ausführungen im fünften Gliederungspunkt dieses Kapitels. Vgl. zu einem Mangel an gemeinsamer Sprache als signifikanter Barriere gegen (wissens-) integrationsintensive Aufgaben in “polyglot” agierenden Organisationen Grant (1996: 116).
Wissen der Organisation und Person ist in der Organisation nicht direkt nutzbar, es muß erst ein mehr oder minder aufwendiger Transfervorgang auf die jeweils aktuelle Person/Situationskonstellation stattfinden.
Während superstitious learning als systemische Eigenheit im Zuge normaler Abschottungsvorgänge gesehen werden kann, ist es für Schüppel (1997: 148) ein bewußter Mechanismus zum Machterhalt im Sinne eines absichtlichen “Immunisierungsschutzes” dominierender Organisationsrnitglieder.
Deshalb ist der empörte Unterton Schüppels in seiner barrierenorientierten Sicht auf die Lernende Organisation teilweise wenig nachvollziehbar: “Im Extremfall kommt es dabei zu einer vollständigen Um-Interpretation der Sachverhalte: Die Umweltreaktion wird ‘passend’ gemacht und in das Weltbild des Betrachters eingefügt” (Schüppel 1996: 149; Hervorhebung i. Org.).
Vgl. hierzu auch den Begriff der tertiären Qualifikation in Willke (1996a: 288) und Kap. II.2.2.2.4.
Vgl. auch Baecker (1998: 11) der die “basale Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation von Wissen” für den Fall des Wissensmanagements systemtheoretisch untermauert.
Auf Spezialisierung als Problem intelligenter Organisationen wies bereits 1967 Wilensky hin. Siehe zum Problem der Spezialisierung ausführlicher Kap. II. 1.
Ähnliche Erfahrungen schildern Probst/Deussen (1997: 8) in bezug auf eine schottische Textilfabrik, die zwei getrennte Produktionsbereiche unabhängig voneinander lernen lassen wollte. Alle Mitarbeiter stimmten überein, daß von 20 Produktionsschritten nur zwei übereinstimmten, eine auf das Produktionswissen bezogene Kommunikation daher zwischen den beiden nicht sinnvoll sei. Bei einer genaueren Analyse der Produktionsschritte in ihren Einzelheiten wurde jedoch festgestellt, daß diese exakt übereinstimmten und nur anders bezeichnet wurden.
Vgl. etwa Bell (1985: 191), der diesbezüglich betont, daß es nicht das exponentielle Wachstum des Wissens selbst, sondern die disziplinare Spezialisierung und damit einhergehende Offenheit bzw. Unbestimmtheit des Wissens ist, die eine Verfügbarkeit desselben für den Akteur problematisiert.
Zum Stakeholderkonzept siehe bereits Kap. II, außerdem Janisch (1993).
Als Beispiel lassen sich hier Hoffmann und Patton (1996: 239) anführen, die auf die z. T. äußerst problematischen Sprachdifferenzen globalisierter Konzerne verweisen, die verschiedene Alphabete, aber auch kulturelle Normen einschließen.
Baecker (1998, vgl. auch Kap. II.2.1.2.3) sieht als eine zentrale Entwicklungsimplikation der neuen Informations- und Kommunikationsmedien, daß Organisationen medial aufbereitetes Wissen nur noch schwer ablehnen können.
Vgl. zur zentralen Bedeutung eines Ausgleiches von Wissens-Investitionen für die beteiligten Akteure als Metakriterium der instrumentierten Wissensorganisation Kap. III.2.1.3.
Daß dies nicht der Regelfall ist, wird etwa unter bezug auf den präorganisationalen Typus von Lernbarrieren sensu March/Olsen (1976) deutlich, bei dem eine Unterbrechung des Übergangs von individuellem zu organisationalem Handeln stattfindet.
Damit wird eine Auswahl aus einer kaum mehr überschaubaren Anzahl von Ansätzen zu Lernpathologien und -barrieren getroffen. Überblicke hierüber geben Wiegand (1996), Schüppel (1996) und Sorg (1982).
Die Auffassungen zur tendenziellen Unmöglichkeit grundlegender Veränderungen zeigen sich im Laufe der Veröffentlichungsjahre des Autors immer deutlicher (Wiegand 1996).
Vgl. zur Perpetuierung von rollenspezifischen Restriktionen durch individuell bestätigendes Verhalten Geißler (1995: 49f.).
Dies wird wohl auch zu den Gründen gehören, warum der von Leonard-Barton (1995: 29) zitierte Lieblingssatz von Konosuke Matsushita, dem Begründer von Matsushita Electric Industrial, “Torawarenai sunao-na kokoro” ist, was “mind that does not stick” bedeutet. Vgl. allgemein zu “sticky factors” als Barrieren gegen neues Wissen Ghemawat (1991).
Vgl. im Gegensatz hierzu Kogut/Zander (1992: 384), welche Organisationsmitgliedern größere Steuerungskompetenz der Veränderung solcher Programme zubilligen: “Organizations are social communities in which individual and social expertise is transformed into economically useful products and services by the application of a set of high-order organizing principles [...] that are not reducable to individuals”.
Vgl. hierzu bereits March/Simon (1976: 173): “Individuals and organizations give preferred treatment to alternatives that represent continuation of present programs over those that represent change”.
Zum besseren Verständnis sei hierzu angemerkt, daß die Autorin die Entstehungsmechanismen von Kernkompetenzen und Kernrigiditäten gleichsetzt (Leonard-Barton 1995: 30).
Daß demgegenüber auch ein Lernen mit starrem Blick auf die Zukunft problematisch sein kann, räumt Willke (1995: 322) ein, der hier vor allem die Gefahr eines Aufkommens missionarischer Haltungen (in) der Organisation sieht.
Siehe in sokratischer Tradition Luhmann (1996a); auch Willke (1995: 32): “Wissen ist untrennbar mit Nicht-Wissen als der anderen Seite der Form des Wissens verbunden, sonst könnten wir nicht von Wissen reden. Daß jedes neue Wissen mehr Nicht-Wissen miterzeugt, ist ebenso klar wie die Einsicht, daß Wissen nicht alle Probleme löst”. Ausführlicher wird hierauf in Kap. III. 1.3 eingegangen.
Zur Bedeutung der Organizational Nostalgia-Forschung der sozialwissenschaftlichen Organisationsthéorie siehe die Pionierveröffentlichung von Gabriel (1993).
