Zusammenfassung
„Eine Erzählung wie ‘Ein Garten in Deutschland’hätte in der Muttersprache (das Deutsche) wegen der erlebten Vergangenheit und der Erfahrung der Trennung nicht so entstehen können, wie sie eben im Französischen entstanden ist, ja sie wäre wahrscheinlich gar nicht entstanden. Erst die Übertragung (diesmal im freudschen Sinne des Wortes) in eine Sprache, in welcher die Erinnerung alles erfinden mußte, ohne es erlebt zu haben, machte das Schreiben an diesem Buch möglich (…) Die Heimat, die einen verstieß, macht es [dem Autor] auch unmöglich, in der Muttersprache von der Heimat zu erzählen.“1
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Literatur
Georges-Arthur Goldschmidt, Ein Garten in Deutschland. Eine Erzählung. Aus dem Französischen von Eugen Heimle, Zürich 1988, S. 184.
Ebd., S. 185.
Paul Celan, „Ansprache anläßlich der Entgegennahme des Literaturpreises der Freien Hansestadt Bremen“. In: ders., Gesammelte Werke in fünf Bänden, Band 3, Frankfurt am Main 1983, S. 185f.; 185.
In Ein Garten in Deutschland, S. 9 reicht die erste Assoziation von der Gegenwart ins Jahr 1937 zurück. An anderem Orte ist von einer „Erinnerung an das Jahr 1938, kurz vor der Abfahrt“ die Rede (Georges-Arthur Goldschmidt, Die Absonderung. Erzählung. Mit einem Vorwort von Peter Handke. Hier zitiert aus der Taschenbuchausgabe, Frankfurt am Main 1993, S. 107.)
Georges-Arthur Goldschmidt, Die Aussetzung. Eine Erzählung. Zürich 1996, S. 197.
Georges-Arthur Goldschmidt, Die Aussetzung. Eine Erzählung. Zürich 1996, S. 205.
Georges-Arthur Goldschmidt, Die Aussetzung. Eine Erzählung. Zürich 1996,Ebd., S. 207.
Georges-Arthur Goldschmidt, Der unterbrochene Wald. Erzählung. Übersetzt von Peter Handke. Hier zitiert aus der Taschenbuchausgabe, Frankfurt am Main 1995, S. 66.
Ebd., S. 67.
Ebd., S.66f.
Georges-Arthur Goldschmidt: Quand Freud voit la mer. Freud et la langue allemande, Paris 1988, S. 20. Eine vielleicht vergleichbare Erfahrung, wenn auch unter ganz anderen äußeren Bedingungen, schildert Elias Canetti in seinem kurzen Text „Wortanfälle“ von 1969, wo er beschreibt, wie er während seiner Emigrationszeit in England zuweilen ganze Seiten voller unzusammenhängender deutscher Worte vollschrieb, ein Verhalten, das er selbst als „pathologisch“empfand, als unkontrollierte Rebellion gegen das „Ausgeliefertsein an eine fremde Sprache in ihrem Revier“. (Elias Canetti, „Wortanfälle“. In: ders., Das Gewissen der Worte. Essays, Frankfurt am Main 1995 [Taschenbuchausgabe], S. 166–170.)
Vgl. Goldschmidt 1988 (wie Anm. 11), S. 31: „(…) lallemand se situe fortement dans le monde de l‘enfance.“
Goldschmidt 1993 (wie Anm. 4), S. 33.
Ebd., S. 153f.
Ebd., S. 160.
Ebd., S. 160f.
Ebd., S. 162f.
Vgl. Goldschmidt 1993 (wie Anm. 4), S. 139: „Ganz langsam ließ er die Finger die Vorhaut hinauf- und hinuntergleiten, bis er sich vor Wollust aufbäumte.“
Goldschmidt 1988 (wie Anm. 1), S. 122.
Ebd., S. 119.
Goldschmidt 1993 (wie Anm. 4), S. 14. Das Empfinden seiner selbst als Objekt wird bei dem Jungen später noch stärker ausgeprägt. So bezeichnet er sich einmal als „eine Zelluloidpuppe, die man an einer Schnur hampeln ließ“(Goldschmidt 1995 [wie Anm. 8], S. 111), ein anderes Mal fühlt er, daß die anderen Jugendlichen im Internat „für ihn die geringschätzige Freundlichkeit zu vertrauten Gegenständen“an den Tag legen (ebd., S. 132). Tatsächlich zum Objekt degradiert wird er von seinen Kameraden, wenn sie sich ihm abends im Schlafsaal nähern und sich ihm auf das Gesicht setzen: „Nichts anderes war er mehr als: Sitzplatz.“(ebd., S. 150).
