Zusammenfassung
Als These sei zu Beginn formuliert, daß in naher Zukunft weniger der Verteilungskampf zwischen Kapital und Arbeit als vielmehr die „Verteilungsfrage zwischen den Generationen“, d. h. die Auseinandersetzung um die Einkommensverteilung zwischen erwerbstätiger und nicht mehr erwerbstätiger Generation, das vorherrschende Konfliktfeld in der Sozial- und Gesellschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland sein wird. Langfristige Vorausberechnungen der Bevölkerungs-, Einkommens- und Beschäftigungsentwicklung zeigen nämlich, daß die bruttolohnbezogene „dynamische Altersrente“ in der bisher praktizierten und rechtlich festgelegten Form längerfristig nicht vereinbar ist mit einem Abgabensatz für ihre Finanzierung aus Beiträgen und Steuern (Bundeszuschuß), der annähernd auf dem heutigen Niveau liegt. Von besonderem Gewicht, wenn auch in voller Stärke erst sehr viel später wirksam, sind die längerfristig zu erwartenden Belastungen der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), die daraus resultieren, daß sich das Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern aus demographischen Gründen verschlechtert. Diese sich aus der Bevölkerungsentwicklung zwangsläufig ergebenden Belastungen machen es notwendig, über eine Neuverteilung von Finanzierungslasten und Leistungen im Bereich der GRV nachzudenken1. Dies wiederum berührt unmittelbar den sogenannten „Generationenvertrag“2.
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Anmerkungen
„Der Ausdruck,Generation’ wird hier... im Sinne einer typisierenden Einteilung von Personen, die eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben und solchen, die noch im erwerbsfähigen Alter stehen, verwendet“(W. Schmähl, Alterssicherung und Einkommensverteilung, Tübingen 1977, S. 359, Anm. 1).
H. Weise, Rentenfinanzierung und Rentenbesteuerung, Kieler Arbeitspapier No. 74 v. Juli 1978, Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, S. 2.
Vgl. W. Schmähl, Alterssicherung und Einkommensverteilung, a.a.O., S. 359 ff.
Zu den Beurteilungskriterien vgl. W. Schmähl, Zur verteilungspolitischen Beurteilung von Rentenanpassungsverfahren, in: Wirtschaftsdienst 1976/XII, S. 610 ff.; ferner Gutachten des Sozialbeirats vom 18. Februar 1977, Anlage II zur BT-Drucksache 8/132 vom 25. Februar 1977, S. 18 f.
Vgl. Gutachten der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats zu längerfristigen Entwicklungsperspektiven der Rentenversicherung vom 14. Dezember 1980, Anlage zur BT-Drucksache 9/632 vom 3. Juli 1981, S. 26 ff. und S. 35 ff.
Vgl. Bericht über die Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drucksache 8/4437 v. 8. August 1980, Tabelle 29, S. 46.
Vgl. Gutachten der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats vom 14. Dezember 1980, a.a.O., S. 39, Abb. 1.
Ebenda, S. 36.
Ebenda, S. 35 ff.
Ebenda, S. 40 ff.
Vgl. Gutachten des Sozialbeirats über langfristige Probleme der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland vom 11. Juni 1981, BT-Drucksache 9/632 vom 3. Juli 1981, S. 8.
Die Höhe der Neurenten (auch Zugangsrenten genannt) wird nach der sogenannten,,Renten former“berechnet. In diese Formel gehen verschiedene Faktoren ein, deren Zusammenwirken bei der erstmaligen Rentenbemessung die Höhe der individuellen Rente bestimmt. Insgesamt sind es vier Faktoren, die multiplikativ miteinander verknüpft werden: Die Allgemeine Bemessungsgrundlage (BG), der Vomhundertsatz der persönlichen Bemessungsgrundlage (pB), die Zahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre (v) und der Steigerungssatz je anrechnungsfähigem Versicherungsjahr (s). Die erstmalige Festsetzung einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten erfolgt somit nach folgender „Formel“: Die Anpassungssätze der bereits laufenden Renten (Bestandsrenten) werden alljährlich durch Gesetz festgelegt (Rentenanpassungsgesetz). Bis 1978 (21. Rentenanpassungsgesetz) wurden die Anpassungssätze stets aus der Veränderung der Allgemeinen Bemessungsgrundlage errechnet, doch erfolgten zweimal zeitliche Variationendes Anpassungstermins. Die Anpassung der Bestandsrenten macht im Vergleich zu den Neuzugängen die Masse der Mehrausgaben aus. (vgl. hierzu: W. Schmähl, Graphische Darstellung und Interpretation der „Rentenformel“in der Bundesrepublik Deutschland, in: Finanzarchiv, NF, Bd. 35 (1976/1977), S. 310 ff.; ferner B. Molitor, Die dynamische Altersrente, in: WISU 11/80, S. 135 ff.)
Vgl. B. Molitor, Die soziale Altersversicherung nach den Rentenreformen, in: Mitteilungen der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Wirtschaft und Politik Hamburg, Heft 40, 1973/11, S. 181.
Ebenda, S. 182 f.
Vgl. Gutachten des Sozialbeirats vom 11. Juni 1981, a.a.O., S. 10.
Vgl. Gutachten des Sozialbeirats vom 18. Februar 1977, a.a.O., S. 20 f.
D. Heier, Die Sozialversicherung als Instrument ökonomischer Stabilisierungspolitik, dargestellt unter besonderer Berücksichtigung institutioneller Gestaltungsmöglichkeiten in der Renten- und Arbeitslosenversicherung, Diss. Hbg. 1973, S. 117.
Vgl. Gutachten des Sozialbeirats vom 18. Februar 1977, a.a.O., S. 20.