Vgl. etwa Baecker (1997: 28): “Neurophysiologische Forschungen behandeln das Gedächtnis nicht mehr als Speicher, der etwas aufbewahrt, sondern als Interpretationsmaschine, die Hereinkommendes mit dem vergleicht, was schon da ist, und sowohl mit Bezug auf das Hereinkommende als auch mit Bezug auf das, was schon da ist, Wahlmöglichkeiten hat”. Vgl. auch v.Foerster (1993b). Ein Beispiel hierfür ist die Kryptomnesie (Kotre 1996) das ‘reale’ Erinnern tatsächlich nie erlebter Geschichten.
Adressiert an den Praktiker formulieren v.d.Spek/Spijkervet (1997: 10): “Where Knowledge is recorded, it often only covers ‘know how’ and not ‘know why’ and ‘know where’ ”.
Vgl. etwa Willke (1998b: 86ff.), der eine verbreitete Unzufriedenheit mit den herkömmlichen Formen der Bewertung von Organisationen wahrnimmt, weshalb sie einer grundlegenden Revidierung bedürfen. Bisher werden Investitionen in immaterielle Güter, beispielsweise im Forschungs- und Entwicklungsbereich, häufig nur mit Bezug auf eine invisible equity (Sveiby 1997: 153) legitimiert.
Vgl. Quinn 1992: 248: “With few exceptions, standard accounting practices have not only been of little value in evaluating intellect but have often had a significant negative influence”. Hier wurden nämlich Investitionen in intellektuelle Güter wie Investitionen in materielle Güter behandelt, die abzuschreiben und zu minimieren sind.
Erste praktische Ansätze alternativer Erfassung von Organisationserfolg durch wissensorientierte Indikatoren stellt die Firma Skandia vor (Edvinsson 1997; Edvinsson/Malone 1997; vgl. bereits Kap. II.2.2.2.6). Zur Messung intellektuellen Kapitals in Organisationen siehe das durchaus kritische “Smorgasbord” von Vorschlägen von Steward (1997), außerdem Quinn (1992) und mit einer Vielzahl von Praxisbeispielen Sveiby (1997). Einige Autoren erwarten Lösungen über Konstrukte wie dem “Informationskoeffizient” (Pulic 1996) oder einer ersten, rudimentären Begriffswelt zu einem Meßin-strumentarium für Wissensstrukturen (Roos 1997). Für den Umgang mit Wissen stellten Arthur Andersen/APQC (1995) Indikatoren im Knowledge Management Assessment Tool zusammen. Vgl. auch das in eine ähnliche Richtung zielende diffizile Mehrebenen-Assessment von Knowledge-Management-Progammen bei Wiig (1994: 172, 223).
Vgl. zur Unterscheidung enge/lose Kopplung Weick (1985a: 163ff.) und Orton/Weick (1990).
Vgl. die Kritik am Instrument “Balanced Scorecard” in Kap. II.2.2.2.6.
Hierzu ist in Anlehnung an Millers (1994: 49) Bewertung der sozialen Konstruktionsleistung von klassischer Buchführung (“it is accounting that ‘makes up’ the financial flows into which organizations come to be transformed”) anzunehmen, daß eine Wissens-Bilanzierung einen erheblichen Anteil an einer Konstruktion von dem hätte, was (damit) in der Organisation als “Wissen” etikettierbar ist.
Vgl. hierzu ähnlich Willke (1995: 225), der von einer “expansiven Dynamik des Geldes” spricht, womit Steuerungsleistungen von Geld gemeint sind, die weit über die Ökonomie hinausgehen.
Vgl. ähnlich Sveiby (1997: 155; Hervorhebung H.R.): “It is tempting to try to design a measurementsysetm equivalent to double-entry bookkeeping with money as the common denominator. It is an established framework with definitions and standards and therefore common sense. But this is precisely the reason why we should break with it”.
Fabriken und technologische Ausrüstungen sind gewöhnlich mit einigen Milionen Dollar ersetzbar. Die Kundendatenbank einer Zeitschrift wie dem reader’s digest mit seiner äußerst loyalen Leserschaft dagegen ist Milliarden Dollar wert (Quinn 1992: 247).
Vgl. dazu die Vielzahl postulierter wissensbezogener ‘Langzeitwirkungen’ einiger Instrumente in den Kapiteln II.2.2.2.1–II.2.2.2.6.
Das multidimensional System ist auf der in der linken Hälfte von Abbildung II-3 mehrfach in Form von Netzdiagrammen skizziert.
Unter der rookie ratio ist der Anteil von Organisationsmitgliedern zu verstehen, die weniger als zwei Jahre in der Organisation sind. Eine hohe rookie ratio verweist auf wissensbezogene Instabilität der Organisation (Sveiby 1997: 177).
“Undoubtedly measuring knowledge assets must be imprecise, but there is a lot of guesswork in ‘hard’ numbers, too” (Stewart 1997: 223). Es ist bemerkenswert, daß in der Debatte um die Bewertbarkeit instrumentierter Wissensorganisation immer wieder auf die Schwierigkeiten der Bewertbarkeiten materiell basierter Organisationsvorgänge hingewiesen wird und das dies offensichtlich der Bezugspunkt der Debatte ist. Sveiby (1997: 153) etwa relativiert die Möglichkeit der ex-ante Abschätzung von Investitionen in immaterielle Güter an jeglichen Fehlinvestitionen der letzten Jahre, wie beispielsweise Investitionen in innerstädtische Büroflächen. Offensichtlich stellt das betriebswirtschaftliche, controllinggeprägte Denken an Investitionen in immaterielle Güter Ansprüche an Vorhersagevaliditäten, die schon bei der Investition in materielle Güter fehlschlagen.
Zur Unterscheidung von qualitativen/quantitativen Wissensbewertungsansätzen siehe Nonaka (1992: 102): “In den meisten Unternehmen dienen im Effekt betriebswirtschaftliche Kriterien [...] als Prüfsteine, an denen der Wert neuen Wissens bemessen wird. Aber im Wissen erzeugenden Unternehmen sind andere, eher qualitative Faktoren ebenso wichtig”. Hierzu gehört es beispielsweise, die Frage zu stellen: “Verkörpert dieser Einfall die Vision des Unternehmens?”.
