Zusammenfassung
Ich werde in diesem Kapitel etwas zu den in der Überschrift genannten Begriffen sagen und einen Zusammenhang zwischen ihnen herstellen. Die folgenden Überlegungen verstehen sich als Beitrag zu einer Konstitutionstheorie der wissenschaftlichen Erkenntnis im Anschluß an die Transzendentalphilosophie Kants, die spezifischen Modifikationen zu unterwerfen sein wird. Das Projekt einer Konstitutionstheorie wird hier weder erläutert, noch wird begründet, warum es für notwendig gehalten wird, derartige Gedanken zu pflegen. Ich situiere mich im Feld dieser Problematik und versuche, eine These zu entfalten: Metaphern können ein spezielles Apriori darstellen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Turbayrie 1962 studiert derartiges en détail am Beispiel der Mechanik; die Mechaniker seien “victims of the metaphor of the great machine” (5). Vgl. auch die Diskussion der Modelltheorie J.C. Maxwells bei Black 1960, 226f.
vgl. auch: “In stretching the language by which the model is described in such a way as to fit the new domain, we pin our hopes upon the existence of a common structure in both fields” (238).
“Spekulative Instruments” ist der Titel eines Buches von I.A. Richards aus dem Jahre 1955; zit. nach Black 1960, 237.
Hutten war der erste, der Metapher und Modell zusammendachte.
Vgl. die folgende instruktive Stelle: “Im Zusammenhang mit einem Kunstwerk, das man bewundert, besteht immer die Gefahr, in Worte zu fassen, was das Werk bedeutet...”, aber keine solche Beschreibung kann die Bedeutung des Werkes wirklich ausschöpfen. “Der Grund dafür ist, daß alles, was am Kunstwerk mehr ist, nicht nur ein quantitativer Überhang ist, den man mit noch mehr Worten zu retten hoffen kann; es ist die Kraft des Werkes, die in der Metapher enthalten ist, und Kraft ist etwas, das empfunden werden muß” (Danto 1981, 264f). Die Blacksche Liste der projizierten Gemeinplätze und Beardsleys Liste der Konnotationen sind nicht nur “von einer völlig anderen logischen Art” (ebd.) als die Metapher selbst; sie sind vor allem von einer völlig anderen metaphorischen Art.
Hieraus ergibt sich Dantos Definition des Kunstwerkes, die kein Identifizierungskriterium enthält; man kann sie ganz kurz so aussprechen: Kunstwerke sind Darstellungen, die die Präsentationsweise rhetorisch benutzen (vgl. 224).
Ich greife abermals Danto auf: 1981, 229ff: “… die logische Unsichtbarkeit des Mediums (halte ich) für das Hauptmerkmal der Nachahmungstheorie” (231). Darin besteht zugleich ihr Mangel und ihre Unfähigkeit, eine zureichende Antwort auf die Frage, was ein Kunstwerk ist, zu geben.
Man erinnere sich an Vico 1744, 172; hier zit. auf S. 92.
Thomas Manns “Lotte in Weimar” (1939) läßt sich unter diesem Aspekt lesen. Im Medium der Kunst Thomas Manns begegnen sich gleichsam die Lotte Manns, die Goethe als Modell für die Lotte Werthers genommen hatte, mit Werthers Lotte. Lotte sieht ihr Leben im Rahmen des Lebens der Lotte Werthers: in ihrer Person begegnen sich also die Metapher der Kunst, die auf das Leben übergreift, und das Modell im Medium der Kunst Thomas Manns und interferieren miteinander. Lotte erfährt an sich, was nach Danto Leistung der Kunst ist: Die Verklärung des Gewöhnlichen; sie erlebt an sich die Begegnung von Dichtung und Wahrheit. Der große Goethe-Roman Manns ist so eine Metapher der Kunst selbst.
Vgl. Bachelard 1957, Kap. VII “Die Miniatur”, 178–212 und als Beispiel Thomas Mann 1924, 300f (Kap. fünf, Abschnitt sieben “Forschungen”).
Ich beziehe mich im folgenden auf Becker 1984.
Kuhn richtet sich gegen den Realismus Boyds (1979), dessen “reale Welt” Kuhn mit den unerkennbaren Dingen an sich Kants gleichsetzt. Daß die Realobjekte eines wissenschaftsphilosophischen Realismus Dinge an sich seien, ist der denkbar schärfste Einwand gegen ihn.
