Zusammenfassung
Politik und Religion erscheinen in der Geschichte des christlichen Abendlandes im Verhältnis verhängnisvoller Verwandtschaft. Den Etappen und Epochen dieses Verhältnisses lassen sich lange Geschichten widmen, die von Konkurrenz und Ergänzung, von Eifersucht und Freundschaft, die vom Seelenheil und vom irdischen Frieden, von Macht und Ohnmacht handeln. Bei allem Wechsel der Konstellationen, bei steter Balanceverschiebung bleibt eines gleich: eine gespannte Beziehung zwischen der Macht- und der Heilsfrage. Ein kleiner jüdischer Zimmermannssohn, später von den römischen Besatzungsbehörden gekreuzigt, als Gottessohn erschienen, hat die Königsherrschaft Gottes in einem Reich versprochen, das nicht von dieser Welt ist. Damit verbunden ist eine Entwertung des Saeculums, von der sich diese Welt nicht mehr erholen wird. Solange fortan eben diese Königsherrschaft Christi ersehnt wird, solange der Herabkunft des himmlischen Jerusalems mehr oder weniger entgegengefiebert wird, solange kann Geschichte, nämlich die Geschichte des Saeculums nur als Interim gedeutet werden, als Zwischenzeit. Als Zwischenzeit kann sie legitim nur mit Blick auf jenes Ziel gedeutet werden, das ihr selbst äußerlich ist. Zu dem durch das Christentum geprägten Konzept der Geschichte gehört also die Vorstellung eines Bruches, der die Deutung von Geschichte, also ihre sinnhafte Auslegung, überhaupt erst ermöglicht.
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Literatur
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Adam, A. (2001). Säkularisierung? Anmerkungen zu einer deutschen Debatte. In: Hildebrandt, M., Brocker, M., Behr, H. (eds) Sakulärisierung und Resakralisierung in westlichen Gesellschaften. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89593-6_9
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