Das bedeutet nicht, daß darin ausschließlich qualitative Indikatoren vorkommen. ‘Qualitativ’ ist hier auf das Herangehen an die Bewertungsproblematik an sich bezogen. Daß ein solches Programm mit den gängigen quantitativen Controllinginstrumenten inkompatibel ist, spielt hier zunächst keine Rolle. Als einzigen Grund, warum finanzielle, quantifizierende Indikatoren dominante Bedeutung in Organisationen haben, nennt Sveiby (1997) lange existierende, implizite Konzepte von Regelungsstrukturen, Definitionen und Standards, auf denen sie fußen.
Das in Kap. III.2 vorgestellte System von Metakriterien ist als deskriptiver Rahmen zu interpretieren, der ein solches multikriteriales, qualitatives Assessment ermöglicht.
Bezüglich eines Vorgehens zur Simulation von Beobachterperspektiven siehe beispielsweise die in Kap. II.2.2.2.1 vorgestellte Loyalitätsübung von Senge et al. (1996) oder das Instrument Rollenspiel in Kap. II.2.2.2.6.
Daß jede Kriteriensetzung zur Wissensbewertung deutliche politische Implikationen hat, hebt Romhardt (1998: 229; in bezug auf Weick 1995: 88) hervor: “Wissensbewertung kann zudem schnell zum Politikum werden. Wenn die Expertise von Experten durch Evaluierungsmaßnahmen in Frage gestellt oder die Bedeutung bestehender Technologien für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens herabgesetzt wird, kommt es häufig über die Neubewertung individueller Kompetenzportfolios zur Machtumverteilung. Bewertung ist somit immer ein von Interessenurteilen durchdrungenes Gebiet”. 132 Bohm (in Senge et al. 1996: 52f.) weist auf den etymologischen Ursprung des Begriffs “Messung” hin, das seiner Überzeugung nach auf das Sanskritwort “Maya” und damit auf eine Wurzel zurückgeht, deren Bedeutung schlicht “Illusion” ist.
Vgl. die bereits in Kap. II.2.1.2.2 erwähnte diesbezügliche Kritik von Schneider an der Wissensdebatte (1996: 19).
Siehe hierzu in bezug auf das Wissensmanagement bereits Kap. 112.1.3. Willke (1998b: 87) merkt hierzu an, daß die Aufgabe der Generierung von Wissen in Organisationen Gefahr läuft, schrankenlos zu werden, weil der Schluß so klar wie zwingend erscheint, daß mehr Wissen immer gut sei, was zwar für die Wissenschaften gelte, im Falle der Organisation jedoch unsinnig sei. Entsprechend gilt es, eine Verknüpfung von Wissenslogik und Organisationsrationalität zu erreichen. Ahnlich argumentiert auch Romhardt (1998: 218ff.) bezüglich der Gefahr eines notwendigerweise stets gleichzeitigen Einkaufs von Wissen und Komplexität. Für das Problem des sensemaking argumentiert Weick (1995: 27) ähnlich, daß es nicht auf ein mehr von Informationen ankommt, wie es Forschungsergebnisse des Information Processing nahelegen, sondern auf “values, priorities, and clarity”.
Vgl. bereits Kap. II. 1, wo dieser Aspekt mit dem Risikoreichtum von Wissensarbeit in Verbindung gebracht wurde.
Luhmann (1992c: 155) bezieht sich mit Spencer-Brown (1969) auf die Tatsache, daß mit jeder Beobachtung eine Seite einer Unterscheidung bezeichnet wird, deren andere folglich unmarkiert bleibt.
Vgl. March/Simon (1976).
Vgl. hierzu die Definition des Wissensmanagements von Willke (1995: 226), in welcher der Leitgedanke einer Verbesserung der Kapazität für die Verarbeitung externer und interner Komplexität die zentrale Rolle spielt (Baecker 1998; Romhardt 1998).
Zur Differenzierung von strukturiertem und unstrukturiertem Nichtwissen siehe Japp (1996), der bei Luhmann (1992c) ein beobachtbares von einem nichtbeobachtbaren Nichtwissen unterscheidet. Er-steres ist etwa als Noch-nicht-gewußtes in Form von Forschungsbedarf zu strukturieren, während letzteres sich im Unmarked Space bewegt, der einen Bereich von Nichtwissen bezeichnet, in dem sich keine Unterscheidungen unterbringen lassen (Japp 1996: 13).
Vgl. zu unerwarteten Dysfunktionalitäten der Wissensexplikation bereits Kap. III.1.2.2.
Vgl. zur Struktur, Bedeutung, Erscheinungsformen und Ubiquität solcher “organisational Lebenslügen” das Konzept der Zweiten Organisation von Roehl (1998a).
Luhmann fordert interessanter- und paradoxerweise in einer Fußnote (1992c: 178) “die Einrichtung einer Stelle, die über Kompetenzkompetenzen (Odo Marquard würde sagen: Inkompetenz-kompensationskompetenz) verfügt. Aber diese Stelle ist, wie die Erfahrung zeigt, nicht leicht zu finden, nicht leicht anzusprechen, nicht leicht zu aktivieren”.
Der Begriff des Metakriteriums ist in Analogie zur Metatheorie gebildet (Mittelstraß 1984: 875), die eine Theorie über Theorien ist und damit Eigenschaften von Theorien hinsichtlich sprachlicher Ausdrucksmittel, Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit u.a. untersucht.
In der Praxis wird dagegen meist nur nach einem einzigen Metakriterium gefragt: Nach dem Kosten/Nutzenverhältnis einer spezifischen Intervention. Um entsprechende Eingleisigkeiten bei der Taxierung der Instrumente zu vermeiden, sind diese Fragen notwendigerweise auf der Basis mehrerer Kriterien zu betrachten.
Vgl. Rhodes (1991: 50): “Tools that perform very fundamental functions, such as a blade or a wheel, are central, generalizable to many thousands of tasks and called generic. Of all tools these add the highest value”. Ähnlich sprechen auch IFTF (1997a: 15) von der Beeinflussung einer unterschiedlich großen Anzahl unterschiedlicher Wissensprozesse durch verschiedene Instrumente.
Fontin (1997: 21f.) definiert in seiner Arbeit zum Management von Dilemmata selbige als Schwierigkeit bei der Wahl zwischen zwei Dingen, wenn für beide gleichwertige Gründe sprechen und eine dritte Möglichkeit nicht gegeben ist (“tertium non datur”).
Dies verweist abermals auf die konsequente Vernachlässigung strategischer Fragen in der vorliegenden Arbeit: Das Vorhandensein einer Interventionsabsicht wird vorausgesetzt.