Goldschmidt 1993 (wie Anm. 4), S. 15.
Goldschmidt 1988 (wie Anm. 1), S. 158.
Goldschmidt 1993 (wie Anm. 4), S. 22f.
Nur am Rande sei hier auf das Verständnis der Beschneidung (und damit dem jüdischen männlichen Körper) als urtümliche Prophylaxe gegen Masturbation hingewiesen, die die Gedankenwelt Sigmund Freuds und seiner Zeitgenossen beeinflußte, worauf unter anderem Sander L. Gilman hingewiesen hat (Vgl. Sander L. Gilman, Freud, Identität und Geschlecht. Aus dem Amerikanischen von H. Jochen Bußmann, Frankfurt am Main 1994, bes. S. 112–115), denn hier, wo der unbeschnittene Junge ja ausdrücklich mit seiner Vorhaut spielt, ist der imaginierte Kausalnexus, bzw. die imaginierte Kodierung der Masturbation durch den Begriff „Jude“ja gerade dadurch hergestellt, daß beides gegen außen unkenntlich ist.
Goldschmidt 1996 (wie Anm. 5), S. 209f.
Goldschmidt 1988 (wie Anm. 1), S. 122ff.
Goldschmidt 1995 (wie Anm. 8), S. 146.
Georges-Arthur Goldschmidt, Der bestrafte Narziß. Aus dem Französischen von Mariette Müller, Zürich 1994.
Ebd., S. 145–155.
Ebd., S. 150f.
Ebd., S. 149.
Ebd., S. 155.
Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Übersetzt von Walter Seitter, Frankfurt am Main 19919, S. 15. Ein Aspekt des auf den Anfangsseiten des Foucaultschen Werkes zitierten Berichts einer öffentlichen Hinrichtung ist im Zusammenhang mit den von Goldschmidt geschilderten Strafen aufschlußreich und offenbart, wie im zwanzigsten Jahrhundert nur der gewalttätige Teil der Tradition aufrecherhalten, der urprünglich sinnstiftende Teil jedoch abgeschafft wird. Der wegen Vatermords Verurteilte bei Foucault (im Jahre 1757) leistet während seiner Todesmarter öffentlich Abbitte und küßt das Kreuz. Der geschlagene Knabe im Internat hat nach seiner Züchtigung sich dafür zu bedanken und die Hände und die Gerte zu küssen, mit der er geschlagen worden ist (Goldschmidt 1993 [wie Anm. 4], S. 130; 136). Das Folterinstrument selbst ist zum Gegenstand der Anbetung geworden.
Zum unschuldig gezüchtigten Kind heißt es bei Goldschmidt: „Warum taugen die Zeichen für ihn nicht? Ein Kind (enfant) ist er im wörtlichen Sinn des lateinischen fari, infans(der Rede unfähig). Warum kann er das Wesentliche nicht ausdrücken? Warum versagen die Zeichen? Wie kommt es, daß sich die Sprache für die übrige Welt so gut eignet und für ihn so schlecht? Wie kommt es, daß sie nichts sagt über seine Wahrheit?“(Goldschmidt 1994 [wie Anm. 29], S. 32).
Ebd., S. 153.
Goldschmidt 1988 (wie Anm. 1), S. 86–88.
Goldschmidt 1993 (wie Anm. 4), S. 138. Auch in Der unterbrochene Wald, S. 73 ist von Märtyrerbildern die Rede, in welche sich der Junge hineinphantasiert.
Goldschmidt 1995 (wie Anm. 8), S. 132.
Ebd., S. 134f.
Ebd., S. 137.
Goldschmidt 1994 (wie Anm. 29), S. 152.
Goldschmidt 1988 (wie Anm. 11), S. 211.
Goldschmidt 1988 (wie Anm. 1), S. 7.
Goldschmidt 1988 (wie Anm. 11), S. 190–216.
Ebd., S. 33.
Ebd., S. 208.
Goldschmidt 1994 (wie Anm. 29), S. 44f.
Ebd., S. 46.
Vgl. dazu u.a. Goldschmidt 1993 (wie Anm. 4), S. 135f, und Goldschmidt 1995 (wie Anm. 8), S. 77f.
Vgl. Goldschmidt 1995 (wie Anm. 8), S. 159f.
Ebd., S. 166.
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Bodenheimer, A. (1998). Kenntlichkeit und Schuld — Zur literarischen Jugendautobiographie Georges-Arthur Goldschmidts. In: Braese, S. (eds) In der Sprache der Täter. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89584-4_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-89584-4_9
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