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Zurück in die Zukunft: Reagan-Reform (1981)

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Arbeit gegen Armut
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Zusammenfassung

Als Ronald Reagan 1981 in das Weiße Haus einzog, war die Zeit der “grand designs” für eine Reform der Sozialhilfe endgültig vorbei. Nach dem Scheitern der Reformprojekte einer negativen Einkommensteuer in den siebziger Jahren unter Nixon und später auch unter Carter1 schlug Reagan mit seiner Politik des New Federalism eine neue innenpolitische und damit auch armutspolitische Richtung ein. Erklärtes Ziel seiner Administration war, die bundesstaatlichen Sozialleistungen auf ein Minimum zu begrenzen und die sozialpolitische Verantwortung von Washington an die Einzelstaaten zu delegieren. Diese Absicht wird auch in der von der Reagan-Administration angesteuerten Workfare-Politik deutlich. Sie nahm ihren Ausgang mit der Verabschiedung des Omnibus Budget Reconciliation Act (OBRA) von 1981, mit dem die bestehenden WIN-Strukturen aufgeweicht und die Einzelstaaten zu eigenen Workfare-Experimentalprogrammen aufgerufen wurden. Außerdem wurden die Einzelstaaten verpflichtet, als eine von mehreren möglichen Programmformen von Workfare sogenannte Community Work Experience Programs (CWEP) anzubieten, in denen AFDC-Empfänger die ihnen gewährte Sozialhilfe durch gemeinnützige Tätigkeit in kommunalen Arbeitsprogrammen abgelten sollten. Wie noch in Kapitel 8 gezeigt werden wird, bestellte die Politik des Bundes, d.h. die mit der Gesetzgebung von 1981 (OBRA) festgeschriebene Förderung einzelstaatlicher Initiativen, ein Workfare-Politikfeld, auf dem die Reformer 1988 mit dem Family Support Act (FSA) entsprechend ernten und neue Saat ausbringen sollten.

“In this present crisis, government is not the solution to our problem. Government is the problem”.

Ronald Reagan in seiner Rede zum Amtsantritt 1981 (CQWR vom 24.1.1981:187)

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Literatur

  1. Trotz einiger programmatischer Unterschiede war die politische Diskussion des Reformplans der Carter-Administration, das Program for Better Jobs and Income (PBJI), von Konflikten geprägt, die bereits für die Debatte des Family Assistance Plan (FAP) typisch waren (siehe ausführlich Lynn/Whitman 1981). Da die Darstellung der politischen Genese der Ursprungsidee der negativen Einkommensteuer im Rahmen des FAP für ausreichend erachtet wird und die Reforminitiative der Carter-Administration in der Folge keine Impulse für die Workfare-Politik lieferte, wird an dieser Stelle auf eine ausführliche Diskussion verzichtet.

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  2. Allerdings muß dieser Kaufkraftverlust relativiert werden, da sich die Größe der durchschnittlichen AFDC-beziehenden Familie zwischen 1970 und 1980 um eine Person verkleinerte: 1980 lebten durchschnittlich drei Personen in einem AFDC-Haushalt, 1970 waren es noch vier. Der durchschnittliche AFDC-Leistungswert wird im Green Book (U.S. House of Representatives 1996: 387) aber nur für “eine” Familie angegeben, nicht aber kontinuierlich für eine Familie mit gleichbleibender Mitgliederzahl. Als Trendaussage bleibt die Feststellung der real sinkenden AFDC-Geldleistungen aber dennoch gültig.

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  3. So stieg der Durchschnittswert der Nahrungsmittelkarten pro Person von monatlich 44 Dollar im Jahr 1972 auf 62 Dollar im Jahr 1990. Kombiniert man AFDC und Food Stamps, so sank die Kaufkraft von Familien, die Leistungen aus beiden Hilfsprogrammen bezogen, im Zeitraum von 1972 bis 1990 um 27 Prozent (Piven/Cloward 1993 [1971]: 372). Es kann ferner davon ausgegangen werden, daß dadurch, daß der sinkende Wert von AFDC-Leistungen durch andere vom Bund getragene Programme wie Food Stamps “aufgefangen” wird, die Einzelstaaten implizit ermutigt werden, AFDC-Zahlungen so niedrig wie möglich zu halten, um sich einerseits gegen den vermehrten Zuzug von Armen aus Staaten mit geringen AFDC-Regelsätzen zu schützen und andererseits Kosten für die Armut, besonders zu Zeiten ökonomischer Stagnation, auf den Bund abzuwälzen. Ob es stimmt, daß Einzelstaaten, in denen die AFDC-Regelsätze besonders hoch sind, die Armen tatsächlich “anziehen”, ist noch immer Gegenstand kontroverser Diskussionen in Politik und Sozial Wissenschaften. Peterson und Rom (1990) gehen davon aus, daß hohe Regelsätze in der Tat Migrationsbewegungen von Armen fördern und plädieren deshalb für einen nationalen Mindeststandard, um diesen Tendenzen und einem Wettbewerb um die niedrigsten bzw. niedrigere AFDC-Leistungssätze, wie er sich seit Mitte der neunziger Jahre verstärkt abzeichnet, vorzubeugen.

