Zusammenfassung
Die Problematik von Armut und Gewalt in amerikanischen Metropolen ist in den letzten Jahren wieder verstärkt ins Zentrum der US-amerikanischen Öffentlichkeit gerückt. So werden zum Beispiel in Holly woodfilmen wie Do the Right Thing und Colors Ende der achtziger und Boyz’n the Hood, Juice oder Menace II Society Anfang der neunziger Jahre junge, in Großstadtghettos lebende Schwarze in Szene gesetzt, deren Alltag durch einen ständigen Kreislauf aus Arbeitslosigkeit, Gewalt, Drogen, Gefängnis und dem Kampf um Anerkennung geprägt ist. Die Akteure treten dabei nicht nur als gesellschaftliche Außenseiter in Erscheinung, sondern als Produkte einer Sozialisation, die aus der Sicht des durchschnittlichen Betrachters Außenseiter hervorbringen muß. Der Zuschauer nimmt im Normfall dabei ihre offensichtliche Abweichung von der Mittelklassenkultur als eine Bedrohung für den Rest der Gesellschaft wahr. In Falling Down, einem filmischen Sittenbild der amerikanischen Neunziger, wird zum Beispiel auf solche Gefühlslagen angespielt, wenn der Hauptdarsteller Michael Douglas in einem von Gangs beanspruchten Ghetto-Territorium in Los Angeles Amok läuft und damit zum Rächer des rechtschaffenen amerikanischen Mittelklassenbürgers wird. Diese Szene verdeutlicht brennpunktartig, wie sehr die kurzlebige Vision einer gerechteren und weniger gespaltenen Gesellschaft der sechziger Jahre einer manifesten, ja physischen Angst vor einer destruktiven Unterschicht in den Neunzigern gewichen ist.
“From a sociological point of view, certain definitions of poverty are more appropriate than others. Particular ideological or political connotations do not necessarily make a definition less scientific but mainly emphasize the intricate relationships between reality, science, and politics. The ‘reality’ of poverty has continuously been identified, observed, and analyzed. To that extent, poverty is a social, perhaps even a sociological creation”
(Grønbjerg u.a. 1978: 66).
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References
Für zwei Sammelbände von Kritiken siehe Fraser (1995) und Fischer u.a. (1996). Für einen deutschen Beitrag siehe Gebhardt u.a. (1996).
Für ein knapp 800seitiges und an Statistiken reiches Buch fand die Studie ein beispielloses Medienecho. Siehe u.a. die Titelberichte von The New Republic vom 31.10.1994 und Newsweek vom 24.10.1994 sowie die Beiträge “The Most Dangerous Conservative: Daring Research or ‘Social Science Pornography” in The New York Times Magazine vom 9.10.1994 und “How Clever Is Charles Murray?” in The Economist vom 22.10. 1994: 61 f. Für Reaktionen in Deutschland siehe Der Spiegel vom 17.10.1994: 176f. und Süddeutsche Zeitung vom 28.10.1994: 10.
Dieser Trend zunehmender Ungleichheit ist im Bereich der Vermögensverteilung noch wesentlich ausgeprägter als im Bereich der Verteilung von Lohneinkommen (siehe Wolff 1995: 5, 28).
Schon 1965 kam eine andere Studie des Landwirtschaftsministeriums zu dem Ergebnis, daß der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel am Gesamthaushaltsbudget geringer war als 1955 (Harrington 1984: 81).
In der Berechnung des gültigen Armutsindexes wurden keine regionalen Unterschiede in den Lebenshaltungskosten einbezogen. Das bedeutet, daß zum Beispiel die Lebenhaltungskosten einer Farmersfamilie in Mississippi mit der einer alleinerziehenden Mutter in New York City gleichgesetzt werden. Dieser Umstand veranlaßte Rechnungsprüfer und Politiker zu einer neuen Inititiative, die Berechnungsgrundlage des offiziellen Armutsindexes zu überdenken (NYT vom 5.8.1994: A10).
Für einen Versuch, ein soziales Armutsmaß jenseits der offiziellen Armutsstatistik aufzustellen, siehe Rainwater (1992).
