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Der wissenssoziologische Aspekt: Explikation und Erklärung

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Die Modularität der Wissenschaft

Part of the book series: Wissenschaftstheorie Wissenschaft und Philosophie ((WWP))

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Zusammenfassung

Den Rahmen für eine Präzisierung der Problemstellung dieses Kapitels bildet der TM- Ausdruck Konvention, der — wie wir im Abschnitt 2.5 unter (v) gesehen haben — den Zugang zur wissenssoziologischen Fundierung einer TM-modularen Wissenschaftstheorie liefert. Wenn demnach (a) die generative Linguistik eine spezifische Art von Konvention ist, (b) Konventionen u.a. aus der Interaktion konzeptueller und motivationaler Module hervorgehen und (c) die Art und Weise dieser Interaktion für jeden Bereich menschlichen Verhaltens spezifisch bestimmt wird, so besteht die Grundfrage dieses Kapitels in folgendem: Wie kann die Schnittstelle zwischen dem motivationalen und dem konzeptuellen TO-Modul, die einer Verhaltensinstanz “grammatische TO-Erklärung” zugrundeliegen, charakterisiert werden (wobei diese Verhaltensinstanz Bestandteil der spezifischen Konvention “generative Linguistik” ist)? Der nachfolgende Gedankengang umfaßt folgende Schritte:

  1. (i)

    Es liegt nahe, diese Frage dadurch zu beantworten, daß die in der allgemeinen wissenssoziologischen Literatur bekannten und vielfach analysierten paradigmatischen Beispiele für Schnittstellen zwischen konzeptueller und gesellschaftlicher Struktur in dem hier verwendeten TM-modularen Rahmen rekonstruiert und auf ihre Gültigkeit für die generative Linguistik hin einzeln untersucht werden.1 Erstens soll die geläufige “grid-group”-Analyse herangezogen und—an einem wesentlichen Punkt—erweitert werden, wodurch sich der Zusammenhang zwischen der Struktur einer Wissenschaftlergemeinschaft und dem konzeptuellen Typ grammatischer TO-Erklärungen aufdecken läßt (Abschnitt 5.2). Zweitens wird die Rolle des Umgangs mit materiellen Objekten innerhalb einer TO-Gemeinschaft für die generative TO-Begriffsbildung erörtert (Abschnitt 5.3). Drittens folgt eine Analyse von gesellschaftlichen Interessen (Abschnitt 5.4).

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Literatur

  1. Darauf weist die bekannte Gegenüberstellung der “internen” (d.h. konzeptuellen) und der “externen” (d.h. gesellschaftlichen) Aspekte der Wissenschaftsentwicklung hin: internal history is primary, external history only secondary, since the most important problems of external history are defined by internal history. External history either provides non-rational explanation of the speed, locality, selectiveness etc. of historical events as interpreted in terms of internal history; or when history differs from its rational reconstruction, it provides an empirical explanation of why it differs. But the rational aspect of scientific growth is fully accounted for by one’s logic of scientific discovery. Lakatos (1971:92)

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  2. Allerdings trifft diese zugespitzte Formulierung der These nur auf die frühe Fassung des Starken Prgramms zu: In Bloor (1976) wird ausdrücklich eine kausale Relation zwischen gesellschaftlichen Vorgängen und wissenschaftlichen Kenntnissen angenommen. In Bloor (1982) hingegen wird in einer Fußnote darauf hingewiesen, daß diese Vermutung wohl zu stark Sci. Aus Bloor (1983) läßt sich schließlich die Ansicht entnehmen, daß zwischen gewissen motivationalen Vorgängen und gewissen konzeptuellen Strukturen lediglich vage Korrelationen oder Parallelitäten bestehen, die keineswegs ein deterministisches Verhältnis implizieren.

