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Damnatio memoriae und “Werke von langer Dauer”

Zwei ästhetische Grenzwerte in Brechts Exillyrik

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Peter Weiss Jahrbuch 7

Zusammenfassung

Brechts Werk ist bisher noch kaum unter der thematischen und methodischen Perspektive von ‘Erinnern’ und ‘Vergessen’ behandelt worden. Ein wenig erstaunlich ist dies schon, wenn man die aktuelle Konjunktur der Forschungen zum “kulturellen Gedächtnis”, auch und gerade in der deutschen Literaturwissenschaft, bedenkt. Wenn ich recht sehe, hat bisher nur Gerhard Neumann der memoria in einigen Liebesgedichten Brechts nachgeforscht und Sigrid Thielking dessen “Inschriften im Kontext von Denkmalsdiskurs und Erinnerungspolitik” diskutiert.1 Mit den folgenden Überlegungen, die ich als vorläufige Problemskizze verstehe und gelegentlich weiter ausführen möchte, knüpfe ich dankbar an beide Studien an.

AN DIE DÄNISCHE ZUFLUCHTSSTÄTTE Sag, Haus, das zwischen Sund und Birnbaum steht: Hat, den der Flüchtling einst dir eingemauert Der alte Satz DIE WAHRHEIT IST KONKRET Der Bombenpläne Anfall überdauert? Steffinsche Sammlung, 1940

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Anmerkungen

  1. Gerhard Neumann: “L’inspiration qui se retire” — Musenanruf, Erinnern und Vergessen in der Poetologie der Moderne. In: Anselm Haverkamp/Renate Lachmann (Hg.): Memoria. Erinnern und Vergessen. München 1993, S. 433–455;

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  2. Sigrid Thielking: “L’homme statue”? Brechts Inschriften im Kontext von Denkmalsdiskurs und Erinnerungspolitik, erscheint in: The Brecht Yearbook 24 (1999). Verspätet habe ich zur Kenntnis genommen: Daniel Müller-Niebala: Vergessen und Erinnern im Text. Noch einmal Bert Brechts “Erinnerung an die Marie A.”. In: Poetica 29 (1997) H. 1/2, S. 234–254. — Meine eigenen Überlegungen habe ich zuerst auf einer Tagung der Society for Exile Studies zum Thema “Aesthetics of Exile” im September 1988 an der University of Vermont in Burlington vorgetragen. Brechts Gedichte zitiere ich im Text nach der Großen kommentierten Berliner und Frankfurter Ausgabe unter Angabe von Band- und Seitenzahl.

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  3. Jan Knopf: Gelegentlich: Poesie. Ein Essay über die Lyrik Bertolt Brechts. Frankfurt am Main 1996, S. 71. — Dort auch Diskussion der Deutungen von Schöne und Schuhmann.

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  4. Walter Benjamin: Der Erzähler. In: W.B.: Illuminationen. Ausgewählte Schriften. Frankfurt am Main 1961, S. 410.

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  5. Neumann: “L’inspiration qui se retire”, S. 447.

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  6. Vgl. Renate Lachmann: Kultursemiotischer Prospekt. In: Memoria. Erinnern und Vergessen, S. XVII-XXVII; vgl. auch: R.L.: Gedächtnis und Literatur. In-tertextualität in der russischen Moderne. Frankfurt am Main 1990.

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  7. Knopf: Gelegentlich: Poesie, S. 73.

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  8. Harald Weinrich: Lethe. Kunst und Kritik des Vergessens. München 1997, S. 192.

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  9. Gotthard Wunberg: Mnemosyne. Literatur unter den Bedingungen der Moderne: ihre technik- und sozialgeschichtliche Begründung. In: Aleida Assmann/Dietrich Harth (Hg.): Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung. Frankfurt am Main 1991, S. 87f.

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  10. Knopf: Gelegentlich: Poesie, S. 210.

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  11. Ebda.

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  12. Walter Benjamin: Kommentare zu Gedichten von Brecht. In: W.B.: Angelus Novus. Ausgewählte Schriften 2. Frankfurt am Main 1966, S. 539.

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  13. Vgl. zur Quelle den Kommentar von Jan Knopf: Gedichte 2, S. 370f.

