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Verlaufsmuster von Kriminalität — Eine Bestandsaufnahme

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Einmal Verbrecher — immer Verbrecher?
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Zusammenfassung

Die meisten kriminologischen Langzeitstudien liefern zahlreiche Belege für den deutlichen Zusammenhang von sozial auffälligem Verhalten in einer Lebensphase und sozial auffälligem „Verhalten“in einer nachfolgenden Lebensphase. Für diesen Aspekt der Kontinuität ist in der empirischen kriminologischen Forschung ein erhebliches Ausmaß an Bestätigung erreicht worden.1 Caspi und Moffitt (1995, S.472) fassen die Forschung über die Kontinuität sozial abweichenden Verhaltens folgendermaßen zusammen: „Individual differences in antisocial behavior are very stable across the life course.“Als Beleg für diese Aussage zitieren die Autoren viele Studien, die sich mit der Kontinuität von abweichendem Verhalten in der Kindheit und Jugendphase beschäftigen. Demgegenüber ist die Anzahl der Studien, die als empirische Belege für eine Kontinuität sozialer Auffälligkeiten über die Jugendphase hinaus angeführt werden, nur sehr gering. Die Autoren sprechen nur noch davon, dass „a history of antisocial behavior in childhood and adolescence is also linked with criminal behavior in later life.“Diese Zurückhaltung bei der Interpretation des Zusammenhangs von sozial abweichendem Verhalten über die Jugendphase hinaus, verweist auf die nach wie vor bestehenden Forschungsdefizite. Bei den meisten prospektiv angelegten Studien auf die sich die Verlaufsforschung bezieht, wurde das mittlere Erwachsenalter entweder nicht erfasst oder noch nicht erreicht.

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Literatur

  1. Vgl. stellvertretend für viele: West/Farrington (1977), Olweus (1979), Loeber (1982), Loe-ber/LeBlanc (1990), Nagin/Paternoster (1991).

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  2. Loeber formuliert die Kontinuitätshypothese folgendermaßen „Children who intially display high rates of antisocial behavior are more likely to persist in this behavior than children who initially show lower rates of antisocial behavior“(1982, S. 1433).

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  3. Die Definition des Intensivtäters von Kaiser (1993, S. 178) verdeutlicht diesen Sachverhalt: „Als Intensivtäter gelten solche Mehrfachdelinquenten, die aufgrund von Art, Schwere und Häufigkeit des Rechtsbruchs eine besonders hohe Sozialgefährlichkeit gegenüber sogenannten „intermittierenden“, d. h. nur gelegentlich deliktisch handelnden, Rückfalltätern erkennen lassen.“Diese Definition ist alles andere als eindeutig.

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  4. Vgl. Wolfgang/Thornberry/Figlio (1987), Tracy/Wolfgang/Figlio (1990), Wolfgang (1995), Tracy/Kempf-Leonhard (1996).

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  5. Auch bei der Philadelphia-Untersuchung zeigte sich zwischen den Geschlechtern und den Ethnien ein deutlicher Unterschied in der Kriminalitätsbelastung: Die Prävalenzrate der schwarzen männlichen Bevölkerung betrug 53% und die Prävalenzrate der hispanischen männlichen Bevölkerung 35%. Demgegenüber betrug der Anteil bei den Frauen nur 14%, wobei die Rate bei der schwarzen weiblichen Untersuchungspopulation mit 19% doppelt so hoch war wie bei der weißen weiblichen Population.

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  6. Siehe Stattin/Magnusson (1991), Stattin/Magnusson/Reichel (1989), Magnusson (1988).

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  7. Für die Langzeituntersuchung wurden die Daten des National Police Board, bei dem alle polizeilichen Registrierungen ab dem 15. Lebensjahr zentral erfasst werden, die Daten der lokalen Polizei, bei der alle polizeilichen Registrierungen bis zum Alter von 15 Jahren erfasst werden, sowie die Daten der lokalen und der zentralen Child Welfare Board’s zusammengefasst. Siehe Stattin/Magnusson/Reichel (1989, S. 370).

