Zusammenfassung
Auf die überragende Bedeutung von Arbeit und Erwerbsfähigkeit in den sozialrechtlichen Bestimmungen zur Rehabilitation ist bereits hingewiesen worden (Kap. 2.4; 3.1). Die Existenz eines Zusammenhangs zwischen Arbeit und Gesundheit bzw. psychosozialem Wohlbefinden ist in den letzten Jahren in vielfältiger Art und Weise empirisch belegt worden. Auf die negativen Auswirkungen bestimmter Produktionsformen der Arbeit für das Wohlbefinden der Arbeiter weisen schon zu Anfang des industriellen Zeitalters der Begründer der klassischen Volkswirtschaftslehre und der bedeutsamste Protagonist der damals neuen Produktionsform, Adam Smith, und sein nicht weniger bedeutender Kontrahent, Karl Marx, hin. Die intellektuellen, emotionalen, motivationalen, sozialen und somatischen Konsequenzen der Arbeitsteilung beschreibt 1776 Smith, der ansonsten den gesellschaftlichen Reichtum auf die industrielle Arbeitsteilung zurückführt, gleichzeitig als zu beachtende Gefahren folgendermaßen: “je weiter die Teilung der Arbeit fortschreitet, umso mehr kommt es dahin, daß die Beschäftigung des größten Teils derer, die von ihrer Arbeit leben, das heißt der großen Masse des Volkes, auf wenige sehr vereinfachte Verrichtungen, oft nur auf eine oder zwei, beschränkt wird. Nun wird aber der Verstand der meisten Menschen notwendigerweise durch ihre gewöhnlichen Beschäftigungen gestaltet. Ein Mensch, der sein ganzes Leben damit hinbringt, ein paar einfache Operationen zu vollziehen, deren Erfolg vielleicht immer derselbe oder wenigstens fast derselbe ist, hat keine Gelegenheit, seinen Verstand zu üben oder seine Erfindungskraft anzustrengen, um Hilfsmittel gegen Schwierigkeiten aufzusuchen, die ihm niemals begegnen. Er verliert also natürlich die Fähigkeit zu solchen Übungen und wird am Ende so unwissend und dumm als es noch immer ein menschliches Wesen werden kann. Die Verknöcherung seines Geistes macht ihn nicht nur unfähig, an einer vernünftigen Unterhaltung teilzunehmen oder auch nur sie zu genießen, sondern sie läßt es auch in ihm zu keinem freien, edlen oder zarten Gefühle mehr kommen und erlaubt ihm selbst nicht, die alltäglichen Pflichten des Privatlebens richtig zu beurteilen”95. MARX greift die Überlegungen von Smith und anderen Zeitgenossen über die schädlichen Auswirkungen industrieller Arbeitsteilung auf und schreibt: “Eine gewisse geistige und körperliche Verkrüppelung ist unzertrennlich selbst von der Teilung der Arbeit im ganzen und großen der Gesellschaft. Da aber die Manufakturperiode die gesellschaftliche Zerspaltung der Arbeitszweige viel weiter führt, andererseits erst mit der ihr eigentümlichen Teilung das Individuum mit seiner Lebenswurzel ergreift, liefert sie auch zuerst das Material und den Anstoß zur industriellen Pathologien”96.
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Literatur
MEW 23, 384 (zitiert nach FRESE u.a. 1978, 12)
Weniger Arbeit für alle“ in Psychologie heute 10 (1983) Heft 3, S. 21–33; PAWLOWSKY & FLODELL 1984, 38–45.
Zur Kritik an der akademischen Idealisierung von Arbeit vgl. die Stellungnahme der Redaktionskommission “Durch Lohnarbeit zur Volksgesundheit” in Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis 115 (1983, Heft 3, 373–382) sowie KÖRNER & ZYGOWSKI 1984
Psychologie heute 10 (1983) Heft 3, 18 f., ferner in der Zeitschrift Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis 15 (1983) 250–257
Zitiert in Blätter der Wohlfahrtspflege 26 (1979) 114
Siehe die Statistiken in Statistisches Bundesamt 1981, 33; Arbeitsgemeinschaft der deutschen Hauptfürsorgestellen 1981, 12; ferner die Meldung in der VDK-Zeitschrift: Die Fackel; Nr. 2 wird hier 1984 mit dem Titel eingeleitet “Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten: Rekord der beängstigt”
Vgl. hierzu die Veröffentlichungen von dem Kongress “Arbeit und Arbeitslosigkeit in kritisch psychologischer Sicht” vom 04. bis 06.05.1979 in Marburg mit der Veröffentlichung von MAIERS & MARKARD 1980; JANTZEN 1980, und den neuerdings auch von der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft durchgeführten 9. Kongress vom 26. bis 28.03.1984 mit dem Thema: Arbeit -Bildung - Arbeitslosigkeit
Die Patienten werden nicht selten nach unklaren Kriterien für beschäftigungstherapeutische Maßnahmen ausgewählt. Häufig sind es Patienten, die eine gewisse Begabung für kunstgewerbliche Arbeiten haben oder aber es handelt sich um Privatpatienten bzw. Patienten mit akademischem Status, denen man ein stumpfsinniges Herumsitzen auf der Station und/oder eine stereotype Arbeitstherapie nicht zumuten will“ (PFÄFFLIN 1977, 162). Auch KIESEWETTER (1976, 37) konstatiert: ”Die kreative Ergotherapie wird von den Ärzten oft eher bei jüngeren, sozial besser gestellten, kürzer hospitalisierten und kontakfähigeren Kranken angeordnet, weil die Ärzte sich mit diesen Patienten mehr identifizieren und als ‘Intellektuelle’ die industrielle Arbeitstherapie stärker ablehnen“.