So konzentrieren sich neuere Forschungen zur Feststellung von Armutslagen immer stärker auf die zeitliche Dimension, d. h. die Dauer von Armut (Brückner 1995). Die erste einflußreiche Studie, in der Längsschnittdaten genutzt wurden, um zu biographischen Aussagen zu Armut und Sozialhilfebezug zu gelangen, ist die von Bane und Ellwood (1983). Zur dynamischen Armutsforschung in der Bundesrepublik siehe Leibfried, Leisering u.a. (1995) und Buhr (1995).
Wilson bezeichnet als Armutsviertel solche Stadtbezirke, in denen mehr als 20 Prozent der Bevölkerung unter der offiziellen Armutsgrenze leben.
Extreme Armutsviertel oder Ghettos sind solche Zensusbezirke, in denen mehr als 40 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben.
Getrennt nach ethnischer Zugehörigkeit zeigt sich wiederum die überproportional starke ethnische Gewichtung: Im Jahr 1982 standen zwar in “nur” 46 Prozent aller armen Haushalte Frauen vor, aber in 71 Prozent aller armen afroamerikanischen Haushalte (Wilson 1987: 71).
Die durchschnittliche Mitgliederzahl einer AFDC-beziehenden Familie sank von vier Personen 1969 auf 2,9 im Jahr 1992. Diese Reduzierung geht hauptsächlich auf den Rückgang der Zahl von Familien mit vier und mehr Kindern und den Zuwachs von Familien mit nur einem Kind zurück (U.S. House of Representatives 1996:401).
Die Arbeitslosenrate fiel von 9,5 Prozent 1983 auf gut fünf Prozent 1988. Die Armutsrate fiel von 15,2 Prozent 1983 auf 13 Prozent 1988 (Tobin 1994: 154, U.S. House of Representatives 1996: 1226).
Die Gesamtzahl der Armen betrug 1985 33 Millionen (U.S. House of Representatives 1996: 1225).
Die Gründe für die sich vergrößernde Armutsfalle für Niedriglohnarbeiter sind vielschichtig und umstritten (Gottschalk/Joyce 1995, Martin 1997). Es gilt jedoch als relativ gesichert, daß un- und gering qualifizierte Arbeitnehmer seit den achtziger Jahren erhebliche, ob nun primär durch “Globalisierung” oder technologischen Wandel verursacht, Lohnverluste hinnehmen mußten und müssen, die sie immer näher an bzw. weiter unter die Armutsgrenze drängen (Blank 1994: 172.).
Diese Aussage bezieht sich auf den Anteil an der Anzahl aller armen Personen im Alter von 15 Jahren und älter (U. S. Department of Commerce 1992: xv).
Für einen detaillierten Vergleich des amerikanischen und deutschen Sozialhilfesystems siehe Gebhardt und Jacobs (1997).
Der Earned Income Tax Credit (EITC), eine Form negativer Besteuerung, stellt ebenfalls eine Einrichtung dar, durch die einkommensschwache Familien Bargeld erhalten. Es handelt sich dabei jedoch um keine Sozialhilfe, wie sie in den USA verstanden wird. Den EITC können nur Beschäftigte mit geringen Löhnen in Anspruch nehmen, deren Niedriglöhne am Jahresende durch das Finanzamt auf das Existenzminimum aufgestockt werden.
Der Anteil der AFDC-Empfanger an der Gesamtbevölkerung wuchs dagegen lediglich von 4 Prozent 1970 auf 5,4 Prozent 1994 (U.S. House of Representatives 1996: 471).
Zum hier zugrunde gelegten Einkommen der AFDC-Empfangerfamilien zählt allerdings nur das Bareinkommen durch AFDC. Die meisten AFDC-Empfanger erhalten auch Kostenübernahmeleistungen wie Mietzuschüsse, Kinderernährungsbeihilfen und Lebensmittelkarten. Werden diese bargeldlosen Hilfen mit in das Einkommen eingerechnet, so lebte nur ein Drittel aller AFDC-Empfangerfamilien unter der 50prozentigen Armutsgrenze (U.S. General Accounting Office 1995: 5ff.).
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Gebhardt, T. (1998). Armut in den USA. Eine Bestandsaufnahme. In: Arbeit gegen Armut. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89079-5_2
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