Zusammenfassung
Individuelle Freiheit kann nicht ohne Berücksichtigung der Rolle des Eigentums bewertet werden. In diesem Satz ist das Postulat enthalten, daß erst dann von der neuen Qualität eines „Sozialstaates“ die Rede sein kann, wenn der Gesetzgeber mehr will, als nur die Freiheit formal-rechtsstaatlich zu garantieren. Verfassungstheoretisch steht diese Problematik hinter der Diskussion um die Ausgestaltung des Rechtsstaates des 19. Jahrhunderts zu einem sozialen Rechtsstaat, ohne daß in dieser Diskussion allerdings diese Grundproblematik sehr deutlich wird (siehe 3. Teil dieser Arbeit). Darin kommt die mangelhafte Beachtung der jeweiligen gesellschaftspolitischen Rele- vanz durch die juristische Sozialstaatsdeutung zum Ausdruck. Das Privateigentum ist gerade in einem Sozialstaatsmodell, wie es der Bundesgesetzgeber in bezug auf die wirtschaftliche Entfaltung des einzelnen und der Berufsgruppen entwickelt hat, die Voraussetzung für wirtschaftliche Macht und Kontrolle, die Quelle überdurchschnitt- lichen wirtschaftlichen Ertrages und Bestandteil gesellschaftlicher Sicherheit und gesellschaftlichen Ansehens. Je mehr sich der Staat (Gesetzgebung und Regierung) seiner unmittelbaren Verantwortung für die Gesellschafts- und Wirtschaftsprozesse entledigt und sich auf schichtenspezifische Bevorzugungen und sozialpolitische Schutz- und Korrekturmaßnahmen zurückzieht, um so größer ist das Gewicht des individuellen Eigentums. Die individuelle Freiheit, die mit Eigentum an Produktionsmitteln verbunden ist, erscheint in einem solchen Modell größer als die individuelle Freiheit, die lediglich einen Rechtsanspruch auf Unantastbarkeit bedeutet und bei der stillschwei- gend vorausgesetzt wird, daß ein Teil dieser Freiheit im Interesse der Sicherung der Existenz aufgegeben werden muß, um bei einem Besitzer von Produktionsmitteln eine abhängige Beschäftigung auszuüben.
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Hartwich, HH. (1970). Das Privateigentum im Sozialstaatsmodell des Bundesgesetzgebers. In: Sozialstaatspostulat und gesellschaftlicher status quo. Schriften zur politischen Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, vol 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89749-7_5
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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