Eine zunächst geplante Ausbildung als Werktherapeut wurde vorerst zurückgestellt, da vorläufig keine Chancen auf staatliche Anerkennung bestehen (HOHM 1977, 139)
Zur Kritik an musealen Formen vor - und frühindustrieller Tätigkeiten und einem “idyllischen und quasi naturwüchsigen Arbeitsbegriff” RICHARTZ & BAUER (1972, 66 f.)
Hierzu die Grundsätze bei BENNETT (1972, 44 f.), zusammenfassend bei HOHM (1977, 134 f.)
Eine Übersicht über die minimale Entlohnung in niedersächsischen Landeskrankenhäusern gibt KLAUSS ( 1975, Tab. 19 und 20), ferner HOHM (1977, 56 f.) zur Problematik der Leistungsbeurteilung DILLING (1977, 65)
So schreibt BENNETT (1972, 68), dag zur Zeit des moral treatment “Arbeit lediglich Teil eines umfassenden Handlungsplanes war, der den Patienten Freiheit und Würde zu vermitteln suchte und sie durch Training ihrer geistigen Fähigkeiten in ihrem normalen Verhalten bestärken wollte”.
Ähnlich RICHARTZ & BAUER 1972 unter Berufung auf den Habermas’schen Ansatz von Arbeit und Interaktion
Bereits Simon sah die Wirksamkeit der Arbeitstherapie darin begründet, dag es mit ihrer Hilfe möglich sei, gegen “Die drei grogen Schädlichkeiten, die unsere Geisteskranken in der Anstalt bedrohen”, nämlich “die Untätigkeit, das ungünstige Anstaltsmilieu und die grundsätzliche Unverantwortlichkeit” anzugehen (vgl. HARLFINGER 1968, 25)
Zitiert nach BENNETT (1972, 68)
Stellvertretend Deutscher Bildungsrat 1974
Deutscher Bundestag 1982
Am 07.09.1976 folgte das Ausbildungsplatzförderungsgesetz; da dieses jedoch vom Bundesverfassungsgericht am 10.12.1980 für nichtig erklärt wurde, weil es in einzelnen Vorschriften Verfahrensregelungen enthalte, die der Zustimmung des Bundesrats bedurft hätten, wurde es durch das Berufsbildungsförderungsgesetz vom 23.12.1981 ersetzt.
siehe die Beschlüsse der KMK von 1968 und 1971 ( SCHULTZE & FUHR 1973 )
Bis zu diesem Zeitpunkt war insbesondere die Berufsschule kaum reformiert worden“ (KNOLL 1977, 149)
Nach einer Rahmenvereinbarung der KMK von 1978 ist die Zahl von 13 Berufsfeldern für das Berufsgrundschuljahr festgelegt, es handelt sich um Wirtschaft und Verwaltung, Metalltechnik, Elektrotechnik, Bautechnik, Holztechnik, Textiltechnik und Bekleidung, Chemie, Physik und Biologie, Drucktechnik, Farbtechnik und Raumgestaltung, Körperpflege, Gesundheit, Ernährung und Hauswirtschaft, Agrarwirtschaft (FUHR 1979, 95; Kultusminister NRW, Bildungswege Sek II ).
Siehe hierzu die Schriftenreihe des Kultusministers “Strukturförderung im Bildungswesen des Landes Nordrhein-Westfalen Band 17 Kollegstufe NW 1982 und Schulversuch Kollegschule NW, 1976; BLANKERTZ 1975
Siehe die Broschüre des Kultusministers NRW Bildungswege in Nordrhein-Westfalen-Sonderschulen Düsseldorf 1982
Dazu zählen die folgenden Schularten: Berufsschulen und Berufsaufbauschulen in Voll-und Teilzeitform, Berufsschulen für Behinderte, Berufsfachschulen, Fachoberschulen, Fachgymnasien (WiSta 7/1979, 520)
Zwar wird das private Schulwesen in gängigen Handbüchern oder Übersichten erwähnt und dessen zunehmende Bedeutung (auch unter dem Stichwort Alternativschulen) gewürdigt; allerdings fehlt in den meisten Büchern zum Schulwesen die Erwähnung der Schulen des Gesundheitswesens, so z.B. SCHULTZE & FUHR 1973; FUHR 1979; AURIN 1978; BAUMERT u.a. 1979; KNOLL 1977 ebenso wie in offiziellen Verlautbarungen etwa der KMK 1977, im Bildungsgesamtplan 1973 oder den Berufsausbildungsberichten des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Hingegen werden sie in der Berufsbildungsstatistik auf Bundes-und Länderebene registriert z.B. WiSta 7/1979; Berufsbildungsstatistik NRW 1981 (Heft 485). Das Bildungswesen in NRW 1978 Teil 2 Berufliche Schulen (Heft 410); Berufsbildende Schulen NRW 1981 (Heft 473 ).
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Hörmann, G. (1985). Arbeit, Beruf und Schule als relevante Sozialisationsagenturen. In: Die zweite Sozialisation. Beiträge zur psychologischen Forschung, vol 5. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88873-0_4
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