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Zusammenfassung

Ziel dieser Arbeit ist die Rekonstruktion des Ironiebegriffs aus der Perspektive heutiger Sprecher, also die Ethnokategorie “Ironie”. Als Analysematerial dienen für diesen Ansatz ausschließlich die Audiodaten des für diese Untersuchung erstellten Korpus. Begriffsbestimmungen aus anderen Quellen wie Wörterbüchern, Konversationslexika, aber auch Rhetoriken und linguistischen Arbeiten werden — als vorgefertigte Kategorien, für die dann nur noch die Belegbeispiele aus dem Korpus zu pflücken wären — bei dieser Vorgehensweise bewußt nicht herangezogen. Doch was sich in so vielen Untersuchungen bewährt hat, wird hier zum Problem: der Begriff Ironie hat eine sehr lange und aus verschiedenen Gründen sehr mächtige Tradition, die sich auf den Alltagsbegriff auswirkt. Erschwert wird die Ausgangslage noch dadurch, daß Ironie im Verlauf ihrer historischen Entwicklung eine Vielzahl von Varianten hervorgebracht hat, deren Zusammenhang heute oft nur noch über ihre Genese herzustellen ist.1 Mit “Ironie” werden heute eine schillernde Vielfalt von Konzepten bezeichnet, hauptsächlich aus Philosophie und Literaturwissenschaft, über deren genaue Bestimmung sich selbst die Fachgelehrten nicht einig sind.2 Gerade in der akademischen Welt läßt sich der Begriff deshalb kaum benutzen ohne entsprechende Assoziationen hervorzurufen. Die Bezeichnung “Ironie” ist also in jedem Fall polysem, in mancher Hinsicht vielleicht sogar homonym, wobei die verschiedenen in sich schon vagen Konzepte in verwirrender Weise interagieren, oft auch dann, wenn die bezeichneten Phänomene nichts miteinander zu tun haben.

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Literatur

  1. Der Begriff beginnt seine Karriere als Bezeichnung für eine bestimmte Verhaltensweise und wird noch in der Antike auf eine rhetorische Strategie übertragen. Bis zur Romantik bleibt diese Bedeutung konstant, dann aber greift ihn Friedrich Schlegel auf und sorgt für seine Verbreitung sowohl in der Philosophie als auch in der Literatur, wo er sehr schnell die unterschiedlichsten Dinge bezeichnet, unter anderem die Dramatische Ironie (zuerst A.W. Schlegel 1808) oder die Tragische Ironie (zuerst Connop Thirlwall 1833).

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  2. Vgl. dazu beispielsweise Allemann (1970:16): “Vor allem müßte endlich einmal klar zwischen Ironie als einem philosophisch-metaphysischen Prinzip und dem literarischen Stilphänomen Ironie unterschieden werden”. Noch radikaler Engeler (1980:52): “Am schlimmsten aber bei all diesen Versuchen [der Literaturwissenschaft, M.H.] ist doch die Tatsache, daß die verschiedenen Ebenen der Begriffsbestimmung nicht getrennt werden, daß man gewissermaßen Kraut und Rüben zusammenzählt, daß die Art und Weise der Definition nicht problematisiert wird. Von daher mag es kommen, daß allen Arbeiten über dieses Thema eine seltsame Ungenauigkeit, Widersprüchlichkeit, eine kabbalistische Dunkelheit eigen ist”.

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  3. Auch Sperber & Wilson (1981:297) gehen davon aus, daß es eher die greifbare Wörterbuchdefinition ist als die eigene Intuition, die die Begriffsauffassung des Alltagssprechers bestimmt — und die gerade durch die “wörterbuchgestützten” Einschätzungen wieder bestätigt wird. “ “Die etymologische Ableitung ... ist umstritten und zweifelhaft.” Büchner (1941:340); “... -etymologisch nicht sicher abzuleiten — ...” Boder (1973:12); “Die Etymologie ist ungeklärt” (Weinrich 1976:577). 7 Büchner (1941:339) gibt für εiρωv als mögliche Bedeutungen an: Betrüger, Spötter, Schwätzer Schmeichler, der Träge, der Dünkelhafte, der Prahler, vgl. auch Knox (1973:23).

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  4. Zitiert nach der Ausgabe bearbeitet von Kurt Hildebrandt, Stuttgart: Reclam 1961.

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  5. Alle Zitate nach der Ausgabe übersetzt von Franz Dirlmeier, Stuttgart: Reclam 1994, identisch mit der Ausgabe Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1969.

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  6. Schon Bergson meint, “... daß lediglich die Verbindung der Eironeia mit der Persönlichkeit des Sokrates Aristoteles dazu gebracht hat, ein ziemlich sympathisches Bild des Eiron zu entwerfen ...”, was auch vom Aristoteles-Kommentator Aspasios gestützt wird: “Einige meinen, die Eironeia sei kein Übel; denn Sokrates, so sagen sie, sei Eiron gewesen.” (nach Boder 1973:21).

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  7. Zitiert nach der Ausgabe übersetzt von Ludwig Seeger, München: Goldmann o.J.