Diese Reihe von organisationstheoretisch schwergewichtigen Terminologien ist bereits (Kap. III. 1.1) bzw. wird im folgenden (Kap. III.2.1) aufgeklärt. Hier sei angemerkt, daß auch Weick (1995a: 182ff.) eine Liste von sieben Anforderungen erstellt, denen intentionale Sinnstiftungsprozesse zu entsprechen haben.
Individuelle Analysen der 43 Instrumente finden sich in Abbildung III-6.
Bezogen auf eine Organisation von Wissen sieht diese etwa wie folgt aus: Es stellt sich die Frage, ob bei der Präsupposition einer Gestaltung von Wissen nicht grundsätzlich einerseits mit einer Verwechslung von Wissen und zu Wissendem, andererseits mit einer Auflösung dieser Unterscheidung operiert werden muß. Mit anderen Worten: Der etwa beim Wissensmanagement notwendig werdende Schritt von der Selbst- zur Fremdreferentialität von Wissen (Willke 1998b: 84ff. und Kap. II.2) muß entweder mit einer Gleichsetzung von eigenem Wissen und zu organisierendem Wissen bezahlt werden, oder er findet nicht statt. Das ist besonders im Hinblick auf die Kontextualität von Wissen bedeutsam: Machte ich mir als Instanz der Fremdrefentialität Wissen der Organisation zu eigen, so wäre ich im gewissen Sinne selbst zu meinem Gestaltungsobjekt geworden. Aus diesem Kreis herauszutreten, würde bedeuten, Wissen als zu Wissendes zu etikettieren, ohne selbst darauf Bezug zu nehmen.
Der Fokus auf das intervenierende System geht mit einer Vernachlässigung der Gegenseitigkeit hieraus resultierender “Anpassungsmomente” einher. Dies wird hier jedoch in Kauf genommen, da das intervenierende System in der instrumentierten Wissensorganisation nicht mit systemseitigen Anpassungen rechnen sollte (vgl. III. 1.2.3), sondern vielmehr seine Erfolgschancen zu maximieren hat. Für einen systemischen Beratungsvorgang folgt für die Systemdiagnose aus der strukturellen Kopplung der Impetus zum iterativen Hypothesenbilden. Für interventives Handelen in der instrumentierten Wissensorganisation folgt das Desiderat der Äquivalenz.
Das Metakriterium der Äquivalenz ist damit Konsequenz aus den Überlegungen zur Bindung von Wissen in Prozesse der operativen Schließung von sozialen Systemen, wie es mehrfach in den Kap. II.1.1, II.2.1.3 und III. 1.2.2 diskutiert wurde.
Zur Bedeutung funktionaler Äquivalenzen als Kernaktivität von Beratung siehe Luhmann/Fuchs (1997: 219).
Auch Veränderungsprozesse verschiedener psychotherapeutischer Methodologien lassen sich als äquivalente Interventionen rekonzeptualisieren. Das kathartische Moment der Psychoanalyse (vgl. Freud/Breuer 1970) ist hierfür ebenso ein Beispiel wie das Vorgehen in der Hypnose, in dem der Klient seine eigenen kognitiven Operationen in zirkulären Rückkopplungen erfährt. Weiterhin liegt sowohl dem zirkulären Fragen der systemischen Familientherapie (Selvini-Palazzoli 1977), dem Dialog (Bohm 1998: 118), als auch dem Spiegeln des Neurolinguistischen Programmierens (Bandler/Grinder 1994a, 1994b) ein systemäquivalentes Interventionsvorgehen zugrunde. Auch für die Methode der Supervision gilt die näherungsweise Äquivalenz von supervidiertem und supervidierendem System als Ideal, wie Baecker (1997: 1; Hervorhebung H.R.) ausführt: “Die Supervision selbst spielt jenes schlechtdefinierte System, das der Entscheidungsträger zu sehen lernen soll, um sich selbst und seine Organisation anders zu verstehen als bisher”. In der Medizin schlägt sich die Logik der Äquivalenz besonders in der Homöopathie nieder.
Dem System in Operation und Struktur möglichst genau das zu geben, was es bereits hat, ist der Kern eines interventiven Handelns im konstruktivistischen Sinne. Das mag zunächst widersinnig klingen, denn das Bestehende ist im zu intervenierenden System ja zumeist als suboptimale Lösung charakterisiert. Vor dem Hintergrund des eben Gesagten lassen sich dennoch prä-interventive Operationsmodi und Systemstrukturen als aus der Perspektive der Organisation subjektiv beste und meist stabile Lösung charakterisieren, auch wenn dies für den externen Beobachter häufig den Anschein eines Einrichtens in der Misere macht. Das von extern als dysfunktional Charakterisierte wird durch eine auf Äquivalenz angelegte Intervention zum Ausgangspunkt der veränderten Selbstwahrnehmung und mithin des Er-kennens eigener Dysfunktionalität.
Vgl. hierzu Preissler et al. (1997: 14).
Auch auf das Problem der Harmonisierung unterschiedlicher “Zeitbewußtseine” (Stahl/Heijl 1997: 521) in der Organisation, wie es Weick (1985a: 154ff.) als Synchronisation von Handlungen für den Prozeß eines (effizienten) Organisierens aus organisationspsychologischer Sicht beschreibt, bezieht sich dieses Metakriterium nur bedingt. Siehe hierzu weiterhin Götz/Lackner (1996).
Dies liegt auf der einen Seite an einem Wechsel der Organisationsmitglieder (Personalfluktuation) und zustandsgebundenen Lernprozessen der Organisation. Zustandsgebundenheit von Lernprozessen bedeutet, daß das (zeitpunktbezogen) vorhandene Wissen Ausgangspunkt jeden Lernprozesses in und/oder von Organisationen ist (Wiegand 1996). Auf der anderen Seite liegt es an der Tatsache, daß Wissen in einem fortwährenden Prozeß von Handlung generiert wird (vgl. Kap. II. 1.2) und durch Reflexion und andere Prozesse entsprechend permanenter Revision unterliegt.
Es ist zu vermuten, daß Wissen über die Zeitlichkeit von Wissen in der Organisation ebenso wie Wissen über grundsätzliche Zeitlichkeit organisational Vorgänge vornehmlich im Prozeßwissen der Organisation zu lokalisieren ist. Dies bezieht sich auf die “Synchronisierung und Diachronisierung unterschiedlicher Zeitrechnungen, Tempi und Taktraten, denen die Organisation intern und extern ausgesetzt ist” (Willke 1995: 324).