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  8. Wenn man den Zeitraum bis zum 14. Lebensjahr mit einbezieht erhöht sich die Prävalenzrate bis zum Alter von 29 Jahren auf 37,7% und die Zahl der Täter auf 267 (Stattin/Magnusson/Reichel 1989, S. 374).

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  9. Für unsere Analyse wurden alle Probanden, die vier oder mehr offizielle Registrierungen hatten, als „chronische“Straftäter gefasst. Diese leichte Differenz zu der Einteilung von Wolfgang et al. musste in Kauf genommen werden, da uns die Daten nur in dieser Form vorlagen.

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  10. Diese kleine Zahl von Straftätern (38 Probanden) war für 59% aller Delikte, die in der Kindheit begangen wurden, für 63% aller Delikte in der Jugendphase und für 62% aller Straftaten im Erwachsenenalter verantwortlich (Stattin/Magnusson 1991, S. 337).

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  11. Die Eintragungen beruhen auf rechtskräftigen Verurteilungen oder auf informellen Sanktionierungen nach den §§45,47 JGG.

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  12. Bei beide Kohorten wurde eine Auswertung der Registrierungen vom Eintritt der Strafmündigkeit bis zur Volljährigkeit durchgeführt. Darüber hinaus beinhaltet die Analyse der Kohorte von 1961 auch Registrierungen über das Alter von 18 hinaus bis zum maximalen Alter von 22 Jahren.

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  13. Aus Gründen der Vergleichbarkeit mit den bisher dargestellten Studien beschränken wir unsere Darstellung auf den männlichen deutschen Teil der Kohorte. Eine nach Geschlecht und nach Deutschen und Ausländern differenzierte Darstellung findet sich in dem Aufsatz von Grundies (1999). Auch bei den Freiburger Kohortenuntersuchungen konnte die immer wieder vorgefundenen deutlichen Unterschiede in den Registrierungshäufigkeiten zwischen diesen sozialen Dimensionen reproduziert werden: „Eine Analyse ergibt, dass 1992 (gemittelte Werte der Geburtskohorten 1970 und 1973) von den 7 bis 21jährigen männlichen Deutschen der Wohnbevölkerung Baden-Württembergs ca. 23% von der Polizei ein- oder mehrmals registriert wurde. Die entsprechenden Werte betragen für weibliche Deutsche ca. 8%, für männliche Ausländer ca. 53% und für weibliche Ausländer ca. 17%. Damit ergeben sich ungefähr folgende Verhältnisse der Registrierungshäufigkeiten: weiblich: männlich =1:3 und Deutsche zu Ausländer = 1: 2“(Grundies 1999, Seite 398).

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  14. Ob mit diesem episodenhaften Verhalten lebensgeschichtliche Nachteile verbunden sind, ist eine Frage der wir im Kapitel 6.1 nachgehen werden.

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  15. Zu ähnlichen Ergebnissen kam Baumann (1996) bei seiner Untersuchung der Registrierungskarri-eren von Strafentlassenen. Er untersuchte die Rückfallquote von 191 männlichen erwachsenen Strafentlassenen, die zwischen dem 11.1978 und dem 31.12.1981 nach mindestens zwölfmonatiger Strafverbüßung aus der Freiburger Justizvollzugsanstalt entlassen wurden bis zum Jahr 1989. In diesem Zeitraum hatten 82% einen erneuten Eintrag im Bundeszentralregister und die Hälfte der Population wurde erneut inhaftiert. Wenn wir jedoch ein langsames Ausklingen der Karriere unterstellen und nur die Registrierungen in den letzten fünf Jahren der Untersuchungsdauer berücksichtigen, kommt es bei 37% zu keiner neuen Registrierung. Bei den 82% der Probanden, die erneut inhaftiert wurden, war die Hälfte schon innerhalb von 20 Monaten rückfällig. Ein ähnliche Abbruchquote konnte Krüger (1999) in einer Verlaufsanalyse von 97 jugendlichen Mehrfachtätern in Hamburg feststellen. Ausgehend von der jugendlichen Mehrfachtäterschaft wurden die Delinquenzentwicklung der Untersuchungsprobanden bis zum Alter von 35–36 Jahren erfasst. Am Ende des Untersuchungszeitraums waren 45 der 97 untersuchten Probanden noch polizeilich registriert. Das entspricht einer Abbruchquote von knapp 50%. Vergleichbare Ergebnisse zeigten sich auch bei der Rückfalluntersuchung von Dolde/Grübl (1996) bei ehemaligen Jugendstrafgefangenen in Baden-Württemberg.

