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Grenzen der Handlungsbegrifflichen Rekonstruktion: Systembegriffe

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Rekonstruktion von Handlungen

Part of the book series: Studien zur Sozialwissenschaft ((SZS,volume 77))

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Zusammenfassung

Die bisher diskutierten Grundbegriffe der Soziologie konnten ohne weiteres als Handlungsbegriffe rekonstruiert werden: es ist ihnen gemeinsam, daß sie auf unterschiedlichen Ebenen kognitiv repräsentiert, also Bestandteile des Alltagswissens kompetenter Gesellschaftsmitglieder über die Hervorbringung und Deutung von Handlungen sind. Diese Gemeinsamkeit unterscheidet sie grundlegend vom Systembegriff, der im Kontext der theoretischen Soziologie für vielfältige Zwecke entwickelt, bzw. aus anderen Wissenschaften übernommen wurde. Mit ihm wird eine Vielfalt von Phänomenen bezeichnet, die unter Umständen mit Handlungskontexten identisch sein können. Zumeist sind sie jedoch daran orientiert, die Alltagswelt unter theoretischen Aspekten zu rekonstruieren.

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Anmerkungen

  1. Dies gilt wohlgemerkt für soziale Systeme. Versteht man den Handelnden (“personales System”) als System, so ist es in jeder Handlung notwendigerweise vorausgesetzt. Vgl. dazu Dennett (1981).

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  2. Zur Geschichte des Systembegriffs in der Soziologie vgl. Tjaden (1969).

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  3. Faßt man den Systembegriff als deskriptiven Grundbegriff auf, so hat er eine ähnliche Bedeutung wie “soziales Gebilde” — ein Überbegriff für viele Arten von Handlungskontexten. Davon unberührt ist die Frage, wieweit der Systembegriff einen methodischen Grundbegriff bildet (analog “Funktion”), der Strategien der Analyse sozialer Phänomene bezeichnet. M.E. trifft dies etwa auf den funtionalistischen Systembegriff zu.

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  4. Am nächsten kommt dieser Verwendung die Bedeutung von “System” in frühen Arbeiten von Parsons (etwa Parsons 1973, zuerst 1945).

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  5. Dies betonen auch Crozier/Friedberg (1979).

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  6. Die Systemdefinition von Buckley kommt dieser Verwendungsweise auf einer abstrakteren Ebene nahe: “Communicative interaction between individuals together with their self conceptions and the environmental situation constitute a system” (Buckley 1967, S. 124).

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  7. Bei Loomis (1963) findet sich eine Systemdefinition aus dieser Sicht: “Social systems are going concerns through which actors adept to their environment, attain goals, integrate their activities, maintain boundaries, and manage tensions” (Loomis 1963, S. 186).

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  8. Diese Ambivalenz hängt mit der tendenziell normativen Definition der “sozialen Welt” durch Habermas zusammen — diese ist konstitutiv an die Geltung legitimer Normen gebunden (Vgl. etwa 1981, Bd. 1, S. 135).

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  9. Eine ähnliche Verbindung von System und Lebenswelt findet sich bei Bredemeier/Stephenson: Ein soziales System “is an abstract concept, considered apart from particular people who give it concrete existence in a social gruop. (...) A social group is a concrete reality that acts in terms of an abstract social system by virtue of people ‘holding in their heads’ collectively, the status structure of the system” (Bredemeier/Stephenson 1967, S. 35). Die “abstrakten” Systembegriffe (hier: Statusbegriffe) dienen dem Aufdecken funktionaler Erfordernisse und objektiver Folgen. Sie sind jedoch notwendigerweise im Handeln der Gesellschaftsangehörigen “verankert”.

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  10. In diesem Zusammenhang ist Habermas’ Kritik des “hermeneutischen Idealismus” der verstehenden Soziologie zu sehen (Habermas 1981, Bd. II, S. 182ff.).

