Zusammenfassung
Als am Abend des 9. November 1989 der ZK-Sekretär für Information, Günter Schabowski, der internationalen Presse den noch gar nicht formell gefassten Beschluss der SED-Führung über neue Reisebestimmungen bekannt gab, war kein Halten mehr. Der weitere Verlauf ist bekannt und wäre, zehn Jahre später, Anlass genug für eine Gedenkfeier. Doch fiel die Maueröffnung auf ein vertracktes deutsches Datum: Am 9. November 1923 putschte Adolf Hitler in München gegen die so genannten „Novemberverbrecher“, die fünf Jahre zuvor am selben Tag die Republik ausgerufen hatten, und genau fünfzehn weitere Jahre später kam die „Reichskristallnacht“. So wurde der 3. Oktober, der Tag der staatsrechtlichen Vereinigung von 1990, zum Nationalfeiertag erklärt. Auch informelle Veteranentreffen der Akteure des 9. November 1989 werden kaum stattfinden. Egon Krenz, der seinem ZK-Sekretär damals den folgenschweren Zettel in die Hand gedrückt hat, referierte auf Einladung der DKP in deutschen Hinterzimmern unverdrossen über „50 Jahre DDR“, Helmut Kohl ließ sich als „Kanzler der Einheit“ feiern. Doch was ist mit den „friedlichen Revolutionären“? Die Montagsdemonstranten von Leipzig, die einige Tage vor dem Mauerfall in den Ruf „Deutschland, einig Vaterland“ eingestimmt hatten, sind ebenso in alle Winde zerstreut wie die Mitglieder des Neuen Forums und anderer Zweige der Bürgerbewegung. Die meisten dieser „89er“ sind ins Privatleben zurückgekehrt, viele davon in Resignation verfallen und einige gar als Mitarbeiter der MfS enttarnt; andere haben sonst wo politisches Quartier bezogen und agieren in Neben- und Alibirollen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Similar content being viewed by others
Literatur
Bohrer, Karl Heinz, 1998: Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins, Frankfurt a.M.
Borries, Bodo von, 1995: Das Geschichtsbewusstsein Jugendlicher. Vergangenheitsdeutungen, Gegenwartswahrnehmungen und Zukunftserwartungen von Schülerinnen und Schülern in Ost- und Westdeutschland, München.
Brumlik, Micha, 1998: Zeitgenossenschaft: Eine Ethik für die Generationen, in: Jutta Ecarius (Hrsg.), Was will die jüngere mit der älteren Generation? Generationsbeziehungen und Generationenverhältnisse in der Erziehungswissenschaft, Opladen, S. 139–157.
Bude, Heinz, 1987: Deutsche Karrieren. Lebenskonstruktionen sozialer Aufsteiger aus der Flakhelfer-Generation, Frankfurt a.M.
Bude, Heinz, 1995: Das Altern einer Generation. Die Jahrgänge 1938–1948, Frankfurt a.M.
Bude, Heinz, 1998: Generation Berlin. In Vorbereitung auf die neue Republik, in: Frankfurter Allgemeine vom 18. Juni.
Ecarius, Jutta (Hrsg.), 1998: Was will die jüngere mit der älteren Generation? Generationsbeziehungen und Generationenverhältnisse in der Erziehungswissenschaft, Opladen.
Elias, Norbert, 1982: Über die Zeit, Frankfurt a.M.
Heinrich, Horst-Alfred, 1997: Die Flakhelfer-Generation. Versuch einer empirischen Bestimmung, in: Psychosozial, 20.Jg., H. 68, S. 23–33.
Hondrich, Karl Otto, 1999: Die Verteilung zwischen Jung und Alt, in: Frankfurter Allgemeine vom 13. Februar.
Kohlstruck, Michael, 1997: Zwischen Erinnerung und Geschichte. Der Nationalsozialismus und die jungen Deutschen, Berlin.
Koselleck, Reinhart, 1979: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a.M.
Leggewie, Claus, 1995: Die 89er. Porträt einer Generation, Hamburg.
Leggewie, Claus, 1996: Der Mythos des Neuanfangs. Gründungsetappen der Bundesrepublik Deutschland: 1949–1968–1989, in: Helmut Berding (Hrsg.), Mythos und Nation. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in der Neuzeit, Bd. 3, Frankfurt a.M., S. 275–302.
Leggewie, Claus, 1998: Hoffnungsträger. Die Generation der Wendezeit, in: DIFF (Hrsg.), Deutschland im Umbruch, Studieneinheit 20, Tübingen.
Leggewie, Claus, 1999: Generations- und Erinnerungskulturen — Zur Historisierung der ‘alten’ Bundesrepublik, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 28, S. 211–235.
Luhmann, Niklas, 1980: Temporalisierung von Komplexität. Zur Semantik neuzeitlicher Zeitbegriffe, in: ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd. 1, Frankfurt a.M., S. 235–313.
Mannheim, Karl, 1970: Das Problem der Generationen, in: Kurt H. Wolff (Hsrg.), Karl Mannheim. Wissenssoziologie, Neuwied, S. 509–565.
Matthes, Joachim, 1985: Karl Mannheims ‘Das Problem der Generationen’, neu gelesen. Generationen — ‘Gruppen oder’ gesellschaftliche Regelung von Zeitlichkeit’?, in: Zeitschrift für Soziologie 14, H. 4, S. 363–372.
Platt, Kristin und Mihran Dabag (Hrsg.), 1995: Generation und Gedächtnis. Erinnerungen und kollektive Identitäten, Opladen.
Sackmann, Reinhold, 1998: Konkurrierende Generationen auf dem Arbeitsmarkt, Wiesbaden.
Schmidtchen, Gerhard, 1997: Wie weit ist der Weg nach Deutschland? Sozialpsychologie der Jugend in der postsozialistischen Welt, Opladen.
Silbereisen, Rainer K. u.a. (Hrsg.), 1996: Jungsein in Deutschland. Jugendliche und junge Erwachsene 1991 und 1996, Opladen.
Veen, Hans-Joachim u.a., 1994: Eine Jugend in Deutschland? Orientierungen und Verhaltensweisen der Jugend in Ost und West, Opladen.
Völter, Bettina, 1994: ‘Ich bin diesen Feind noch nicht losgeworden’. Verschärfter Identitätsdruck für ostdeutsche junge Erwachsene, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 5, H. 4, S. 547–566.
Werding, Martin, 1998: Zur Rekonstruktion des Generationenvertrags. Ökonomische Zusammenhänge zwischen Kindererziehung, sozialer Alterssicherung und Familienleistungsausgleich, Tubingen.
WSI-Mitteilungen 1/1999: Schwerpunktheft Generationenvertrag und Generationengerechtigkeit
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2000 Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Leggewie, C. (2000). Generation Berlin?. In: Czada, R., Wollmann, H. (eds) Von der Bonner zur Berliner Republik. Leviathan, vol 19. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89103-7_17
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-89103-7_17
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-13440-6
Online ISBN: 978-3-322-89103-7
eBook Packages: Springer Book Archive