Heideloff unterscheidet die folgenden vier Aspekte ausdrücklich für Interventionen in Innovationsprozessen vor dem Hintergrund der systemspezifischen Stiftung von Zeitbezügen. Innovationsprozesse werden hier als Sinnstiftungsprozesse verhandelt. Die Aspekte eigenen sich jedoch m. E. auch für eine Spezifikation der Zeitbezüge von Instrumenten der Wissensorganisation im Hinblick auf ihre Synchronisationsleistungen.
Heideloff (1998b) weist in diesem Zusammenhang auf die besondere Bedeutung der Installation von Parallelarenen hin, die es erlauben, “einen Raum aufzuspannen, in dem die Intervention eine Fortsetzung finden kann, auch wenn die bisherige Routine in der bestehenden Arena weiter verfolgt wird oder sogar weiter verfolgt werden muß” (ebd. 1998b: 95).
Zur Relevanz der Thematisierung alternativer Zeitlogiken in Organisationen siehe Heideloff 1997b.
Zur Bedeutung der Entstehung von Issues als Keime von Prozessen der Sinnstiftung in Organisationen siehe Heideloff (1998a).
Das Metakriterium der Synchronisation ist Konsequenz aus den Überlegungen zu Zeitfragen in der Wissensorganisation, wie sie in Kap. II. 1, Kap. II. 1.1, und für die Instrumente immer wieder kritisch in den Kapiteln Kap. II.2.2.1.1–2.2.2.6 und III. 1.2.3 verhandelt wurden.
Zunächst geht es also darum, die zeitlichen Aspekte der Systemdrift (Maturana/Varela 1987: 119; auch Maturana 1982), also des Ergebnisses der Interaktion der systemischen Einheit mit dem durch eine spezifische Struktur gekennzeichneten Milieu in den Griff zu bekommen.
Zur Notwendigkeit zeitlicher Adjustierung von Wissensstrukturen in Organisationen mit dynamischen Umfeldern siehe außerdem Barr et al. (1992).
Vgl. Willke (1995: 325).
Vgl. etwa Bridges (1993), der zu Beginn jeglicher Changeprojekte eine Verlustanalyse unterschiedlicher Akteursgruppen (“who is losing what”) vorsieht.
Daß das Prinzip der Wechselseitigkeit, des gleichgewichtigen Gebens und Nehmens, gegenwärtig in einer Krise steckt, weil sich Handeln in Organisationen immer häufiger auf eine kurzfristige Maximierung von Nutzen orientiert, schildert an eindrucksvollen Beispielen Grunwald (1996) und wird hier nicht weiter diskutiert. Ähnlich argumentieren auch Beckert et al. (1998) zur Erosion von Vertrauen durch Reorganisationen.
Die Relevanz von Vertrauen für die Investition von Wissen in sozialen Situationen beleuchten Porter Liebeskind/Lumerman Oliver (1998) mit Bezug auf die Wissensproduktion in akademischen Kontexten. Am Beispiel der Biotechnologie wird hier gezeigt, daß die Kennzeichnung von Wissen als Wert mit einer erheblichen Gefährdung etablierten Vertrauens und einer Verminderung der (Ver-)Äußerung von Wissen einher geht. Die oben (Kap. II. 1.4) gezeigte Ökonomisierung des Wissens läuft aus dieser Perspektive einer Etablierung von Vertrauen zuwider. Daß dies kein Problem sein muß, meint u.a. Kern (1998) mit einem Fingerzeig auf die innovationshemmende Wirkung eines Mangels gleichwie eines Übermaßes von Vertrauen (“BlindTrust”, ebd. 1998: 212).
Vertrauen ist ebenso leicht zu zerstören, wie es schwierig aufzubauen ist. Es gilt, daß Vertrauen erst allmählich in Interaktionsbeziehungen entsteht und sich nach einer gewissen Zeit als Koordinationsmechanismus entfaltet. Die Erfahrung der Vertrauenswürdigkeit vergrößert das Vertrauen in der jeweils nächsten Handlungssituation. Vertrauensbeziehungen müssen sich rekursiv stabilisieren (Ortmann 1995: 291–337). Dies ist ein langfristiger Prozeß, der das Wiedersehen der Akteure voraussetzt. Dem graduellen Aufbau von Vertrauen steht die schnelle Zerstörbarkeit gegenüber: Eine einzige Enttäuschung mag ausreichen, um Venrauen langfristig zu zerrütten.
Für Davenport (1996: 36) gehört die Fähigkeit der Gestaltung von Aushandlungsprozessen in der Wissensorganisation zum Verhaltensrepertoire des Wissensmanagers: “[…] astute managers will acknowledge the value of politics and cultivate its use, lobbying on behalf of knowledge. They will broker deals between those who have knowledge and those who use it”.
Vgl. zur Fundamentalität des Konzepts der Aquilibration in Sozialbeziehungen in radikalisierter, be-havioristischer Form Homans (1958). Vgl. allgemeiner hierzu das Konzept der “Norm of Reciprocity” bei Gouldner 1973, in: Cooper 1983). Das Metakriterium der Äquilibration ist Konsequenz aus den Überlegungen zur Relation von Wissen und Eigentum in Kap. II.1 und II. 1.4 und den instrumentspezifischen Dysfunktionalitäten, die sich auf diesen Zusammenhang beziehen in den Kapiteln II.2.2.2.1–II.2.2.2.6.
Siehe zu weiteren Formen der Wechselseitigkeit (generalisierte, altruistische, negative, egoistische Wechselseitigkeit) Grunwald (1996).
So läßt sich auch gegenüber radikalen Thesen zur grundsätzlichen Simuliertheit der modernen Welt, wie sie etwa Baudrillard (1978) aufstellt, argumentieren.
Dies zeigt etwa Luhmann (1996b: 108) für medial vermittelte Erfahrung am Beispiel des Unterhaltungsfernsehens.
Zur Philosophie des “Als Ob” siehe Vaihinger (1911), der davon ausgeht, daß wir an die Welt unvermeidlicherweise mit Annahmen herangehen, die den Charakter reiner Als-Ob-Fiktionen haben, die aber dennoch praktische Wirkungen haben.
Damit bezieht sich dieses Metakrierium auf die konzeptuellen Vorarbeiten in den Kapiteln II.2., II.1.1, II.2.2.2.6 und II.1.2.2.
