Wohlfahrtsstaat und Kriminalprozess

Zusammenfassung

“Wie macht man Kriminelle ?” überschrieb Quensel 1978 ein Gutachten über die Tätigkeit des Kuratoriums zur Bekämpfung der Wohlstandskriminalität. Dieser Titel beschreibt über den unmittelbaren Gegenstandsbereich des Beitrages hinaus trefflich den Tenor kriminalsoziologischer Analysen jener Zeit, als der labeling aproach die Analyseperspektive in der Bundesrepublik war. Er stellte die Kontrollinstanzen und assoziierte Gruppen wie jenes Kuratorium als Machtapparat zur Aufrechterhaltung der Herrschaft von Privilegierten dar. Insbesondere der Justiz wurde die Binde von den Augen gerissen. Ihr, die bis dahin als einigermaßen neutrale Instanz zur Anwendung und Durchsetzung allgemein verbindlicher (wenn auch selbst teilweise selektiver) Normen galt, widerfuhr eine Durchleuchtung als Anwendungsinstanz, in der durch informelle Entscheidungs- und Verfahrensprogramme (Lautmann 1972) Mitglieder unterprivilegierter Schichten Degradierungszeremonien und der gesellschaftlich verbindlichen Durchsetzung von selektiv benachteiligenden Entscheidungen ausgesetzt werden. Dieser Ansatz wurde über die Behandlung von Kriminalität hinaus Leitparadigma für weitere soziale Probleme wie Sozialpsychiatrie, Armut usw.