Zusammenfassung
So gab es denn keine Zeit, wo du noch nichts geschaffen hattest, da du die Zeit selbst geschaffen hast. Und keine Zeiten sind gleichewig wie du, denn du bleibst. Aber wenn sie blieben, wären’s nicht Zeiten. Denn was ist Zeit? Wer könnte das leicht und kurz erklären? Wer es denkend erfassen, um es dann in Worten auszudrücken? Und doch — können wir ein Wort nennen, das uns vertrauter und bekannter wäre als die Zeit? Wir wissen genau, was wir meinen, wenn wir davon sprechen, verstehen’s auch, wenn wir einen andern davon reden hören. Was also ist die Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich’s, will ich’s aber einem Fragenden erklären, weiß ich’s nicht. Doch sage ich getrost: Das weiß ich, wenn nichts verginge, gäbe es keine vergangene Zeit, und wenn nichts käme, keine zukünftige, und wenn nichts wäre, keine gegenwärtige Zeit. Aber wie steht es nun mit jenen beiden Zeiten, der vergangenen und zukünftigen? Wie kann man sagen, daß sie sind, da doch die vergangene schon nicht mehr und die zukünftige noch nicht ist? Die gegenwärtige aber, wenn sie immer gegenwärtig wäre und nicht in Vergangenheit überginge, wäre nicht mehr Zeit, sondern Ewigkeit. Wenn also die gegenwärtige Zeit nur dadurch Zeit wird, daß sie in Vergangenheit übergeht, wie können wir dann sagen, sie sei, da doch der Grund ihres Seins der ist, daß sie nicht sein wird? Muß man also nicht in Wahrheit sagen, daß Zeit nur darum sei, weil sie zum Nichtsein strebt?
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages aus: Aurelius Augustinus, Bekenntnisse. Vollständige Ausgabe, eingeleitet und übertragen von Wilhelm Thimme. Artemis Verlag, 3. Auflage, Zürich 1982. — Dort S. 312–318, 319, 320–328 (aus dem Elften Buch) sowie die zugehörigen Anmerkungen (S. 447–448).
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1988 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig
About this chapter
Cite this chapter
Augustinus (1988). Was ist die Zeit?. In: Aichelburg, P.C. (eds) Zeit im Wandel der Zeit. Facetten der Physik, vol 23. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89451-9_4
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-89451-9_4
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-528-08918-4
Online ISBN: 978-3-322-89451-9
eBook Packages: Springer Book Archive