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  3. Die TM-Begriffe “sozial” bzw. “gesellschaftlich” (die allerdings als Synonyme verwendet werden) bilden den Oberbegriff zu “motivational”. Alles Motivationale ist zugleich auch sozial bzw. gesellschaftlich. Aber das Soziale umfaßt neben dem Motivationalen auch andere Module des Verhaltens; s. dazu auch 2.5 sowie Bierwisch (1981), Grewendorf — Hamm — Sternefeld (1987). Wenn im weiteren die TM-Begriffe “sozial” oder “gesellschaftlich” verwendet werden, so verweist das auf die Tatsache, daß die ins Auge gefaßte Erscheinung über “motivationale” Faktoren hinaus möglicherweise auch Faktoren aufweist, die zwar “sozial”, aber nicht unbedingt “motivational” sind, bzw. daß uns keine ausreichende Evidenz zur Entscheidung der Frage, ob diese Erscheinung rein “motivational”, oder “sozial” aber nicht-motivaüonal determiniert ist, zur Verfügung steht. Aus diesem Grunde ist die Verwendung der TM-Begriffe “sozial” (bzw. “gesellschaftlich”) und “motivational” bewußt vage und heuristisch. Allerdings werde ich im Rahmen dieser Arbeit hypothetisch voraussetzen, daß die gesellschaftlichen Faktoren, die im Sinne der “grid-group”-Analyse mit gewissen konzeptuellen Strukturen korrelieren, motivationaler Natur sind: Beispielsweise wird eine abweisende oder eine tolerante Haltung gegenüber Anomalien dadurch motiviert, ob man sich vor dem Ausstoß aus der TO-Gemeinschaft fürchten muß oder nicht usw. (s. weiter unten für zusätzliche Gesichtspunkte). Die gesellschaftlichen Faktoren, die hier zur Sprache kommen, werde ich eindeutig in den motivationalen TO-Modul einordnen, wozu auch die im Abschnitt 2.5 angegebene Arbeitsdefinition durchaus Anlaß gibt.

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  4. Untypisch ist allerdings, daß die Angriffe auf die Ideen der Generativisten nicht mit dem Erscheinen dieser Ideen zusammenfallen, sondern diesen mit einem Abstand von fünf bis sechs Jahren folgten. Die ersten öffentlichen Angriffe (wie u.a. Reichling 1961, Uhlenbeck 1963, Dixon 1963 usw; siehe auch Newmeyer 1986) stammen merkwürdigerweise nicht aus der unmittelbaren Umgebung, sondern aus Europa; diese Tatsache läßt sich aber dadurch erklären, daß die europäische Tradition, die das Studium der Sprache als eine Humanwissenschaft auffaßte und in diesem Sinne auch die Bloomfieldsche Tradition abwies, in den frühen Auslegungen der Ideen der generativen Syntax nichts anderes als eine Weiterentwicklung dieser Tradition zu entdecken glaubte. Bald zeigten sich aber feindselige Reaktionen auch in der nächsten Umgebung, wie etwa Hockett (1966), die dann in einen vehementen Angriff von seiten der Vertreter Post-Bloomfieldschen Denkens mündeten und die nahezu vollständige Isolation der Gruppe der Generativisten nach sich zogen.

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  5. Für weitere Gründe und die dazu gehörende soziologische Literatur sei auf Newmeyer (1986) verwiesen.

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  6. Vgl. z.B. van Riemsdijk — Williams (1985), Chomsky (1986), Fanselow — Felix (1987), Grewendorf (1988), von Stechow — Sternefeld (1988), Jacobsen (1986) usw.; in diesem Sinne werden etwa “modulare” Erklärungen den “nicht-modularen” auch in Reis (1987), Meibauer (Hrsg.) (1987) gegenübergestellt.

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  7. Vgl. z.B. Chomsky (1986), Reis (1987), van Riemsdijk — Williams (1985), Grewendorf — Hamm -Sternefeld (1987) usw.

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  8. Aufschlußreich in dieser Hinsicht ist die Zusammensetzung der Autoren des Bandes Bresnan (Hrsg.) 1982; nur einige von ihnen sind Linguisten, die anderen sind entweder professionelle Psychologen oder Computerfachleute.

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  9. Diese kurzen Bemerkungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß Riley eine subtile Analyse der unterschiedlichen Ziele der beiden Theorien angibt. Diese wollen wir hier im einzelnen nicht referieren. Siehe Riley (1987: 180 ff.). Als Illustration für die Schlußfolgerungen dieses Abschnitts vgl. auch die Fallstudie “Motivationales und Konzeptuelles in der grammatischen Begriffsbildung” im Anhang (Abschnitt 7.4).

