Zusammenfassung
Die Darstellung des ES-Ansatzes macht deutlich, daβ die Forschung sich vor allem auf die Entwicklung und prototypische Anwendung von Formalismen konzentriert. Auch wenn diese Formalismen (nicht-monotone Logik, Fuzzy-Logic) mit dem Anspruch eingeführt werden, Aspekte menschlichen Problemlösungsverhaltens nachzubilden, bleibt offen, in welchem Umfang eine Formalisierung von Wissen machbar ist. Stattdessen wird häufig genug durch wenig konkrete, aber durchaus beeindruckende Beurteilungen der Mythos vom künstlichen Experten gepflegt. Dabei spielt der Hinweis auf Formalismen zur Repräsentation vagen Wissens eine zentrale Rolle. So hält Raulefs ES “für das einzige Werkzeug zur Beherrschung diffuser Gebiete”.1) In Fortsetzung alter Untugenden werden Wunsch und Wirklichkeit mitunter nicht getrennt: “Expert systems emulate human experts’ problem solving activity.” (Takashima 1985, S. 31) Den langjährigen euphorischen Ankündigungen ist bis heute jedoch keine nennenswerte Zahl am Markt verfügbarer ES gefolgt.2) Bei den Anwendern scheint sich denn auch eine gewisse Ernüchterung3) einzustellen, die sich bisweilen in ebenso trotziger wie unkritischer Ablehnung artikuliert.4)
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Raulefs (1982), S. 94. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Raulefs kaum eine naive Sicht der Möglichkeiten von ES unterstellt werden kann.
ähnliches gilt für spezielle Eigenentwicklungen. Vgl. dazu die Ergebnisse der Erhebung in Canis/Frech (1987).
vgl. dazu beispielhaft Struß (1986)
ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit ist ENTERPRISE-WIDE INFORMATION MANAGEMENT, das von IBM lanciert wird. Vgl. Parker/Benson (1985)
dazu Bretzke ( 1980, S. 35): “Entscheidungsmodelle können nicht als Rekonstruktionen unabhängig vorgegebener Strukturkomplexe gedacht werden, sie sind vielmehr als Konstruktionen zu denken, mit denen einem Problem regelmäßig eine Eigenschaft hinzugefügt wird, die ihm ursprünglich nicht zukam: Entscheidbarkeit.”
so in Ackoff (1967). Besonders harsch die Kritik bei Dearden (1972).
The idea of a computer-based information/decision system does not mean complete automation. … some tasks are best performed by man, while others are best done by machine.“ Davis (1973), S.5
so z.B. aus den Bereichen lineare und dynamische Programmierung, Spieltheorie, Warteschlangentheorie, Simulation.
Dearden (1972, S.90) sieht gar ein “… mish-mash of fuzzy thinking and incomprehensible jargon.”
so fordert Davis ( 1973, S.149), das deskriptive Menschenbild der behavioral theory sowie die damit zusammenhängende Theorie der kollektiven Entscheidungsbildung beim Design von Entscheidungsmodellen zu berücksichtigen.
eine andere Abgrenzung von MIS findet sich bei Huber ( 1984, S. 249 ). Danach sind MIS Systeme, die nur Informationen aus einer Datenbank auf Anfrage zur Verfügung stellen, während DSS Prozeduren und Kalküle (Decision Aids) zur Unterstützung von Entscheidungen beinhalten. Eine solche Differenzierung kann allerdings kaum überzeugen, denn die Konzeption von MIS zielte eben nicht nur auf die Bereitstellung von (explizit gespeicherten) Daten, sondern auch und gerade auf die Implementierung einer Modellbi-
vgl. dazu Keen/Morton (1978), S.167 ff. und Dehio/Kieser (1983).
so nennen Keen/Morton ( 1978, S.35 ff.) als Grundlagendisziplinen: Computer Science mit dem explizit genannten Forschungsbereich AI sowie Information Economics, Management Science und Behavioral Science.