Geschichte, lehrt Mittelstaedt, hat die Physik nur so wie ein Puzzle, bei dem das einzig mögliche Bild auch auf viele (endlich viele!) Weisen zusammengesetzt werden kann, je nach dem, welchen Teil man als ersten legt, welchen als zweiten, usw.. “Von der Gesamtentwicklung der Physik als Wissenschaft her gesehen gibt es jedoch eine eigentliche Geschichte insofern nicht, als das schließlich erreichbare Endergebnis feststeht, und nur die einzelnen Schritte, durch die dieses große Puzzle zusammengesetzt wird, gewissen Variationen unterliegen können” (1972, 83; Hervorheb. von mir).
Man liest da auch: “Every great breakthrough in science, every scientific revolution, has also been a poetic revolution because it has created a new paradigm of thought”, W. Bennis.
Kleist hatte schon 1801 im gleichen Zusammenhang grün gefärbte Gläser zur Veranschaulichung herangezogen. Er schreibt: “Seit diese Überzeugung, nämlich, daß hienieden keine Wahrheit zu finden ist, vor meine Seele trat, habe ich nicht wieder ein Buch angerührt” (1801, 634).
Man hat das gelegentlich als das Kopernikanische an Kants Wendung bezeichnet: Wie am Himmel sich die phänomenale Bewegung der Planeten aus ihrer wahren Bewegung und der Eigenbewegung des Beobachters ergibt, sollen sich die Vorstellungen aus zwei Beiträgen zusammensetzen und die Kenntnis des Erkenntnisvermögens soll uns in die Lage versetzen, seinen Anteil wieder herauszurechnen, so daß der Objektanteil rein übrig bleibt.
Whorf schließt die Naturwissenschaften ausdrücklich ein; nach ihm geht “die Weltansicht der modernen Naturwissenschaft aus der höher spezialisierten Anwendung der grundlegenden Grammatik der westlichen indoeuropäischen Sprachen hervor” (1940a, 21). Man kann diese Kontinuitätsthese mit guten Gründen bezweifeln.
Die logischen Sätze “setzen voraus, daß Namen Bedeutung, und Elementarsätze Sinn haben: Und das ist ihre Verbindung mit der Welt” (Wittgenstein 1921, 6.124.)
Bei Castoriadis ist dies eine Leistung des “Imaginären”; vgl. 1975, 217ff (“Das Symbolische und das Imaginäre”).
“Die Analogie einer Gesellschaft mit einem Organismus erschien noch klarer, als wir erwogen, daß jeder Organismus von wahrnehmbarer Größe auch eine Gesellschaft ist…” Spencer 1876, § 223, S. 21.
An ihm bewährt sich Dantos Charakterisierung der rhetorischen Rede als enthymemisch.
“Seht ihr, ich kann ihn lächeln lassen, grad/so gut wie reden” (2400).
Mooij 1976, 173f macht aus dem Maß der Referenz auf die wörtliche Bedeutung des metaphorisch verwandten Ausdrucks die erste Dimension eines dreidimensionalen Raumes der Metaphern. Eine Auseinandersetzung mit Mooijs interessanten Überlegungen lag außerhalb der Linienführung meiner Arbeit.
Dieses und das Spencer-Zitat entnahm ich einem kleinen Reader zum Gesellschaftsbegriff, den A.v. Prondczynsky für ein Seminar über Castoriadis, das wir gemeinsam durchführten, zusammenstellte.
Über Feldmetaphorik und Feldmodelle existiert meines Wissens noch keine spezielle Untersuchung. Ihre Untersuchung quer durch Gestalttheorie, Denkpsychologie, Linguistik, Biologie und Gesellschaftstheorie ist ein dringendes Desiderat.
“Wie in einem Mosaik fügt sich hier (im Bedeutungsfeld, GS) Wort an V/ort, jedes anders umrissen, doch so, daß die Konturen aneinander passen”, Ipsen (1924), zit. nach Ullmann 1962, 308.
Abermals liefere ich nur eine Skizze — nicht mehr als die Idee zu einer eigenständigen Untersuchung.
“Wie das Netz der Machtbeziehungen ein dichtes Gewebe bildet…” (118).
Vgl. die “Schlußbemerkung” in Descombes 1979, 220ff.
Wobei ich mich frei einer Formulierung von Oastoriadis bedient habe; Castoriadis 1972, 44.
Rights and permissions
Copyright information
© 1987 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
Schöffel, G. (1987). Modell, Metapher und Konstitution. In: Denken in Metaphern. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89755-8_12
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-89755-8_12
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-11858-1
Online ISBN: 978-3-322-89755-8
eBook Packages: Springer Book Archive