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  8. Schon Ribbeck stellt fest, daß man es “als eine Ironie des Schicksals betrachten könne, daß gerade der wahrheitsliebendste aller Athener schon im Altertum zum Repräsentanten eines so zweideutigen Charakters gestempelt ist” (1876:386).

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  9. Zitiert nach der Ausgabe herausgegeben und übersetzt von Paul Gohlke, Paderborn: Schöningh 1959

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  10. Ueding / Steinbrink bezeichnen sie allerdings als praeteritio (1994:317f).

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  11. Vgl. die Text-Kommentierungen von Franz Sieveke, Anmerkung 247, in der Ausgabe München: Fink 1980.

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  12. Bei Cicero erfolgt die gesamte Erörterung von Ironie in dem Exkurs zu Lachen und Humor, in Quintilians systematischer angelegten Rhetorik wird sie zwar gesondert unter Tropen und Figuren behandelt, aber ebenfalls in dem Kapitel zum Lachen explizit aufgeführt (VI, 3, 68).

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  13. Einerseits haben die Gefühlswirkungen die höchste Bedeutung (Institutio Oratoria, VI, 2, 4) und ihre Funktion, vom Blick auf die Wahrheit abzulenken, wird deutlich herausgestellt (Institutio Oratoria, VI, 2, 5), andererseits war man sich dabei der Problematik der Manipulation wohl bewußt und setzte daher grundsätzlich voraus, daß der Redner die gute und richtige Sache verfechte: “Bei den Philosophen wundere ich mich wenig darüber, bei denen es ja als Laster gilt, sich durch Gefühle rühren zu lassen, und es weder der guten Sitte zu entsprechen scheint, daß man so den Richter vom Wege der Wahrheit abbringt, noch einem guten Menschen angemessen, lasterhafte Mittel zu verwenden. Sie werden jedoch zugeben, daß Gefühlswirkungen notwendig sind, falls auf anderem Wege wahre, gerechte und gemeinnützige Ziele sich nicht erreichen lassen” (Institutio Oratoria, VI, 1, 7).

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  14. “Im Epilog aber kommt es darauf an, welche Gesinnung der Richter zur Beratung mitnimmt, und nun werden wir nichts weiter sagen können, und es bleibt keine Stelle mehr, für die wir etwas aufheben können” (Quintilian, Institutio Oratoria, VI, 1, 10).

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  15. Alle Zitate aus De Oratore nach der Ausgabe herausgegeben und übersetzt von Harald Merklin, Stuttgart: Reclam 19862

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  16. Vgl. z. B. Cicero, De Oratore II, 235ff.; Quintilian, Institutio Oratoria, VI, 3, 101.

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  17. Aristoteles, Rhetorik, III, 18, 7 (1419b); Cicero, De Oratore, II, 262 & 269; Quintilian, Institutio Oratoria, VI, 3, 68.

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  18. Zu diesem Schluß kommt auch Groeben (1984:3): “Die traditionelle auf Grammatik- und Semantiktheorien konzentrierte Linguistik stand und steht dem Phänomen der Ironie relativ hilflos gegenüber;...”.

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  19. Cicero, II, 255; Quintilian VI, 3, 13.

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  20. Vgl. Karl Ernst Georges’ Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, 11. Auflage 1913, (Nachdruck Basel: Schabe 1962), Bd.1, 2225f. & Bd.2, 2678f.

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  21. Alle Zitate aus Marcus Fabius Quintilianus, Institutionis Oratoriae nach der Ausgabe herausgegeben und übersetzt von Helmut Rann, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1975

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  22. Das Kontrastprinzip Wortgruppe — verbales Umfeld findet sich ja auch schon bei der inversio.

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  23. Sachlich liegt diese Unterscheidung zwar nahe, sich bei ihr aber auf Quintilian zu berufen, zeugt von oberflächlicher Rezeption, denn die angeführte Textstelle VI, 3, 85 läßt sich nur indirekt mit Ironie in Verbindung bringen.

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  24. VI, 2, 15; VI, 3, 91; IX, 2, 97.

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  25. Genaugenommen gab es niemals ein einheitliches rhetorisches System, nicht einmal in der “Schulrhetorik”, sondern immer nur die mehr oder weniger stringenten Darstellungen einzelner Rhetoren, die sich in einzelnen Punkten teilweise erheblich unterscheiden.

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  26. Vgl. Ueding / Steinbrink (1994), Lausberg (1960 & 1963), Müller (1989), Plett (1991).

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  27. Diese “Problematik” beschäftigt vor allem sprechakttheoretische Ansätze, die von jeher große Schwierigkeiten mit allen Formen des indirekten Sprechens haben, vgl. dazu beispielsweise Lapp (1992), der ironische Äußerungen als “simulierte Unaufrichtigkeit” interpretiert.

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  28. Vgl. dazu auch Karstetter (1964).

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© 1998 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden

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Hartung, M. (1998). Begriffsursprung. In: Ironie in der Alltagssprache. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88985-0_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-88985-0_1

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-13013-2

  • Online ISBN: 978-3-322-88985-0

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