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  10. Wir wollen auf eine ausführliche Begründung dieser Behauptung nicht eingehen, weil ihre Plausibi-lität sich aus den soziologischen Analysen in Newmeyer (1986a: 86 ff.) unmittelbar ergibt. Es ist nicht unwesentlich zu bemerken, daß aufgrund von Newmeyers Überlegungen nicht nur die TO-Begriffe der Standardtheorie und die der Rektions- und Bindungstheorie unter Hinweis auf gesellschaftliche Intressen TM-erklärt werden können, sondern auch die der generativen Semantik und des Lexikalismus. Es sei beispielsweise an die sehr ungewöhnlichen und kühnen Metaphern erinnert, derer sich die generativen Semantiker bedienten, und die klar durch die kollektiven Interessen dieser Gruppe motiviert waren.

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  11. Die bekanntesten Ansätze zur Aufstellung von Theorien der gesellschaftlichen Interessen innerhalb der dem Starken Programm nahe stehenden Tradition finden sich etwa in den Schriften von Barnes (1977, 1982, 1985) sowie MacKenzie (1978, 1981), Woolgar (1981), Mulkay (1979), Yearley (1982), Pickering (1984), Knorr-Cetina (1988) usw. Angesichts der reichen Literatur können wir auf eine detaillierte Darstellung der Forschungslage nicht eingehen.

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  12. Als Illustration sei hier die theoretisch motivierte Position in Barnes — MacKenzie (1979) dem Ergebnis von MacKenzies detaillierter Fallstudie gegenübergestellt. Während die erstgenannten Autoren einen direkten Determinismus annehmen, fühlt sich Mackenzie gezwungen, die Kausalität des Verhältnisses explizit zu leugnen: It is evident that… social interests shaped and particularized the instrumental interests assumed in the biometricians’s evaluations, and hence their approach to the problem of association. Barnes -MacKenzie (1979: 60) I am not claiming that Pearson’s social background, for example, caused his ideas. If my analyses of Pearson’s writings and of the interests of the professional middle classes are accepted, then all we have is an instance of a ‘match’ of beliefs and social interests. MacKenzie (1981: 92).

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  13. Anstatt einer detaillierten Analyse soll genügen, auf Mulkay (1979), Barnes — Law (1976), Woolgar (1981) hinzuweisen, aus deren Auswertung sich die relevanten Schlußfolgerungen herleiten lassen.

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  14. Daß dies im Falle des TO-Relevanzprinzips eine plausible Annahme ist, folgt auch aus der Bemerkung von Sperber und Wilson, wonach das Relevanzprinzip nicht repräsentational ist (Sperber -Wilson 1986). Zu den unterschiedlichen Auswirkungen von Parametrisierungen im allgemeinen siehe vor allem Abschnitt 2.5 (ii) und Bierwisch (1981). Vgl. auch den im Kapitel 4 angeführten Hinweis auf die Rolle von Parameterfixierungen bei der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Universalgrammatik und einzelsprachlicher Grammatik.

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  15. Da in der Standardtheorie Chomsky, in Anlehnung an Goodman, “Einfachheit” mit “Systematizität” in Verbindung bringt, ist es naheliegend, das primäre Erkenntnisinteresse der Standardtheorie a als “die systematische Darstellung der Grammatik” zu interpretieren (vgl. Riley 1987 und Forrai 1987). Wie Riley explizit bemerkt, ist das mit b bezeichnete Erkenntnisinteresse der Rektions- und Bindungstheorie mit der möglichst strengen Einschränkung der Grammatik zu identifizieren.

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© 1991 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden

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Kertész, A. (1991). Der wissenssoziologische Aspekt: Explikation und Erklärung. In: Die Modularität der Wissenschaft. Wissenschaftstheorie Wissenschaft und Philosophie. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88967-6_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-88967-6_7

  • Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag

  • Print ISBN: 978-3-322-88968-3

  • Online ISBN: 978-3-322-88967-6

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