Keen/Morton (1978, S.1) sprechen von einem “… point of view on the role of the computer in the management decision making process.”
was sich z.B. in dem von Keen/Morton vertretenen Anspruch artikuliert, mit DSS die Qualität von Entscheidungen zu verbessern (s.o.). Ähnlich Murdock (1986, S. 381 ff.), für den zwar neben normativen auch deskriptive Modelle denkbar sind, der dabei aber die Frage der Abbildung ausklammert. Huber ( 1984, S. 257) stellte in einer Erhebung fest, daß der Entwurf der tatsächlich implementierten DSS vor allem am Modell des rationalen Entscheiders orientiert ist.
so z.B. in Desanctis/Courtney (1983, S. 732), die folgendes Implementierungsziel formulieren: “In short, it is not enough that the technology be friendly to the user. The user must be friendly to the system and the system implementers.”
diese Einschätzung herrscht auch bei den KI-Forschern vor. Vgl. dazu die Umfrage in Bobrow/Hayes (1985), S. 400 ff.
ein Versuch zur Typologisierung findet sich in Szypersky u.a. ( 1981, S. 15), die vier Aufgabentypen und fünf Tätigkeitsmerkmale unterscheiden.
eine weitere Differenzierung (allerdings nicht Managementdediziert) findet sich in Habermas (1984), S. 274 ff.. Danach werden u.a. instrumentelle und soziale Handlungen unterschieden. Während sich instrumentelles Handeln “auf empirische Verallgemeinerungen” stützt, ist soziales Handeln mit der Aufgabe verbunden, “einen Kontext … (nach Maßgabe von Konventionen, U.F.) zu regulieren.” Hier zeigt sich der Unterschied zu Pfeffers Vorschlag: derartiges Regulieren, z.B. in Form von Organisieren, gehört für Pfeffer ja gerade zum Bereich des substantiellen Handelns. Darüber hinaus ist die von Habermas in einer Untersuchung von Handlungstypen gewählte Differenzierung für unsere Perspektive wenig sinnvoll. Denn Habermas dient der Prüfstein unserer Analyse als ex-ante-Unterscheidungskriterium: “Das in Regeln instrumentellen Handelns ausgedrückte Wissen kann in expliziter Form als Technologie ausgedrückt werden.”
in diesem Sinne sehen Berger/Offe ( 1981, S. 42 f.) die wesentliche Funktion der Verwaltungsangestellten darin, die Organisation vor “Risiken, Störungen, Unregelmäßigkeiten, Unsicherheiten, Unwägbarkeiten der natürlichen, technischen und gesellschaftlichen Umwelt” zu schützen.
in diesem Sinne - allerdings mit anderer Intention - auch Bretzke ( 1978, S. 141): “Dieser Grundgedanke der Kontingenz … stellt jedoch die Möglichkeit allgemeiner Aussagen und damit letztlich die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Entscheidungstheorie grundsätzlich in Frage.”
vgl. dazu exemplarisch Schmalenbach (1911/12)
ein Überblick findet sich in Kirsch ( 1977, Bd. 1), S. 72 ff.
vgl. dazu Ross/Sicoly (1982), S. 181 f. und Taylor (1982), die den Einfluß von availability auf Wahrnehmung in sozialen Kontexten betrachtet.
vgl. Slovic u.a. (1977), S. 6. Dabei ist allerdings auch an den gegenteiligten Effekt zu denken: Selbstvertrauen streut bekanntlich.
vgl. dazu March (1978, S. 578), der deshalb eine kritische Revision der formalen Entscheidungstheorie fordert. Zum Rationalitätsproblem in diesem Zusammenhang vgl. Jungermann (1982)
Formally, a judge is calibrated if, over the long run, for all propositions assigned a given probability, the proportion that is true equals the probability assigned.“ (Lichtenstein u.a. 1982, S. 307)
vgl. dazu beispielhaft Stael von Holstein (1971), der in Laboruntersuchungen eine erhebliche Streuung der Wahrscheinlichkeitsangaben einzelner Probanden im
so unterscheidet Zimmer ( 1983, S. “highly improbable”, “improbable”. “likely”, “very likely”.
