Zusammenfassung
Ziel des Artikels ist es, die in den germanistischen Sprachwissenschaften vorherrschende begriffsmäßige Unklarheit im Gebrauch der Termini ‘Genus’ und ‘Sexus’ in ihrer Bedeutung und Abgrenzung voneinander darzustellen und in ihren Konsequenzen zu diskutieren. Bei der Behandlung der kategoriellen Systeme Genus und Sexus in den Sprachwissenschaften handelt es sich um die Manifestation einer Verbindung zweier ursprünglich vom System und Referenzrahmen her voneinander unabhängiger Kategorisierungssysteme, die u.a. durch die sprachwissenschaftliche Behandlung nicht mehr in allen Fällen klar voneinander zu trennen sind und deren Vermischung sich in der Folge tradiert hat. Diese Herstellung einer semantischen Verbindung von ‘Genus’ und ‘Sexus’ in der linguistischen Terminologie verfestigt die Konstruktion einer natürlichen Zweigeschlechtlichkeit durch Sprache auch auf der sprachwissenschaftlichen Ebene. Die heute in der Regel als gegeben verstandene Verbindung zwischen Genus und Sexus sehe ich als eine historisch gewachsene, aber als eine nicht notwendigerweise logische und zwingende an, wenngleich sie heute soweit ‘naturalisiert’ ist, daß die Kategorie ‘Genus’ nicht mehr ohne Beachtung der Kategorie ‘Sexus’ analysiert werden kann.
„Ich fürchte, wir werden Gott nicht los weil wir noch an die Grammatik glauben.“
Für Kritik und Anregungen danke ich Annette Schlichter.
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Hornscheidt, A. (1998). Grammatik als Ort von Geschlechterkonstruktion. Eine kritische Analyse. In: Hornscheidt, A., Jähnert, G., Schlichter, A. (eds) Kritische Differenzen — geteilte Perspektiven. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-89056-6_6
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