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  14. Vgl. Willem Vlusser: Die Schrift. Hat Schreiben Zukunft? 4. Aufl. Göttingen 1977, S. 14ff.

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  15. Vgl. den Kommentar von Jan Knopf: Gedichte 2, S. 365.

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  16. Lachmann: Kultursemiotischer Prospekt, S. XXVf.

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  17. Was nicht bedeutet, daß er in den Svendborger Gedichten insgesamt auf das pathetische Register, bisweilen hart an der Grenze zum Politkitsch (oder jenseits davon), verzichten würde; man denke an Texte wie Kohlen für Mike, Inbesitznahme der großen Metro oder Der große Oktober.

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  18. Hubertus Gaßner: Sowjetische Denkmäler im Aufbau. In: Michael Diers (Hg.): Mo(nu)mente. Formen und Funktionen ephemerer Denkmäler. Berlin 1993, S. 153–178.

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  19. Zitiert nach Gaßner: Sowjetische Denkmäler, S. 153f.

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  20. In vollem Umfang abgedruckt sind die Teppichweber in der erweiterten Fassung des Brecht-Porträts von Sergej Tretjakow, die in dem Band “Menschen eines Scheiterhaufens”, Moskau 1936, enhalten ist (vgl. Sergej Tretjakow: Lyrik, Dramatik, Prosa. Hg. von Fritz Mierau, Frankfurt am Main 1972, S. 320–357, bes. S. 352ff.) — In der Erstfassung des Porträts von 1934 ist dieses Zitat noch nicht enthalten (vgl. S.T.: Die Arbeit des Schriftstellers. Aufsätze, Reportagen, Porträts, hg. von Heiner Boehncke, Reinbek 1972, S. 146–158).

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  21. Benjamin: Kommentare zu Gedichten von Brecht, S. 535.

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  22. Ebda., S. 537.

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  23. Vgl. Sigrid Thielking: Warten — Erzählen — Überleben. Vom Exil aller Zeiten in Anna Seghers’ Roman “Transit”. In: Argonautenschiff. Jahrbuch der Anna-Seghers-Gesellschaft 4 (1995), S. 127–138.

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  24. Harald Weinrich: Gedächtniskultur — Kulturgedächtnis. In: Merkur 45 (1991), S. 573.

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  25. Vgl. Knopf: Gelegentlich: Poesie, S. 105–129; sowie Carl Pietzcker: “Terzinen über die Liebe”. In: Jan Knopf (Hg.): Gedichte von Bertolt Brecht. Stuttgart 1995, S. 68–84.

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  26. Inferno IV, 64–105; vgl. Dante Alighieri: Die Göttliche Komödie. Italienisch und deutsch, übersetzt und kommentiert von Hermann Gmelin. Bd. I, München 1988, S. 51–55.

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  27. Hugo Friedrich: Die Rechtsmetaphysik der Göttlichen Komödie. Frankfurt am Main 1942, S. 16.

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  28. Fredrick H. Cramer, zitiert nach Hermann Rafetseder: Bücherverbrennungen. Die öffentliche Hinrichtung von Schriften im historischen Wandel. Wien-Köln-Graz 1988, S. 134.

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  29. C. Suetonius Tranquillus: Die Kaiserviten/De vita caesarum. Lateinischdeutsch. Hg. und übersetzt von Hans Martinet. Düsseldorf/Zürich 1997, S. 926f.

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  30. Anweisung Nr. 137 [der Reichschrifttumskammer an die Presse] vom 26. 1. 1937, dokumentiert in: Neue Gesellschaft für bildende Kunst (Hg.): Faschismus. Renzo Vespignani. 4. Aufl. Berlin (West) 1977, S. 78.

