Zusammenfassung
Kaum ein politisch relevanter Begriff erweckt so unterschiedliche, ja gegensätzliche Assoziationen wie der Begriff der Säkularisierung bzw. der Säkularität. Ursache dafür ist nicht nur die lange und verschlungene Geschichte des Begriffs und seiner wissenschaftlichen sowie außerwissenschaftlichen Reflexion (vgl. dazu Lübbe 1965). Hinzu kommt, dass es sich um einen Begriff handelt, der bis in die jüngere Vergangenheit hinein — ganz im Sinne des antagonistischen Politikverständnisses Carl Schmitts (1963) — häufig zur Markierung von Grenzen verwendet worden ist. An ihm machten sich sowohl weit gespannte politische Zukunftshoffnungen als auch tief greifende politische Verlustängste fest. Beispielsweise fungierte der Säkularisierungsbegriff in der Zeit des Bismarckschen Kulturkampfes, wie Hermann Lübbe schreibt, als das „Schibboleth“, um das sich die Lager der Nationalliberalen und Ultramontanisten gruppierten (Lübbe 1965: 31). Er bildete über mehrere Generationen hinweg die imaginäre Wasserscheide zwischen Fortschritt und Reaktion oder — von der anderen Seite her betrachtet — zwischen traditioneller christlicher Moral und modernem Nihilismus.
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Bielefeldt, H. (2001). Säkularisierung — ein schwieriger Begriff: Versuch einer praktischen Orientierung. In: Hildebrandt, M., Brocker, M., Behr, H. (eds) Sakulärisierung und Resakralisierung in westlichen Gesellschaften. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89593-6_2
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