Natürliche Ungleichheit, Soziale Ungleichheit, Ideale Gleichheit

Zusammenfassung

Analysen von Deutungsmustern sozialer Ungleichheit sind kein Neuland in den Geschichts- und Sozialwissenschaften. Deutungen sozialer Ungleichheit werden dabei zumeist als sozialstrukturell unterschiedliche Bilder einer Wirklichkeit verstanden, die eine vom Prozeß der gesellschaftlichen Deutungen unabhängige und objektive Existenz besitzt.¹ Diese Objektivität sozialer Ungleichheit läßt sie als geeignete Grundlage erscheinen, auf die sich eine Erklärung der Vielfalt sozialer Deutungen beziehen kann: Soziale Ungleichheit erklärt Deutung, nicht umgekehrt. Im folgenden soll zunächst der Versuch unternommen werden, dieses Verhältnis umzukehren und nach der konstitutiven Rolle von Deutungsmustern für die Genese sozialer Ungleichheit zu fragen. Im Mittelpunkt steht dabei die Analyse der topologischen, prozessualen und moralisch-reflexiven Dimensionen von Deutungsmustern sozialer Ungleichheit. Da Deutungsmuster jedoch nicht beliebig variieren, sondern empirische Situationen mehr oder weniger angemessen interpretieren, soll schließlich auch auf die empirischen Strukturen der “Situation” eingegangen werden, die bestimmte Deutungsmuster als angemessene und sinnvolle, andere hingegen als weniger angemessene und problematische Interpretationen erscheinen lassen.²

Der Verfasser dankt Hans Haferkamp und Wolfgang Schneider für hilfreiche Kritik und Hinweise zur Überarbeitung des Manuskripts.