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  4. Zum Beispiel seinem Freund Bob Dole, Vorsitzender des einflußreichen Finanzausschusses im Senat, den Reagan Anfang Februar im Krankenhaus besuchte (J. Thompson 1994: 119).

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  5. Zur persönlichen politischen Philosophie Ronald Reagans siehe die Sammlung von Gesprächen zwischen Reagan und seinem späteren sozialpolitischen Berater Charles Hobbs (1976).

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  6. Eine entsprechend modifizierte Auffassung legte Jo Anne Barnhart (geb. Ross) auch im Gespräch mir gegenüber dar (Barnhart, Interview 1995).

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  7. Zu den Anwesenden des Blair-House-Treffens gehörten neben Reagan und Carleson der zukünftige Stabschef im Weißen Haus, James Baker, Reagans innenpolitischer Berater Martin Anderson und der designierte Sozialminister Richard Schweiker (Seeleib-Kaiser 1993: 107).

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  8. Die Einschränkung der Ausgaben sollte vor allem durch die Senkung von Freibeträgen bei der Verrechnung mit der Sozialhilfe erreicht werden. Gerechtfertigt wurde diese Maßnahme durch die Annahme, daß ein Großteil der Sozialausgaben für ein Klientel getätigt wurde, das nicht arm ist. So ermittelte das Office of Management and Budget (OMB) für das Jahr 1981, daß 83 Prozent der Leistungen in sieben Sozialprogrammen an Familien gingen, die über der offiziellen Armutsgrenze lebten und 42 Prozent an Familien, die sogar über ein Einkommen von mehr als 150 Prozent der Armutsgrenze verfügten, Tom Joe (1984: 194) stellt in seiner Kritik an Reagans Umverteilungspolitik jedoch fest, daß die Sozialhilfe bei den vom OMB genutzten Statistiken bereits als Teil des verfügbaren Haushaltseinkommens angerechnet wurde. Das heißt zum Beispiel, daß eine Familie, die AFDC erhielt und damit um nur einen Dollar über der Armutsgrenze lag, zu jener Gruppe gehörte, die “unverdientermaßen” einen Anteil der 83 Prozent Sozialausgaben auf sich zog, die an “Nichtarme” gingen. Jene Familie gelangte aber erst über die Armutsgrenze durch den Erhalt der Sozialhilfe, woraus folgt, daß diese armutspolitisch wirksam war. Denn: Mißt man das verfügbare Haushaltseinkommen von Sozialhilfebeziehern, indem man das “Einkommen” der Sozialhilfe zunächst ausklammert, so gingen Mitte der Siebziger 84 Prozent der Bargeldhilfen (AFDC, Public Assistance) an Familien, die unter der Armutsgrenze lebten, und nicht darüber, wie die Berechnungen des OMB suggerierten (Browning 1986: 66, Burtless 1986: 24).

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  9. Dem OMB, das wie das Office of Policy Development dem Executive Office of the President unterstellt ist, fällt u.a. die Aufgabe zu, die präsidiale Haushaltsvorlage zu erarbeiten, den Haushaltsberatungsprozeß beratend und kontrollierend zu begleiten, prozedurale Leitlinien an die Ministerialbehörden vorzugeben und gemeinsam mit dem Wirtschaftsbeirat (Council of Economic Advisors) den Präsidenten zu informieren (Seeleib-Kaiser 1993: 103ff., 113, Schick 1995: 45).

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  10. Die wohl beste Quelle zur “Innengeschichte” der Haushaltsreform und damit auch des Omnibus Budget Reconciliation Act ist Stockmans (1986) eigener Rückblick, auf den sich die Ausführungen in den folgenden Abschnitten stützen. Eine weitere, hervorragend recherchierte und an Interviews mit wichtigen Entscheidungsträgern reiche Quelle ist die Studie von Martin Seeleib-Kaiser (1993).