Als pars pro toto stehen hier die Kreativitästechniken (Roehl 1997a), mit denen der Problemlösungsprozeß der Kreativen simuliert wird (vgl. Kap. II.2.2.2.6). Weil man also zu wissen scheint, wie kreative Menschen denken, wird mit Kreativitätstechniken versucht, die hierfür notwendigen Bedingungen be-wußt und formalisiert herbeizuführen. Dem psychologischen Konstrukt ‘Kreativität’ entsprechend werden Instrumente konstruiert und zugeordnet, die in ihrem Aufbau diese Struktur widerspiegelnd simulieren.
Vgl. hierzu die Diskussion um das Space Management in Kap. II.2.2.2.2.
Vgl. etwa v.Krogh/Roos (1996: 220): “If the currency of business operations is money, the currency of knowledge development is language”. Das vorliegende Metakriterium knüpft damit an die in Kap. II.1, Kap. II.2.2.2.5 und Kap. III. 1.2.2 herausgearbeitete Bedeutung sprachlicher Vermittlungsprozesse als Vermittlungsprozesse von Wissen an.
Vgl. etwa Willke (1992: 23).
Unter einem konsensuellen Bereich ist mit Maturana (1985: 256) unter dem Stichwort der strukturellen Koppelung ein “Bereich […] ineinandergreifender Verhaltensweisen” zu verstehen, der sich aus der “reziproken Koppelung der Strukturen strukturell plastischer Organismen ergibt”. Auf das Konversieren als Verflechtung von Emotionalem und Linguiertem geht Maturana in seiner Ontologie des Konversierens ein (1990).
Die Herstellung eines anschlußfähigen Codes in Interventionszusammenhängen (Mingers 1995: 57) wurde bereits in Kap. III.2.1.1 unter dem Metakriterium der Äquivalenz abgehandelt. Hier geht es darüber hinaus um die Fähigkeit eines Instruments, einerseits selbst in einem gewissen Maße anschlußfähig zu sein, andererseits interne sprachliche Anschlußfähigkeiten zu stimulieren.
Vgl. zur Gestaltung von Kommunikationsbeziehungen als Koordinationsform in Organisationen allgemein Kieser/Kubicek (1992: 112ff.), als Bedingung der Transformation von Wissenssystemen Klimecki et al. (1994).
Die gleiche Relevanz hat die Entwicklung von Sprache in Organisationen für die Lernende Organisation. De Geus 1988: 74 argumentiert entsprechend: “And here we come to the most important aspect of institutional learning, whether it be achieved through teaching or through play […]. The institutional learning process is a process of language development”. Vgl. ähnlich Fiols Prozeß des “Interpretative Framing” (1994: 417).
Wie zentral die Bedeutung einer Erzeugung gemeinsam nutzbarer Begrifflichkeiten für Interaktionen ist, zeigt Heideloff (1998b: 67) in einer Paraphrasierung Meads: “[Man kann, H.R] davon sprechen, daß die Vorhandenheit einer gemeinsamen Sprache die interindividuelle Konstitution von Sinn in symbolischer Interaktion nicht nur beeinflußt, sondern sie maßgeblich fördert. Diese Beschreibung trifft auf alle Individuen zu. Jeder einzelne ist zugleich bestimmender und bestimmter Teil eines sozialen Systems oder Subsystems, in dem ein Symbolsystem vorherrscht”.
Zur Bedeutung des languaging für die soziale Konstruktion einer organisationalen Wirklichkeit siehe (v.Krogh et al. (1994: 61): “languaging refers to the process in which language is not only maintained but is constantly being developed based on previous language. Managers frequently discard distinctions, introduce new distinctions, use old distinctions on new situations, put words in new contexts, use distinctions in a metaphorical sense etc. In this process of languaging some distinctions are maintained, discussed and built on by others and thereby form the basis for developing organizational knowledge and finer distinctions, while other distinctions, because they are not understood, are forgotten, are dis-agreed on by others, or are discarded”. Vgl. für Gesellschaften ähnlich Berger/Luckmann (1994: 164): “Diese wirklichkeitsstiftende Macht des Gesprächs ist mit der Tatsache der Objektivation durch die Sprache bereits vorgegeben”.
Vgl. den Abriß zur Szenariotechnik in Kap. II.2.2.2.6.
Vgl. als pars pro toto der großen Menge ähnlicher Konzeptionen der instrumentierten Wissensorganisation etwa Strasser (1996: 14): “Im Unternehmen muss und kann solche Anschlussfähigkeit [von Neuem an bestehendes Wissen, H.R.] schließlich hergestellt werden mit Hilfe einer Sprache, die Struktur, Inhalt und den konkreten Veränderungsraum aktueller Wissensbestände möglichst differenziert zu benennen erlaubt”.
Vgl. hierzu Heideloff (in Anlehnung an Derrida 1992: 437), der für die Hervorbringung von neuem Wissen eine entsprechend umgekehrte Notwendigkeit zur Gewinnung einer Überzahl von Signifikanten gegenüber Signifikaten als Vervielfältigung von Beschreibungsmöglichkeiten (à la Weick 1985a: 370: “Verkomplizieren sie sich”, auch Weick 1995: 183) anmahnt.
Damit ist für die Kontextualität der Intervention in die organisatorische Wissensbasis auch im Hinblick auf das nachfolgend dargelegte Metakriterium der Organisationalisierung zu fragen, ob es dem jeweiligen Instrument gelingt, organisationsrelevante Kommunikationen so zusammenwirken zu lassen, daß sie ‘hinter dem Rücken der Akteure’ eine emergente Realität ergeben, die — in Regeln, Verfahren, Muster, Wissenssysteme und andere symbolische Ordnungen gebracht — der Interventionsabsicht entspricht (Willke 1995: 246).
Vgl. zur Technik des Reframing, einem Vorgehen, bei dem Wissensstrukturen mit veränderten kognitiven Kontexten versehen werden, u.a. Bandler/Grinder (1994a, 1994b).
Ein gutes Beispiel für diese Gruppe ist das bei Xerox (Garvin 1993: 81f.) eingeführte Sechs-Schritt-Schema zur Strukturierung von Problemen, welches in Papierform an jedem Arbeitsplatz der Organisation zu finden ist. Hier wurde — laut Probst et al. (1997: 193) — eine “Problemlösungssprache” eingeführt.
