Zusammenfassung
Die einfachste aller denkbaren Verhältnissetzungen hat der Newton-Spezialist I. B. Cohen87 kolportiert: In seiner Studentenzeit ergab sich einmal die Gelegenheit, Rudolf Carnap, der gerade als Gastprofessor an seiner Universität weilte, anzusprechen und um einen Vortrag vor dem studentischen Wissenschaftshistoriker-Klub zu bitten. Der Wissenschaftsphilosoph ließ sich auf ein kleines Gespräch darüber ein, was denn die Studenten an der Wissenschaftsgeschichte interessiere, um am Ende festzustellen, er selbst habe nichts über die Wissenschaft zu sagen, das für Historiker irgendwie von Belang sein könne. Die Absage gibt keine Auskunft über Carnaps Bewertung der Wissenschaftshistorie. Andernorts hat er sich dahingehend geäußert, es handle sich um eine Angelegenheit von „sehr geringem Nutzen“88. Es gibt genügend weitere Beispiele dafür, wie Indifferenz mit Abwertung verbunden wird: Von R.B. Braithwaite, dem Cambridger Erklärungs- und Wahrscheinlichkeitstheoretiker, ist die Warnung an einen neuen Kollegen überliefert, er möge sich von der Wissenschaftsgeschichte fernhalten — das sei keine Sache für Leute von Verstand.89
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Literatur
„History and the Philosophy of Science“, in: The Structure of Scientific Theories, hg. v. F. Suppe, 2. Aufl. Urbana 1977, S. 308–60, S. 310.
Carnap, R., The Logical Foundations of Probability, 2. Aufl. Chicago 1962, S. 217.
Vgl. Buchdahl, G., „History and Philosophy of Science - Some Anecdotal Memories“, Stud. Hist. Phil. Sci. 20/1989, S. 5–8, S. 7.
S. etwa Pearce Williams, L., „Should Philosophers Be Allowed to Write History?“, Brit. J. Phil. Sci. 26/1975, S. 241–253; vorrangig auf Spannungen hebt auch Charpa, U., „Zum Verhältnis von Historie und Philosophie in der Wissenschaftshistorie - Ptolemaica als Didactica?”, Philos. Nat. 20/1983, S. 179–91, ab. Eine besonders beeindruckende Versagensstudie ist die von Cohen, H. F., „Music as a Test-Case“, Stud. Hist. Phil. Sci. 16/1985, S. 351–78, in der vier bekannte philosophische Auffassungen auf den Wandel der Musiktheorie im Zeitalter der sog. wissenschaftlichen Revolution bezogen werden.
Krafft, F., „Erfahrung und Vorurteil im Denken Johannes Keplers“, Ber. Wiss.geschichte 14/1991, S. 73–96, S. 77 (Kursive nicht im Original); s. a. oben Teil I1.4.
Die nachstehende Sichtung verdankt einiges dem Anstoß von Moulines, C. U., „On How the Distinction betweeen History and Philosophy of Science Should not be Drawn“, Erkenntnis 19/1983, S. 285–296.
Für die disziplinäre Wissenschaftshistorie wird das Miteinander synchronischer und diachronischer Betrachtungsweisen (mit etwa anders gesetztem Begriffsgebrauch) bei Kragh, Introduction,S. 89ff. dargelegt.
Robertello, F., De historica facultate disputatio,Firenze 1548, Nachdruck in: Theoretiker humanistischer Geschichtsschreibung, hg. v. E. Keßler, München 1971.
Materialien der entsprechenden Diskussion etwa in: Theorie und Erzählung in der Geschichte, hg. v. J. Kocka u. Th. Nipperdey, München 1979.
Einschränkend zu der im Humanismus wieder aktuell gewordenen Vorstellung der Historie als Cognitio singularium s. etwa die Aristoteles-Kritik in Lorenzo Vallas De Natura et Proprietatibus Historiae, der auf Universalbegriffe in der Geschichtsschreibung verweist (vgl. Keßler, E., „Die Ausbildung der Theorie der Geschichtsschreibung im Humanismus und in der Renaissance unter dem Einfluß der wiederentdeckten Antike“, in: Die Antike-Rezeption in den Wissenschaften während der Renaissance, hg. v. A. Buck u. K. Heitmann, Weinheim 1983, S. 29–49, 38 f. et passim). Auf der Linie des aristotelischen Historien-Konzeptes liegt später noch der bedeutende Enzyklopädist Bartholomäus Keckermann (1573–1609). Vgl. dazu und zu weiteren Autoren Schmidt-Biggemann, W., Topica Universalis - Eine Modellgeschichte humanistischer und barocker Wissenschaft, Hamburg 1983, S. 95 et passim.
Vgl. Rickert, H., Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung, 5. Aufl. Tübingen 1929, S. 266f.
S. explizit idealisierend Mc Mullin, E., „The History and Philosophy of Science - A Taxonomy of Their Relations“, Minnesota Stud. Phil. Sci. V/1970, S. 12–67, S. 54 ff. vgl. dagegen das Projekt von Bialas, Wissenschaftsgeschichte,Wissenschaftshistorie einem „philosophisch Allgemeinen” (S. 8) zu verpflichten.
Mit einem Induktivismus verbunden bei Pearce-Williams, „Philosophers“, S. 253.
Stellenhinweise und Kommentar bei Racionero Carmona, Q., „Wissenschaft und Geschichte bei Leibniz“, Stud. Leibn. 23/1991, S. 57–78, bes. S. 59 ff.
Falsification and the Methodology of Scientific Research Programmes“, in: Criticism and the Growth of Knowledge, hg. v. I. Lakatos u. A. Musgrave, Cambridge 1974, 91–196, S. 168 f.
Regulae 10,1.
Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik - Methodologische Einleitung)“, in: ders., Schriften, 45–196. S. 53.
Leclerq, A., Histoire et avenir de la méthode expérimental, Paris 1960, S. 87.
Krafft, F., „Innovationsschübe durch Außenseiter: das Beispiel des Amateur-Astronomen William Herschel“, Ber. Wiss.geschichte 9/1986, S. 201–225, S. 205.
Am Beispiel von Dijksterhuis’ Mechanisierung des Weltbildes s. Buchdahl, G., „On the Presuppositions of the Historian of Science“, Hist. Sci. 1/1962, S. 67–77.
Als Konsequenz entsprechender Klage nahegelegt in The Whig Interpretation of History, London 1931, S. 67.
Sticker, B., „Mythos und Logos des Fortschritts in der Geschichte der Wissenschaft“, Rete 2/1973, S. 25–44; Grmek, M. D., „A Plea for Freeing the History of Scientific Discoveries from Myth”, Boston Stud. Phil. Sci., Bd. 34, 1981, S. 9–42.
S. im Überblick die in Lutz Dannebergs Kompendium Methodologien, Berlin 1989, Kap. VI, referierten meta-methodologischen Überlegungen von Lakatos’ u.a.
Vgl. Charpa, U., „On Drawing Distinctions between History and Philosophy of Science“, Erkenntnis 23/1985, S. 251–53.
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Charpa, U. (1995). Wissenschaftsphilosophie und Wissenschaftshistorie. In: Philosophische Wissenschaftshistorie. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88778-8_6
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