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  11. Zum Vergleich sei an dieser Stelle auf den Anstieg der Rüstungsausgaben unter Reagan hingewiesen: Sollten die Ausgaben für bundesstaatlich unterstützte Armen- und armutsbezogene Programme drastisch gekürzt werden, war für den Verteidigungshaushalt von 1982 ein Ausgabenanstieg um 24 Prozent gegenüber 1981 geplant (Conlan 1988: 115).

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  12. Zum “reconciliation process” siehe einführend Schick (1995: 42–48), Horst (1995: 95–96) und im konkreten Bezug zur Haushaltskonsolidierung von 1981 Seeleib-Kaiser (1993: 128–132), Conlan 1988: 117–119), Steffani (1988: 75–107) und Congressional Quarterly (1982: 32–35).

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  13. Die Bedeutung des Ausschußwesens für den legislativen Prozeß im amerikanischen politischen System ist außerordentlich groß: Der amerikanische Kongreß hat sich mehr als irgendeine andere Legislative seine ursprüngliche Rolle als Gesetzgeber gewahrt, so daß es etwa dem Präsidenten nicht möglich ist, Gesetzentwürfe direkt in den Kongreß einzubringen. Die Ausschüsse und Ausschußvorsitze haben aufgrund der Verfahrensregeln des Kongresses eine Fülle von Kompetenzen. Dazu gehören die Kontrolle der Unterausschüsse und die Kontrolle der den Ausschüssen zustehenden legislativen Expertenstäbe, mittels derer auf die materielle Gestaltung von Gesetzesvorlagen erheblich Einfluß genommen werden kann (Shell 1992: 358–360; Shell 1975: 99–103).

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  14. Bei den hier relevanten Autorisations- beziehungsweise Fachausschüssen, die sich mit Programm- und Leistungsgesetzen wie AFDC beschäftigen, handelt es sich im Abgeordnetenhaus um das Committee on Ways and Means, das Subcommittee on Social Security und Subcommittee on Public Assistance and Unemployment Compensation und im Senat um das Finance Committee und das Subcommittee on Social Security and Income Maintenance Programs. Zur Organisation des Ausschußwesens siehe ausführlich Schick (1995: 41–47).

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  15. Die von Reagans Haushalt kaum abweichende Gesamtausgabensumme sollte im Plan des CEC durch tiefe Einschnitte bei den Verteidigungsausgaben erreicht werden.

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  16. So strebte die Administration Kürzungen von einer Milliarde Dollar im AFDC-Programm und 2,4 Milliarden im Social Security-Programm an. Das Ways and Means Committee dagegen schlug Kürzungen im Umfang von 500 Millionen Dollar im AFDC-Programm, aber von 3,16 Milliarden im Social Security-Programm an (Seeleib-Kaiser 1993: 146f.).

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  17. Für einige treffliche Zitate aus der Plenardiskussion über Gramm-Latta-II, die die Tragikkomik der Plenardebatte belegen, siehe Seeleib-Kaiser (1993: 153–154).

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  18. “Einer der kühnsten konservativen Träume”, zitiert Conlan (1988: 158) einen journalistischen Beobachter der Gesetzgebung von 1981, “ist sicherlich die ‘Definanzierung der Linken’ durch die Herbeiführung des Bankrotts all dieser sozialen Aktions-, Bürgerrechts- und anderen liberalen Gruppen, die so stark von den Finanzspritzen des Bundes abhängig sind.”

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  19. So wurden im Jahr 1984 einige durch den OBRA vorgenommene Veränderungen im AFDC-Programm wieder modifiziert: Die zulässige Einkommensgrenze, die AFDC-Antragsteller nicht überschreiten durften, wurde von 150 Prozent des einzelstaatlichen Bedürftigkeitsstandards auf 180 Prozent heraufgesetzt, die Gültigkeit des 30-Dollar-Freibetrags der “Dreißig-und-ein-Drittel”-Regel wurde von vier Monaten auf ein Jahr ausgedehnt und teilzeitarbeitende AFDC-Empfänger durften wie vollzeitarbeitende AFDC-Empfänger 75 Dollar als beschäftigungsbedingten Freibetrag geltend machen (Handler/Hasenfeld 1991: 176).

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Gebhardt, T. (1998). Zurück in die Zukunft: Reagan-Reform (1981). In: Arbeit gegen Armut. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89079-5_7

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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