Vgl. hierzu insbesondere Kap. II.1.1, II.2.1.3,
Der Begriff Organisationalisierung faßt ein präskriptives Desiderat der Wissensdebatte zusammen (Bonora/Revang 1993; vgl. auch Kap. II.2) und ist somit Konsequenz aus der Aggregationsfähigkeit insbesonders individuellverteilt vorliegenden Wissens, die in den Kapiteln II.1.1, II.1.3 und III.1.2.2 problematisiert wurde.
Auf der theoretischen Seite ist dieses Kriterium mit der in Kap. H2.1.1 verwendeten Systematisie-rungsdimension der Analyseebene konfundiert. Analog zu den Ebenen Individuum/Gruppe/Organisation, die eine Theorie ins Auge fassen kann, sind hier die unterschiedlichen Aggregationsformen des Wissens (in) der Organisation betroffen, welche das Instrument anvisiert.
Vgl. Kap. II.1.
Dies ist insbesondere in bezug auf die in Kap. II. 1 gezeigten Entwicklungstrends zur kommunikationsintensiven Organisation (Blackler 1995: 1030; Kap. II. 1) bemerkenswert.
Vgl. hierzu Tsoukas (1996: 22): “Given the distributed character of organizational knowledge, the key to achieving coordinated action does not so much depend on those ‘higher up’ collecting more and more knowledge, as on those ‘lower down’ finding more and more ways of getting connected and interrelating the knowledge each one has. A necessary condition for this to happen is to appreciate the character of a firm as a discoursive practice: a form of life, a community, in which individuals come and share an unarticulated background of common understandings”. Vgl. hierzu auch den Begriff des shared meaning bei Weick (1995a: 188).
Vgl. etwa Senge (1990), der argumentiert, daß der Mitarbeiter und Manager von,morgen nicht nur die Resultate seiner Arbeit produziert, sondern daß er auch das Wissen zu produzieren und für die Allgemeinheit niederzulegen hat, wie er diese Resultate produziert hat.
Diese beiden Faktoren lassen sich auch als Kernbedingungen einer Transformation von Wissenssystemen bei Klimecki et al. (1994) lesen. Verständigung über die Wirklichkeit und die Existenz eines Speichermediums für symbolische Werte und externe Wissensbestände werden hier als unabdingbare Voraussetzung für Entwicklung von Wissen erkannt.
Obwohl die Relevanz der Sinnesmodalitäten für die Intervention in die Organisatorische Wissensbasis auf der Hand liegt, spielt sie in der Literatur zur Wissensorganisation bisher kaum eine Rolle. Lediglich in entfernteren Fachgebieten wie der Medienforschung (Tulodziecki 1981) oder der Mediendidaktik (Issing 1988) finden sich Hinweise auf die erhebliche Relevanz einer Austarierung unterschiedlicher sensorieller Systeme für eine Gestaltung von Wissensprozessen.
Während es sich beim Individuum um Modalitäten wie das Sehen, Hören, Schmecken etc. durch Sensorien wie Augen, Ohren etc. handelt, ist das Sensorium des Systems Organisation an allen Schnittstellen zwischen System und Umwelt zu lokalisieren, denen es gelingt, Daten aufzuspüren.
Vgl. zur Relevanz von körperbezogenem Wissen in Organisationen Nonaka/Takeuchi (1995: 239): “The most powerful learning comes from bodily experience. […] Learning by doing is equivalent to internalization, which is the conversion of explicit knowledge into tacit knowledge”.
Damit ist dieses Metakriterium als Konsequenz aus den Überlegungen zur Handlungsgeneriertheit von Wissen (Kap. II. 1.2), zu den entsprechenden Wirksamkeiten handlungsorientierter Instrumente der Wissensorganisation (Kap. II.2.2.2.3, II.2.2.2.4) und zur Körperbezogenheit tiefer verankerten Wissens (wie in Kap. II. 1.2 und III.1.2 geschildert) aufzufassen.
Vor diesem Hintergrund läßt sich auch die Diskussion zur Informationsflut (vgl. Kap. II. 1.3) neu lesen: Überlastet sind Organisationen nämlich vor allem mit schriftlicher/sprachlicher Information, die ein eingeschränktes Sensorium beanspruchen.
Vgl. für die Aufgabe des Wissenstransfers diesbezüglich etwa Sveiby (1997: 50): “People learn best by using their whole bodies. Games, simulation models, and role-playing are good ways to transfer knowledge”.
Der Begriff der Redundanz stammt aus der Informationstheorie und bezeichnet das Maß für einen Ordnungsgrad endlicher Häufigkeitsschemata (Shannon/Weaver 1949).
Grundsätzliches zur Redundanz ist bei Bateson (1992: 185) zu lesen. Redundanz wird hier als annäherndes Synonym für Bedeutung positioniert, als Musterung, die eine Voraussagbarkeit einzelner Ereignisse innerhalb einer größeren Ansammlung von Ereignissen erhöht. Damit ist Redundanz “inneres Wesen” und raison d’ être von Kommunikation (ebd. 1992: 524).
Im deutschen Sprachraum hat erstmals Staehle (1991b) plausibel argumentiert, daß Redundanz ebenso wie Slack keine Verschwendung von Ressourcen darstellt, sondern eine erhebliche Funktionalität für die Organisation aufweisen kann. Erstmals taucht der Begriff des Slack 1963 bei Cyert /March auf. Staehle (1991b: 319) bezeichnet damit das Phänomen einer Überversorgung mit Ressourcen. Spender (1996) grenzt Redundanz von Slack für die Wissensorganisation ab: Redundanz bezieht sich auf einen Überschuß von Wissen unterschiedlicher Typen, während Slack eher den Aspekt unternutzter Ressourcen hat. Slack ist gegenüber Redundanz ein simpleres, eindimensionaleres Konstrukt vordergründig identifizierbarer Organisationsressourcen.
Vgl. etwa Probst (1987: 81): “Redundanz ist durchaus so zu verstehen, daß mehrere Teile dasselbe tun können […], und damit mehr vorhanden ist als notwendig”.
Dieser Aspekt des Kollektiven rückt das Metakriterium der Redundanzgenerierung in die Nähe des Metakriteriums der Organisationalisierung. Redundanz macht das System unabhängiger davon, daß alle Kommunikation über ein individualisiertes Bewußtsein vermittelt werden muß (Luhmann 1994: 238). Trennendes Element zwischen den beiden Metakriterien ist jedoch die Idee, daß organisationalisiertes Wissen nicht mehrfach vorhanden sein muß.
