Zusammenfassung
Die in die politische Sozialisationsforschung gesetzten Erwartungen sind allem Anschein nach enttäuscht worden. Trotz der umfangreichen empirischen Studien, die während der sechziger Jahre in den USA durchgeführt wurden, konnte die Hauptthese dieser Forschung, die sogenannte Kristallisationsthese, bislang nicht erhärtet werden. Folgt man dieser These, so bilden die Heranwachsenden unter dem Einfluß ihrer sozialen Umwelt, insbesondere von ‚Sozialisationsagenturen‘ wie Familie, Schule, Peer group, in abgrenzbaren Altersphasen feste psychische Dispositionen und/oder dauerhafte politische Einstellungen aus, die das spätere politische Verhalten bestimmen. Träfe dies zu, so könnte nicht nur die Genese der heute beobachtbaren politischen Verhaltensmuster beschrieben und erklärt werden. Auch das zukünftige politische Verhalten der jetzt heranwachsenden Generation wäre vorhersehbar. Es ließe sich abschätzen, ob sie die politische Ordnung, in der sie aufwächst, unterstützen wird oder ob aus dieser Generation politische Kräfte hervorgehen, die einen mehr oder minder weitreichenden politischen Wandel auslösen werden. Deshalb haben sich vor allem Politikwissenschaftler, deren Forschungsinteresse den Stabüitätsbedingungen politischer Systeme und dem politisch-sozialen Wandel galt, der politischen Sozialisationsforschung zugewandt. Sie hofften, auf diese Weise Prozesse der Stabilisierung, der Destabilisierung und des Wandels politischer Systeme analysieren und prognostizieren zu können.
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Anmerkungen
Über die Frage, ob Ingleharts Untersuchungsinstrument Werte, Einstellungen, politische Ziele oder aktuelle Problemthemen (issues) erfaßt, kann man gewiß lange streiten; über die Frage, was mit Werten, einem vielfach reifizierten theoretischen Begriff gemeint ist, noch länger. Trotz mancher Bedenken werde ich mich an die gängige Begrifflichkeit halten, weil es mittlerweile genügend Indizien dafür gibt, daß mit den materialistischen und postmaterialistischen ‚Werten‘ relativ stabile, zentrale und verhaltensrelevante politische Leitvorstellungen erfaßt werden.
Reiches Datenmaterial dazu liefert Meulemann (1985), der auch zu den wenigen Sozialwissenschaftlern gehört, welche die Zusammenhänge zwischen diesen Wandlungen und einem Säkularisierungsschub wahrgenommen haben.
Feist und Liepelt betrachten sie allerdings in traditioneller Weise als Sozialisationsagenturen. Seit den späten sechziger Jahren müssen sie jedoch als ein Raum gesehen werden, in dem studentische Gruppierungen versuchen, Sozialisationsprozesse zu initiieren.
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© 1987 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Behrmann, G.C. (1987). Wertwandel, Bildungsexpansion, Säkularisierung und politische Sozialisation in der Bundesrepublik. In: Berg-Schlosser, D., Schissler, J. (eds) Politische Kultur in Deutschland. Politische Vierteljahresschrift Sonderheft, vol 18/1987. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88718-4_14
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