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  11. Ein ähnliches Bild findet sich bereits bei Lockwood: systemische Krisen müssen in die Krise der sozialen Integration transformiert werden, damit gesellschaftliche Konflikte virulent werden; sie müssen die Motive der Gesellschaftsangehörigen bestimmen (Lockwood 1969).

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  12. Es sind dies Bereiche, für die nach Luhmann “keine adäquate Bewußtheit mehr (scil, in der modernen Gesellschaft — AB) besteht” (Luhmann 1971, S. 145).

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  13. Auch in solchen Kontexten bestehen Normen und Anforderungen an Handlungsrechtfertigungen (vgl. Macauly 1963). Auch das Geschäftsleben und die Marktbeziehungen sind nicht normativ “neutral” — wie dies Habermas oft vorauszusetzen scheint.

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  14. Zum funktionalistischen Systembegriff im allgemeinen vgl. Cortez et al. 1974, S. 9f..

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  15. Vgl. dazu Nadel (1968).

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  16. Unter diesem Gesichtspunkt unternimmt es D. Easton (1965), das “politische System” zu analysieren.

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  17. Eine Rekonstruktion des Lebenswerkes von Parsons unter diesem Aspekt unternimmt Habermas (1981, Bd. II, S. 295ff.).

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  18. M.E. hat Parsons diesen Nachweis über die Analyse des “Utilitarian dilemma” schlüssig argumentiert (Parsons 1968, S. 64). Für die folgenden Ausführungen wird der von Parsons postulierte Zusammenhang zwischen Freiwilligkeit und Normkonformität nicht als problematisch angesehen. Habermas (1981, Bd. II, S. 64) übt, wie es mir scheint, berechtigterweise -Kritik daran.

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  19. Parsons verknüpft hier zwei grundlegend unterschiedliche Argumentationsweisen. Der Nachweis, daß in Handlungen Normen vorausgesetzt sind, beruht auf einer rekonstruktiven Analyse der “unit act”. Die Annahme der sozialen Integration vermittels von Werten ist dagegen eine empirische Hypothese, die kaum schlüssig zu beweisen und vor dem Hintergrund unseres heutigen Wissens über die soziale Strukturierung unserer kognitiven Akte unzureichend ist.

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  20. So bestimmt Parsons (1973, zuerst 1945) Soziologie konsequent als eine Wissenschaft von den sozialen Institutionen. Diese Position hat eine große Ähnlichkeit mit der Handlungslehre A. Gehlens (1963).

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  21. “Concretely value-orientations are overwhelmingly involved in processes of social interaction. For this reason consistency of normative orientation cannot be confined to one actor in his action in different situations and different times: there must also be integration on an interindividual level. Rules, that is, must be generalized in a manner to apply to all actors in the relevant situations in the interactive system” (Parsons/Shils 1951, S. 165).

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  22. Jeder Handelnde “in a situation is confronted by a series or major dilemmas of orientation, a series of choices that the actor must make before the situation has a determinate meaning for him” (Parsons/Shils 1951, S. 76). Daher sind die “pattern variables” “categories for the description of value orientations” (ebd., S. 78). Diese Wertorientierungen lösen die Orientierungsdilemmata.

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  23. Konsistentes Verhalten erklärt sich auch daraus, daß gemeinsame Werte “verinnerlicht” werden. “This integration of a set of common value patterns with the internalized need disposition structure of the constituent personalities is the core phenomenon of the dynamics of social systems” (Parsons 1951, S. 41). Die “pattern variables” sind als “need dispositions” in der Persönlichkeit und als Rollenerwartungen zugleich in den Institutionen repräsentiert (Parsons/Shils 1951, S. 93). Aus dieser Doppelfunktion ergeben sich — wie Black (1961) bemerkt — Zweideutigkeiten in der Begriffsverwendung.

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  24. So beschreiben auch Prewo u.a. die Entwicklung der Systemtheorie bei Parsons als “Verallgemeinerung der Handlungstheorie zum System generalisierten Handelns” (Prewo/Ritsert/Stracke 1973, S. 137).