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  16. Für unsere Analysen konnten wir auf die Daten der ersten 8 Befragungswellen zurückgreifen. Die Datensätze des NYS wurden im Rahmen des von der DFG geförderten Projektes „Involvierung in Delinquenz als Opfer und als Täter“am Institut für Kriminologie Tübingen aufgearbeitet. Unser Dank für die Überlassung der Datensätze gilt insbesondere Volkard Schindler.

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  17. Die geringe Fallzahl von 262 Probanden (verglichen mit den ursprünglich 1725 Probanden) ergab sich über die Selektionen Rasse, Geschlecht, Alter bei der ersten Befragung zwischen 13 und 16 Jahren sowie über die Teilnahme bei allen acht Befragungswellen.

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  18. Nicht berücksichtigt wurden Ordnungswidrigkeiten, Verhaltensformen die den Bereich Jugendschutz betreffen, Delikte im Bereich von leichter Sachbeschädigung, Diebstahlsdelikte, Drogendelikte, Delikte im Bereich von Körperverletzung und Sittlichkeitsdelikte. Die letzten vier Deliktsbereiche wurden, obwohl sie per se nicht als Bagatelldelikte zu bewerten sind, nicht in der Analyse berücksichtigt, da sich bei genauerer Betrachtung zeigte, dass sich hinter diesen Delikten eine größere Anzahl von trivialen Sachverhalten verbergen. Beispielsweise konnte Elliott durch zusätzliche Fragen, die eine präzisere Einschätzung der Sachverhalte ermöglichten, nachweisen, dass 75% der angegebenen Körperverletzungsdelikte als Bagatellsachverhalte zu werten sind (Elliott 1989).

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  19. Unter schwere Straftaten fasste Elliott (1994, S3) schwere und gefährliche Formen von Körperverletzung, Raubdelikte und Vergewaltigung. Erfasst wurden die Delikte über die Fragen: 1)“Have you attacked someone with the idea of seriously hurting or killing that person?“2)“Have you used force or strong-arm methods to get money or things from people?“3)“Have you had or tried to have sexual relations with someone against their will?“

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  20. Auch bei der Philadelphia-Untersuchung hatten 44% der männlichen Probanden, die in ihrer Jugend wegen schweren gewalttätigen Delikten registriert wurden, keine offiziellen Registrierungen im Erwachsenalter (Tracy/Kempf-Leonhard 1996, S.144).

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  21. Das bedeutet jedoch nicht, dass die höheren Kriminalitätsbelastung bei selbstberichteten Angaben ohne Probleme sind. Ein häufig erwähntes Problem bei der Analyse selbstberichteter Angaben zu kriminellem Verhalten betrifft die Gefahr der Doppelzählung. Bei einer Validitätsüberprüfung der selbstberichteten Angaben des National Youth Survey, zeigte sich, dass beispielsweise bei dem Delikt Autodiebstahl 40% der Probanden, die dieses Delikt angaben, wegen demselben Tatbestand auch das Delikt Fahren ohne Fahrerlaubnis und 23% einen Diebstahl über 50 Dollar angaben (Elliott 1989). Ohne detaillierte Analysen besteht also die Gefahr einer zu hohen Kriminalitätsbelastung. Aber auch die gegenteiligen Effekte, also eine Unterschätzung der Kriminalitätsbelastung konnte auf der Grundlage des NYS nachgewiesen werden. Menard und Elliott (1990) konnten nachweisen, dass die Angaben zur Delinquenz bei einem jährlichen Befragungsrhythmus deutlich höher ausfallen, als bei einer retrospektiven Befragung der letzten drei Jahre. Ein weiteres Problem bei Eigenberichten über kriminelles Verhalten ist das sogenannte Trivialitätsproblem. Dieses Problem lässt sich wiederum sehr anschaulich anhand des National Youth Survey aufzeigen. Für eine Validierung und