in Zimmer (1984) schlägt er diese Entwicklung von ES-Wissensbasen vor.
die Favorisierung numerischer Werte zur Kennzeichnung von Unsicherheit ist in der psychologischen Entscheidungsforschung weit verbreitet. Beispielhaft für die Begründung dieser Disposition Hogarth ( 1980, S. 144): “Uncertainty is best communicated through the medium of probability theory, that is by saying that an event has, say, a 30% chance of occurring. The quantitative form is precise and readily interpretable.”
in diesem Sinne vermutet Chesley ( 1977, S. 115), daß “different probability conceptions can cause performance differences from subjects …”
in diesem Sinne vermutet Chesley ( 1977, S. 115), daß “different probability conceptions can cause performance differences from subjects …”
zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt Winkler ( 1986, S. 300): “But the new multiplicative factor in each revision is not necessarily an expert’s probability.”
Hogarth ( 1980, S. 144) sieht hier eine einfache Transformation am Werk: “For unique events, therefore, a probability simply translates our subjective opinion into a number..”
dazu Berger/Luckmann ( 1980, S. 73 f.): “Sprache wird zum Depot einer gigantischen Häufung gemeinsamer Sedimente, … deren Entstehungsprozeß nicht rekonstruiert werden muß.”
vgl. dazu exemplarisch Luhmann (1984), S. 563 u. Berger/ Luckmann (1982), bes. S. 39
dazu Berger/Luckmann ( 1980, S. 70 f.): “Wissen in diesem Sinne steht im Mittelpunkt der fundamentalen Dialektik der Gesellschaft. Es ‘programmiert’ die Bahnen, in denen Externalisierung eine objektive Welt produziert. Es objektiviert die Welt durch Sprache … Dasselbe Wissen wird … wiederum während der Sozialisation internalisiert.”
zum Begriff der Intensionalität vgl. auch von Wright (1974), S. 20 und Searle (1980).
ähnlich Searle ( 1975, S. 304), allerdings aus sprachphilosophischer Sicht: “Die Problematik dieser Auffassung liegt darin, daß der Begriff des Gebrauchs so vage ist, daß er als analytisches Werkzeug für die Diskussion des
vgl. dazu exemplarisch Searle (1980) und die Erwiderung von Abelson (1980).
zu einer umfassenden Kritik vgl. Ebers (1985a).
diese Erkenntnis bildet ja gerade die Grundlage der präskriptiven Variante des Kulturansatzes (Peters/Waterman 1982), die Kultur als gestaltbare Variable betrachtet
Goethe über das Wesen des Poeten. Eckermann, Gespräche mit Goethe, 1. bzw. 11 Juni 1825
abgesehen davon, daß Probleme übersehen werden, ist dabei auch daran zu denken, daß Symptome unangemessen gedeutet werden und deshalb das “falsche” Problem bearbeitet wird. Mitroff/Featheringham (1974) sprechen 1) in diesem Sinne Weick (1985, S. 229): “Handlung, Wahrnehmung und Sinngebung stehen in einer zirkulären, fest gekoppelten Beziehung…” Aus der Sicht der kognitiven Psychologie de Groot (1983, S. 127): “… intelligent problem transformations often occur at the perceptual level ..” und weiter: “Abstraction and vision are hard to disentangle.” Ähnlich Simon (1983, S. 28) zum common sense reasoning: “It is perhaps more than an etymological accident that the second word in that idiom refers explicitly to this feedback tie with the outside world.”
es scheint bezeichnend für den Stand der Forschung, daß es innerhalb der kognitiven Psychologie eine Reihe unterschiedlicher Ansätze gibt, die jeweils auf einzelne Aspekte der Konzeptualisierung abheben, eine ansatzweise befriedigende Erklärung aber allesamt nicht bieten. Vgl. dazu Medin (1984). Zur Beschreibung der Deutung aus phänomenologischer Sicht vgl. Schütz (1981), S. 112
zur Formalisierbarkeit der Software-Entwicklung vgl. die Beiträge in Molzberger/Zemanek (1985).