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  25. Die Änderung des kategorialen Rahmens wird von Dubin thematisiert (1967, zuerst 1960). Dubin spricht von zwei Handlungsmodellen, einem sozialpsychologischen, das vom Handelnden und seiner Orientierung ausgeht, sowie einem durch Systemprobleme definierten. Das erste Modell “‘looks out’ to the social system from the vantage point of the actor; his Model II ‘looks down’ at the individual actor from the perspective of the social system” (S. 526).

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  26. Auch Jensen (1976) und Habermas (1981, II, S. 365ff.) vertreten die Deutung, wonach Handlungssysteme aus Handlungsaspekten theoretisch aufgebaut werden.

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  27. Dies trifft für die anderen Systemprobleme ebenfalls zu: die “pattern maintenance”-Funktion ist aus der Wertorientierung, die integrative Funktion aus den Handlungsnormen und die Funktion “goal attainment” aus der Zielorientierung abgeleitet. All diesen Funktionen ordnet Parsons in der Folge spezifische Subsysteme zu (vgl. Parsons 1975, S. 50).

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  28. Die Funktion der “Strukturerhaltung” zielt etwa auf die “Erhaltung der Stabilität von institutionalisierten Werten” (1976, S. 173). Es gilt für alle Sozialsysteme, daß die Orientierung innerhalb des Systems “durch gemeinsame Muster normativer Kultur definiert ist” (ebd., S. 179). Die Struktur eines Systems “besteht aus den institutionalisierten Mustern normativer Kultur” (1976, S. 168).

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  29. Diese Ansicht vertritt auch Habermas (1985, S. 443): “Die Lebenswelt selbst soll derart in eine Perspektive der Selbstvergegenständlichung eingeübt werden, daß alles, was sich uns normalerweise innerhalb ihres Horizonts gleichsam performativ erschließt, aus extramundanem Blickwinkel als ein schlechthin sinnfremdes... Geschehen erscheint.”

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  30. Auch nach Luhmann haben “Kausalschema” und “Wertordnung” als handlungssteuemde Prinzipien ihre “gemeinsame Basis” in der “natürlichen Lebenswelt” (1973, S. 51).

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  31. Luhmann nimmt einen umfassenden Selektionsraum an, nämlich die unendliche “Komplexität” und “Kontingenz” der Welt, die durch Einzelselektionen, z.B. Handlungen “reduziert” wird. Das Normale erscheint als unwahrscheinlich, indem die realisierte Möglichkeit für eine mögliche unter im Prinzip unendlich vielen gehalten wird.

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  32. Problematisch ist auch der Hinweis, daß jede Handlung die “komplementäre Leistung anderer” (1971, S. 81) ermöglicht. Daran hält Luhmann auch in späteren Arbeiten fest. “Der Sinn des Handelns ergibt sich immer schon aus der Verweisung auf andere Handlungen oder auf sonstige Ereignisse (...) Es sind also zunächst Handlungszusammenhänge, die den Sinn der einzelnen Handlung konstituieren, die ihn vereinzeln, die ihn zurechenbar machen (...)” (1981, S. 130f.). Diese Formulierung gewinnt ihre Plausibilität aus dem häufigen Aufeinander-Verweisen von Handlungen im sozialen Alltag, die nur selten als isolierte Einzelhandlungen vorkommen. “Jedenfalls genügt das Klingen an der Tür, um meinem Handeln einen Sinn zu geben, ob ich die Tür nun öffne, vorsichtig öffne, erst aus dem Fenster schaue oder gar nicht öffne” (ebd.). Diese Situation ist ungenau beschrieben. Meine Handlung bezieht sich auf diese Situation und wird durch weitere konkrete Gründe bestimmt; so werde ich, wenn ich eine unliebsame Person erwarte oder wenn ich arbeiten möchte, nicht reagieren. Das Klingeln an der Tür ist erst eine Vorgabe, auf die ich mich — je nach Interpretation und Absicht — handelnd beziehe. Das Klingeln bestimmt den Sinn meines Handelns nur in Zusammenhang mit meinen aktuellen kognitiven Repräsentationen.