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  31. Vgl. den von der Deutschen Studentenschaft vorgeschlagenen und örtlich variierten ‘Basistext’ der sog. Feuersprüche bei Gerhard Sauder (Hg.): Die Bücherverbrennung. Zum 10. Mai 1933. München 1983, S. 77f., sowie die erste “Schwarze Liste” für die Schöne Literatur mit dem Namen “Brecht, Bert”, ebda., S. 122f. — Eine vergleichsweise differenzierte Einschätzung Brechts aus der Sicht nationalsozialistischer Literaturpolitik findet sich in einer kritischen Abrechnung mit dem “gestürzten Olymp”, den “falschen Göttern”, also den nun geächteten Autoren der Weimarer Republik, die das Literaturblatt der Berliner Börsenzeitung am 25. Juni 1933 publizierte (Nr.26). In einem Beitrag von Frank Maraun heißt es dort u.a.: “Die Dichtungen Brechts, von denen gemäß seiner einseitig lyrisch-balladesken Begabung die in der ‘Hauspostille’ gesammelten Balladen den stärksten Eindruck vermitteln, sind das aufrichtigste und radikalste Abbild jener ideenlosen Epoche, in der das körperliche Behagen als höchster, ja als einziger diskutabler Lebenswert galt. Er hat das Menschenbild dieser Epoche am sichersten erfaßt und es jeder Maskierung durch die gebräuchlichen Scheinideale beraubt. Er führte in uns den Menschen vor, der das Resultat der herrschenden Gesinnung war; den Menschen der liberalen Epoche, der, keiner sittlichen Macht, keiner Gemeinschaft und keiner Idee mehr verbunden, außerhalb jeder geistigen und moralischen Ordnung, die den Menschen vor dem Menschen verpflichtet, nicht mehr lebte, sondern nur noch vegetierte. Er ist der einzige wirkliche Dichter des Marxismus in Deutschland geblieben.” — Für den Hinweis auf diesen Text danke ich Helmut Peitsch.

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  32. Vgl. den Kommentar von Jan Knopf: Gedichte 2, S. 352f.

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  33. Nicht zu unterschätzen scheint mir auch Brechts mehr oder weniger deutliche Ahnung, daß selbst im eigenen Lager, konkret: im Herrschaftsbereich von KPdSU und Komintern, die Pflege und Fortdauer seiner Werke nicht ohne weiteres als gesichert gelten durfte. — Die damnatio memoriae, welcher etwa Lew Trotzki, zeitweilig wichtigster Kampfgefährte Lenins und Begründer der Roten Armee, anheimgefallen war (und die auch vor vorgeblich dokumentarischen Medien wie Fotografie und Film nicht haltmachte), war für den aufmerksamen Beobachter der Zeitgeschichte als Menetekel durchaus wahrnehmbar.

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  34. Vgl. Sauder (Hg.): Die Bücherverbrennung, S. 181.

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  35. Tacitus in five volumes, IV: The Annals, Books IV–VI, XI–XII, with an English translation by John Jackson, London/Cambridge, Mass. 1970, S. 62. — Vgl. Rafetseder: Bücherverbrennungen, S. 20.

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  36. Oskar Maria Grafs ‘klassischer’ Protest “Verbrennt mich”, zuerst in der Wiener Arbeiterzeitung vom 12. Mai 1933, dann vielfach nachgedruckt, ist dokumentiert bei Sauder (Hg.): Die Bücherverbrennung, S. 285f.

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  37. Jan Assmann: Kulturelles Gedächtnis als normative Erinnerung. Das Prinzip ‘Kanon’ in der Erinnerungskultur Ägyptens und Israels. In: Otto Gerhard Oexle (Hg.): Memoria als Kultur. Göttingen 1995, S. 100f.

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  38. Knopf: Gelegentlich: Poesie, S. 77ff.

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  39. Bertolt Brecht: Tagebücher 1920–1922. Autobiographische Aufzeichnungen 1920–1954. Frankfurt am Main 1978, S. 138. — Auf die poetologische Relevanz der Notiz, die diesen Satz enthält, hat als erster Franz Norbert Mennemeier in einer bis heute anregenden Studie zu Brechts Lyrik und ihren theoretischen Implikationen hingewiesen (Bertolt Brechts Lyrik. Aspekte, Tendenzen. Düsseldorf 1982, vgl. S. 18ff.).

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  40. Karl Marx: Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie. In: K.M./Friedrich Engels: Werke, Bd.13. Berlin 1974, S. 641.

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Michael Hofmann Martin Rector Jochen Vogt

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Vogt, J. (1998). Damnatio memoriae und “Werke von langer Dauer”. In: Hofmann, M., Rector, M., Vogt, J. (eds) Peter Weiss Jahrbuch 7. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89585-1_7

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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