Vgl. W. Schmähl, Zur verteilungspolitischen Beurteilung von Rente nan passungsverfahren, a.a.O., S. 610 ff.; sowie ders., Gegen eine isolierte Betrachtung der Finanzierungsprobleme, in: Wirtschaftsdienst 1978/II, S. 78 ff.
Zur Entwicklung des Nettorentenniveaus vgl. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Übersicht über die Soziale Sicherung, Bonn 1977, S. 100.
Gutachten der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats vom 14. Dezember 1980, a.a.O., S. 50 f.
Die künftige direkte Steuerbelastung der Aktiveneinkommen hängt unter anderem davon ab, wie sich das Verhältnis von direkten und indirekten Steuern zueinander entwickelt. Nimmt z. B. der Anteil der direkten Steuern zu Lasten des Anteils der indirekten Steuern ab, dann würde die Variante I der Nettoanpassung ceteris paribus sogar zu höheren Anpassungssätzen führen als die Bruttoanpassung.
Vgl. Gutachten der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats vom 14. Dezember 1980, a.a.O., S. 50.
Vgl. Gutachten des Sozialbeirats vom 18. Februar 1977, a.a.O., S. 21.
Vgl. Gutachten der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats vom 14. Dezember 1980, a.a.O., S. 51.
Vgl. Gutachtendes Sozialbeirats vom 11. Juni 1981, a.a.O., S. 11.
Zur Frage der Besteuerung vgl. M. Schreyer, Probleme der Besteuerung von Renten, in: Konjunkturpolitik. Zeitschrift für angewandte Konjunkturforschung, 23. Jahrgang (1977), S. 287 ff.;
W. Schmähl, Besteuerung, Nettoanpassung und Beitragsbelastung von Renten, in: Wirtschaftsdienst 1980/I, S. 28 ff.;
N. Andel, Die einkommensteuerliche Behandlung der Beiträge an und der Leistungen von Altersversicherungen, in: Theorie und Praxis des finanzpolitischen Interventionismus. Hrsg. v. H. Haller, L. Kullmer, CS. Shoup, H. Timm, Tübingen 1970, S. 327 ff.;
ders., Nettoanpassung und Besteuerung der Renten im Lichte der Gleichmäßigkeit, der Verteilungsgerechtigkeit und des Sanierungsbedarfs der Rentenversicherungen, in: P. Bohley (Hrsg.), Wirtschaftswissenschaft als Grundlage staatlichen Handelns, Heinz Haller zum 65. Geburtstag, Tübingen 1979, S. 165 ff.; Gutachten der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats vom 14. Dezember 1980, a.a.O., S. 53 ff.
Vgl. Gutachten des Sozialbeirats vom 18. Februar 1977, a.a.O., S. 21 f.
Auf das Problem der steuerlichen Ungleichbehandlung von Renten und vergleichbaren Beamtenpensionen kann hier nicht näher eingegangen werden (vgl. dazu Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1980).
M. Schreyer, Probleme der Besteuerung von Renten, a.a.O., S. 287.
Vgl. M. Schreyer, Probleme der Besteuerung von Renten, a.a.O., S. 292 ff. (Das Korrespondenzprinzip besagt, daß Einkommensteile, die der Verfügbarkeit des Steuerpflichtigen temporär entzogen sind und von der Steuerpflicht ausgenommen bleiben, bei späterem Zufluß nachzuversteuern sind).
Gegen die zweite Ausgestaltungsmöglichkeit des Korrespondenzprinzips, die Arbeitnehmerbeiträge zur GRV in die volle Steuerpflicht einzubeziehen und die späteren Renten ganz steuerfrei zu lassen, spricht insbesondere der Grundsatz der steuerlichen Belastung nach der Leistungsfähigkeit. Die Besteuerung der Rentenversicherungsbeiträge würde für die aktive Generation neben der ohnehin steigenden Abgabenlastquote eine unzumutbare Einkommensminderung bedeuten (vgl. M. Schreyer, Probleme der Besteuerung von Renten, a.a.O., S. 302 ff.).
Gutachten des Sozialbeirats vom 11. Juni 1981, a.a.O., S. 11.
Vgl. Gutachten der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats vom 14. Dezember 1980, a.a.O., S. 54 f.
Vgl. H. Meinhold, Ökonomische Probleme der sozialen Sicherheit, Kieler Vorträge Nr. 86, Tübingen 1978, S. 19.
Der Grundregel des Steuersystems, die Verteilung der Steuerlast nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip vorzunehmen, steht die Grundregel gegenüber, die staatlichen Ausgaben nach ihrer Dringlichkeit zu tätigen (vgl. F. Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, Tübingen 1970, S. 5 und S. 48).
Vgl. hierzu M. Schreyer, Rentenbesteuerung und Finanzausgleich, in: Wirtschaftsdienst 1980/III, S. 152 ff.
Vgl. Gutachten der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats vom 14. Dezember 1980, a.a.O., S. 58.
Ebenda, S. 58.
Gutachten des Sozialbeirats vom 11. Juni 1981, a.a.O., S. 12.
Vgl. zu dieser Diskussion: IGMetall will Rentenbeiträge auf neuer Grundlage, in: Frankfurter Rundschau vom 26.8.1981; B. Molitor, Trojanisches Pferd, in: Wirtschaftswoche 1979/ 50, S. 60 ff; Gutachten der Wissenschaftlergruppe des Sozialbeirats vom 14. Dezember 1980, a.a.O., S. 59 ff.
Vgl. Gutachten des Sozialbeirats vom 11. Juni 1981, a.a.O., S. 12 f.
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Ziegler, B. (1982). Zu den Auswirkungen der langfristigen Bevölkerungsentwicklung auf den Generationenvertrag in der Rentenversicherung. In: Verteilungsprobleme in Industriegesellschaften. Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88624-8_6
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