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  33. Mögliche Gegenmaßnahmen hätten als Handlungen vollzogen werden können. “Die Fähigkeiten einer Person bezüglich von Akten und/oder Unterlassungen, die zu verschiedenen Typen gehören... sind hingegen, selbst wenn sich diese Akte/Unterlassungen auf die gleichen Sachverhalte beziehen... voneinander logisch unabhängig” (von Wright 1979, S. 65). Daß man ein Ereignis verhindern kann, bedeutet nicht, daß man es auch herbeiführen kann.

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  34. “Die Zurechnung bezieht die Handlung auf ein seinerseits hochkomplexes System, das die Handlung beisteuert. Aber sie thematisiert dieses System nicht als System, sondern entleiht ihm nur gleichsam eine Einheit, um sie als Einheit eines... Aktes im eigenen System mit anderen zu verknüpfen” (1981, S. 62).

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  35. Vgl. dazu Heider (1977) und Snyder (1976). Bei Heider ist die Erklärung einer Handlung von ihrer Identifikation an manchen Stellen nicht getrennt. Wenn er von Erklärung der Handlung spricht, meint er ihre Beschreibung: “Die Attribution von persönlicher Kausalität reduziert die notwendigen Bedingungen im wesentlichen auf eine einzige, nämlich die Person mit der Absicht, die, innerhalb eines breiten Spektrums von potentiellen Veränderungen in der Umwelt, Kontrolle hat über die Vielfalt von Kräften, die erforderlich sind, um die spezifische Wirkung hervorzurufen” (S. 125). “Persönliche Kausalität” meint hier nichts anderes als das Vorhandensein einer handelnden Person. Damit ist aber nicht erklärt, warum sie diese Handlung vollzieht.

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  36. Vgl. dazu etwa Jones et al. (1959).

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  37. Daß Attribution eine Handlung nicht “konstituiert”, kann man auch daraus ersehen, daß die Attribution der Handlungsursache falsch sein kann, ohne daß die zugrunde liegende Handlungsbeschreibung falsch wäre. Vgl. in diesem Zusammenhang die Kritik an der Askriptionsthese, die Handlungsbeschreibungen nach dem Muster von normativen Zuschreibungen interpretiert, bei Feinberg (1977) und Geach (1977).

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  38. “Die Selbstbeschreibung (sozialer Systeme — AB) setzt (...) Reduktion auf Handlung voraus” (Luhmann 1984, S. 263).

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  39. Es sind Handlungen, bzw. deren Zuschreibung, an denen Systemdifferenzen deutlich gemacht werden können: “Die Kategorisierung von Selektion als Handeln muß deshalb gewürdigt werden als ein Mechanismus, der Systeme aus der Gleichheitszumutung entläßt und Differenzierungen möglich macht” (1975, S. 20).

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  40. Vgl. dazu besonders Crozier/Friedberg (1979).

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  41. Machtdefinitionen in Webers Tradition — wenn auch mit unterschiedlichen Terminologien und Zielsetzungen — finden sich etwa bei Simon (1969), Bierstedt(1969).

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  42. Diese Position nehmen vor allem Bachrach/Baratz (1977) ein.

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  43. Zur Diskussion des “zweistufigen” Machtbegriffs vgl. Offe (1977) und Lukes (1974).

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  44. Politische Macht als Medium ist eher mit Webers Begriff von Herrschaft verwandt: Herrschaft wird definiert als “die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden” (1964, S. 38). Herrschaft ist für Weber eine spezifische Ausformung des “amorphen” Phänomens Macht.

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  45. So ist der Besitz der legitimen Macht sowohl dem Machthaber wie der Zielperson bekannt.

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Balog, A. (1989). Grenzen der Handlungsbegrifflichen Rekonstruktion: Systembegriffe. In: Rekonstruktion von Handlungen. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 77. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88740-5_9

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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