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  22. bessere Einschätzung der selbstberichteten Angaben zur Delinquenz wurden in ausgewählten Jahren Zusatzfragen zu den ursprünglich erfassten Delikten gestellt. Am Beispiel des Deliktes Körperverletzung konnte Elliott (1988) durch die Analyse der Zusatzfragen, nachweisen, dass es sich bei 75% der Körperverletzungsdelikte um Bagatellsachverhalte handelte. Selbst bei den sogenannten Index-Straftaten (Vergewaltigung, Raub, schwere Körperverletzung, Bandenschlägerei, Einbruchdiebstahl, Diebstahl über 50 Dollar und Autodiebstahl) und bei schweren gewalttätigen Delikten (schwere Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung und Bandenschlägerei) wurden aufgrund der Zusatzfragen 22% beziehungsweise 33% der angegebenen Delikte als nicht schwerwiegend charakterisiert. Diese Unsicherheit bei der Klassifikation der Delikte ist nur durch sehr detaillierte Zusatzfragen, die den Kontext der Handlung mit berücksichtigen, zu beheben. Mit dieser Strategie stößt man jedoch sehr schnell an die Grenzen der Leistungsfähigkeit von quantitativ orientierten Forschungen. Insoweit ist Elliott (1989, S. 155) zuzustimmen, wenn er darauf hinweist, dass „few issues are as critical to the study of crime and delinquency as the question of the reliability, validity and precision of our measures of this phenomenon“. Oder wie Kerner (1994, S.924) treffend formuliert: „Wie Kriminalität wirklich aussieht, weiß niemand.“Was wir jedoch wissen, ist, dass die unterschiedlichsten Untersuchungen, die wir dargestellt und diskutiert haben, deutliche Gemeinsamkeiten in den Verlaufsmustern von Kriminalität aufweisen.

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  23. Die kriminalpolitische Prisanz der jugendlichen Mehrfachtäter wurde auch durch eine aktuelle Untersuchung des Bayrischen Landeskriminalamtes (1998) bestätigt. Bei dieser Untersuchung wurden die registrierten Strafkarrieren aller Jugendlichen, die 1991 im Alter von 14 oder 15 in München als Tatverdächtige polizeilich ermittelt wurden, bis zum Jahr 1996 verfolgt. Insgesamt handelt es sich um 906 Jugendliche, 702 Männer und 204 Frauen. Innerhalb des fünfjährigen Untersuchungszeitraums blieben 305 Tatverdächtige (34%) ohne weitere Kontakte mit den Strafverfolgungsinstanzen. 306 Tatverdächtige (34%) hatten 2–4 Kontakte, und 295 Tatverdächtige hatten fünf und mehr Kontakte. Insgesamt wurden von den 906 Tatverdächtigen innerhalb des fünfjährigen Untersuchungszeitraums 6 268 Straftaten polizeilich erfasst. Über vier Fünftel (83%) entfallen auf das eine Drittel der Tatverdächtigen (295) mit fünf oder mehr Einträgen (S. 115). Mehr als die Hälfte davon (52%) entfallen auf die 87 Tatverdächtigen, für die 20 oder mehr Straftaten registriert wurden, wobei diese Gruppe auch für 3/4 aller schweren Diebstähle verantwortlich war. Die Autoren der Studie weisen jedoch daraufhin: “Eine ins Erwachsenalter hineinreichende kriminelle Karriere kann auf der Grundlage unserer Daten allein jedoch nicht angenommen werden. Auch bei Jugendlichen, die über mehrere Jahre und mit vielen Straftaten polizeilich auffällig waren, kommt es häufig zu einer „Spontanremission“— weitere strafbare Handlungen bleiben aus.“(S. 112).

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Stelly, W., Thomas, J. (2001). Verlaufsmuster von Kriminalität — Eine Bestandsaufnahme. In: Einmal Verbrecher — immer Verbrecher?. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89598-1_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-89598-1_2

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-13665-3

  • Online ISBN: 978-3-322-89598-1

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