Damit ist der hier verwendete Redundanzbegriff als Begriff von Wissensredundanz in der Tradition der Informationsredundanz kenntlich gemacht. Abzugrenzen sind hiervon Strukturredundanz (Zeep 1968) sowie Redundanz in Teilen oder Funktionen (v.Beinum 1988).
Auch für die Lernfähigkeit von Gesellschaftssystemen ist laut Deutsch (1978: 208ff.) ein bestimmtes Maß an Redundanz Voraussetzung.
Das Metakriterium ist damit als Resultat der Überlegungen von Kap. II. 1.1 und III. 1.2.2 erkennbar, die sich auf wachsende Probleme des unkontrollierten Wissensabflusses in Zeiten des downsizing und die damit einhergehende Notwendigkeit eines Erhaltes von Systemidentität beziehen.
Mit zweitem Loop ist hier die Schleife zweiter Ordnung von Lernprozessen gemeint. Ausführlicher wird hierauf in Kap. III.2.2.5 eingegangen.
Redundanz wird als Leitunterscheidung auch bei Groth als Instrument von Organisationsberatung beschrieben, das dem Berater wertvolle Hinweise für die Strategie der Veränderung von Strukturen liefert: “Mit diesem Schema haben die Berater zwar noch kein Rationalitätskriterium zur Verfügung, denn es ist nicht vorgegeben, welches Verhältnis optimal ist, aber Berater können vor dem Einwirken auf die Strukturen Einsicht bekommen daß die Steigerung der einen Seite nur mit dem Absinken der anderen erkauft wird” (Groth 1996: 96).
Zu den negativen Folgen von überhöhter Redundanz als “Verkrusten” von Organisationsstrukturen siehe Groth (1996: 97). Auch Nonaka/Takeuchi (1997: 97) konzedieren, daß die grundsätzlich geforderte Redundanz innerhalb von Arbeitsorganisationen im Übermaß auch dysfunktional sein kann: “Redundanz erhöht die Menge der Informationen und kann sogar zu einer Informationsüberlastung führen”. Dies läßt sich systemtheoretisch ergänzen. Weil Differenz gegensinnig zur Redundanz in sozialen Systemen fungiert, würde mit einem ausschließlichen Prozessieren von Informationen auf Redundanz hin die Gefahr einer übereinstimmend akzeptierten Fehleinstellung wachsen (Luhmann 1994: 238).
Hiermit ist die Herkunft des Metakriteriums als Konsequenz der Überlegungen zur systemischen Natur von Wissen gekennzeichnet, wie sie insbesondere in Kap. III. 1.1 und III. 1.2.2 entwickelt wurden.
Das traditionsreiche und schwierige Konzept der Kontingenz, des ‘auch anders möglich sein des Seienden’ ist damit für den hier verfolgten Argumentationszweck hinreichend umrissen (Luhmann 1975: 171). Zu vertiefender Lektüre sei Luhmann (1994) und Willke (1993a) empfohlen.
Auch kann die Aufklärung von Kontingenz als Grundlage von Selbsterfindung organisational Identität rekonstruiert werden: Bevor entschieden werden kann, “welche Art von Identität aus einer Bandbreite alternativer kontingenter Identitäten sie ihre spezifische Operationsweise realisieren” möchte (Willke 1995: 327), müssen diese Alternativen bekannt sein! Damit ist das im Zuge der Kontingenzaufklärung generierte Wissen als Steuerungswissen charakterisiert (Willke 1995).
Daß es sich hier um eine Aufklärung handeln muß, die einerseits innerhalb der Organisation noch Sinn macht, andererseits aber vom üblichen Wissen abweicht, sei hier als Grenzziehung angeführt. Damit liegt das im Zuge der Kontingenzaufklärung aufklärbare Wissen zwischen Wahnsinn und Irrelevanz (Watzlawick 1996: 204).
Auch die von March et al. (1991) vorgeschlagenen hypothetical histories gehen in diese Richtung. Sie sind ein gezieltes Umgehen mit kontingenten Möglichkeiten organisational Wirklichkeit. Auch die Forderung Schneiders (1996) nach einem bewußten Umgang mit Fremdem und bewußter Forcierung von Verfremdungserfahrungen läßt sich unter das Metakriterium der Kontingenzaufklärung fassen.
Ein praktisches Beispiel für alternative Konzeptualisierungen von Wirklichkeit in bezug auf Gegenstände naturwissenschaftlicher Theoriebildung liefert De Selby (in O’Brien 1991), der die Nacht entgegen der allgemein akzeptierten Erklärung der Planetenbewegung auf eine Akkumulation ‘schwarzer Luft’ nicht näher spezifizierten vulkanischen Ursprungs zurückführt.
Das Metakriterium der Reflexivität ist damit die Folgerung aus den Überlegungen zur Gewährleistung kontextueller Tiefe im Zusammenhang von Wissens-Intervention in den Kap. III. 1.2.1 und III. 1.2.2.
Vgl. auch die Rolle der Reflexivität in der Erfahrungsbildung bereits bei Mead (1943). Für die Wissensorganisation bezeichnet Schneider (1996: 30) kontrollierte Reflexivität als Schlüsselfaktor.
Vgl. zu dieser Möglichkeit in bezug auf Systemstrukturänderungen allgemein Luhmann (1994: 612): “Reflexive Prozesse können als strukturändernde Prozesse eingesetzt werden, und ihre Entwicklung drängt sich dann auf, wenn ein hoher Bedarf für kontrollierte Strukturänderung besteht.”
Bei Argyris/Schön (1978) wird dies auch als Auswechseln des Bezugsrahmens bezeichnet.
Hier ist anzumerken, daß mit Fremdreferenz im Zusammenhang der instrumentierten Wissensorganisation auch die je spezifische Fremdreferenz eines Systems gemeint ist, die sich auf organisationsinterne Umwelten organisational Subsysteme bezieht.
Vgl. ausführlicher zum Konstrukt der mentalen Modelle Kap. II.1 und Heideloff/Baitsch (1998). Vgl. auch eingängig Senge et al: (1996: 271): “Mentale Modelle sind Bilder, Annahmen und Geschichten, die wir von uns selbst, von unseren Mitmenschen, von Institutionen und von jedem anderen Aspekt der Welt in unseren Köpfen tragen”.
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Roehl, H. (2000). Wege zu einem konzeptuellen Bezugsrahmen instrumentierter Wissensorganisation. In: Instrumente der Wissensorganisation. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89796-1_3
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