Polya ( 1949, S. 119) sieht darin ein wesentliches Merkmal
beispielhaft dafür die Übersicht in Davis/Lenat (1982), S. 163 ff. Bezeichnend für die kritisierte unzureichende Differenzierung formaler und nicht formaler Heuristiken die Darstellung bei Kirsch ( 1977 II, S. 155 ff.): Zunächst werden “heuristische Programme” als Algorithmen ohne Lösungsgarantie definiert, unter Verweis auf Beispiele wie das Schachspiel wird als wesentlicher Vorteil von Heuristiken gegenüber Algorithmen mit Lösungsgarantie (was ja voraussetzt, daß es solche Algorithmen überhaupt gibt) ihre im Durchschnitt höhere Geschwindigkeit genannt. Schließlich allerdings ist von allgemeinen heuristischen Prinzipien des Denkens die Rede, ohne daß deren Eindeutigkeit in Frage gestellt wird.
ähnlich äußert sich Pfohl (1977), S. 22
zum wenig ermutigenden Stand psychologischer Untersuchungen über die Möglichkeiten der Introspektion vgl. Nisbett/ Wilson (1977).
ähnlich Berger/Luckmann ( 1980, S. 71): “Wissen über die Gesellschaft ist demnach Verwirklichung im doppelten Sinne des Wortes: Erfassen der objektivierten gesellschaftlichen Wirklichkeit und das ständige Produzieren eben dieser
ein Zusammenhang, der in einer von Weick (1985, S. 9) aus Simons ( 1976, S. 29) zitierten Anekdote mit kaum zu überbietender Deutlichkeit pointiert wird: “Man erzählt, daß drei Schiedsrichter über die Frage des Pfeifens von unvorschriftsmäßig ausgeführten Schlägen uneins waren. Der erste sagte: ‘Ich pfeife sie, wie sie sind.’ Der zweite sagte: ‘Ich pfeife sie, wie ich sie sehe.’ Der dritte und cleverste Schiedsrichter sagte: ’Es gibt sie überhaupt erst, wenn ich sie pfeife.’
vgl. dazu Pfeffer (1981), S. 9
dieser funktionale Aspekt von Macht, Hierarchien und Ideologien ist für Luhmann (1967) Anlaß vor ungewollten Folgen euphorischer Aufklärungsbemühungen zu warnen.
The argument advanced here is that management’s effect is primarily with respect to expressive or symbolic actions …“ (Pfeffer 1981, S. 5) Ähnlich Weick (1979, S. 42): ”… the manager may be evangelist rather than accountant.“
Vgl. dazu und zu weiteren formalen Kriterien Wahlster (1985) oder Harmon/King (1985), S. 8
m.a.W.: KI-Forscher bzw. Informatiker profitieren einerseits vom Mythos der “höchst komplizierten und geheimnisvollen Zusammenhänge(n) der Expertenschaft” (Berger/Luckmann 1980, S. 47), andererseits entsteht der Eindruck, daß sie mitunter selbst seinem Reiz erliegen, indem sie davon ausgehen, daß als Experten bezeichnete Zeitgenossen schon wissen, wie in ihrer Domäne zu handeln sei.
ein Überblick findet sich in Harmon/King (1985), S. 227 f.
zu einem diesbezüglichen Vergleich zwischen Pascal, LISP, PROLOG und Smalltalk s. Schefe (1985).
Rights and permissions
Copyright information
© 1988 Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Frank, U. (1988). Der Einsatz von Expertensystemen zur Automatisierung von Managementfunktionen. In: Expertensysteme: Neue Automatisierungspotentiale im Büro- und Verwaltungsbereich?. Neue Betriebswirtschaftliche Forschung, vol 47. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89314-7_4
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-89314-7_4
Publisher Name: Gabler Verlag, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-409-13112-4
Online ISBN: 978-3-322-89314-7
eBook Packages: Springer Book Archive