Zusammenfassung
Es bedarf kaum eines Hinweises auf den Stellenwert, den Arbeitszeitverkürzungen im Hinblick auf die politische Bearbeitung der Folgen des reduzierten ökonomischen Wachstums einnehmen. Doch was zunächst als einheitliches Konzept einer ‚Verteilung der Arbeit auf mehr Schultern‘ erscheint, erweist sich bei näherem Hinsehen als zweigleisig und unverbunden geführte Diskussion. Neben den gewerkschaftlichen Forderungen nach Arbeitszeitverkürzungen — deren wichtigster Bestandteil der Einstieg in die 35-Stunden-Woche darstellt — ist eine ‚Neue Arbeitszeitpolitik‘ getreten. Ihr geht es, ganz im Gegensatz zu tariflich-kollektiven Politiken um eine flexiblere Gestaltung von Arbeitszeiten durch die Individualisierung von Arbeitszeitvereinbarungen. Die Diskussion um flexible Arbeitszeitsysteme nimmt jetzt auch in der Bundesrepublik im Anschluß an insbesondere in den USA geführte Debatten und eingeleitete Reformen deutliche Konturen an.1 Damit wird die Abkehr von traditionellen, kollektiven und starren Lösungsmustern der Systemprobleme westlicher Industrienationen signalisiert. Denn: Mit Hilfe einer höheren Elastizität von Angebot und Nachfrage des Arbeitszeitvolumens lassen sich — so die Protagonisten der Neuen Arbeitszeitpolitik — die bestehenden politischen Barrieren aufbrechen und tarifpolitische Restriktionen vermeiden. Die Strategie der Arbeitszeitflexibilisierung versteht sich also als Alternative zu den als bislang unwirksam eingeschätzten gewerkschaftlichen Bemühungen um eine kollektive Arbeitszeitreduktion. Dabei wird ein bisher den Gewerkschaften nahezu exklusiv vorbehaltener Regelungsgegenstand streitig gemacht und auf tarifpolitikfernen Verhandlungsebenen forciert.
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Heinze, R.G., Hohn, HW., Olk, T. (1980). ‚Neue‘ Arbeitszeitpolitik im ‚alten‘ System der Interessenvertretung. In: Grottian, P. (eds) Folgen reduzierten Wachstums für Politikfelder. Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft, vol 11/1980. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88632-3_2
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