Zusammenfassung
Ich habe diese kleine Abhandlung über das Theater in meine Aufsatzsammlung aufgenommen, weil sie die engen Beziehungen illustriert, die zwischen Erkenntnis und Kunst bestehen. Die Erkenntnis- (Wissenschafts-)theorie leugnet zwar solche Beziehungen, aber nur darum, weil sie die beschriebenen Gegenstände, d.h. die Wissenschaft und die Kunst nicht kennt. Nun ist es schon wahr, daß es Produkte der Kunst und der Wissenschaft gibt, die so weit auseinanderliegen, daß man sich die Frage stellen muß, ob sie beide von Menschen geschaffen sind — aber ähnliche Abgründe gibt es auch innerhalb der Kunst und innerhalb der Wissenschaften. Andererseits hat Aristoteles die Tragödie philosophischer genannt als die Geschichte, weil sie Strukturen und Gesetze zeigt, während es die Geschichte nur mit Einzelfällen zu tun hat. Das hat auch Brecht nicht bestritten, aber er hat beschlossen, die Gesetze so vorzuführen, daß ihre Aufnahme durch den Zuschauer dessen kritische Fähigkeiten vergrößert und nicht zum Einschlafen bringt. Damit machte Brecht wiederum einen Beitrag zur Wissenschaft. In der Wissenschaft wird ja Forschung und Darstellung gewöhnlich getrennt. Die Forschung ist trotz allen Bemühens nach Systematik voll von Zufällen; Bruchstücke von Gedanken werden diskutiert; um nicht zu ihnen passende Bruchstücke vermehrt; Unsinn verwandelt sich in Sinn; Sinn wird Unsinn, ungrammatische Sätze (gemessen an der Grammatik fertiger und zur festlichen Vorführung gereinigter Theorien) sind an der Tagesordnung. Man weiß heute, wie diese scheinbare Ordnungslosigkeit Entdeckungen fördert und daß ein strengeres Vorgehen den Fortschritt oft behindern muß.
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© 1978 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig
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Feyerabend, P.K. (1978). Nachtrag 1977. In: Der wissenschaftstheoretische Realismus und die Autorität der Wissenschaften. Wissenschaftstheorie Wissenschaft und Philosophie, vol 13. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88829-7_13
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Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag
Print ISBN: 978-3-528-08411-0
Online ISBN: 978-3-322-88829-7
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