Zusammenfassung
Wie schwierig das Verhältnis Staat-Kirche auch noch in den ersten Monaten des Jahres 1958 war, ist an der Tatsache ablesbar, daß sich die Synode der EKD im April in Berlin zentral mit dem Problem der christlichen Erziehung beschäftigte. Unter Bezugnahme auf die in einem Beschluß des Politbüros des ZK der SED vom 4.3.1958 enthaltene Zielsetzung, die kommunistische und das heißt atheistische — weil auf der Theorie des dialektischen und historischen Materialismus basierende — Erziehung der Massen (nicht allein der Parteimitglieder) mit aller Kraft zu forcierenl, werden in dem von Bischof Dibelius vorgetragenen Tätigkeitsbericht beispielhaft neue Fälle von Diskriminierung junger christlicher Lehrerstudenten aufgeführt2; die Einführung einer sozialistischen Namensgebung, Eheschließung und Begräbnisfeier sind nach seiner Auffassung wesentliche Elemente einer im Werden begriffenen „atheistischen Gegenkirche“; die verstärkte Durchsetzung der Jugendweihe „mit staatlichen Machtmittelni“3 sowie die Ausrichtung des Schulunterrichts „im Geist des kommunistischen Materialismus“ deuten nach Dibelius darauf hin, hier werde das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit christlicher Kinder und Eltern nicht mehr respektiert. Die allgemeinen Bemerkungen des Ratsvorsitzenden zur Situation der christlichen Jugend erfahren in einem Referat von Oberkonsistorialrat Erich Andler zum Thema „Der Weg der Jugend und die Kirche“ noch weitere Präzisierungen: einmal durch den Hinweis auf die vom V. Parlament, dem nach dem Statut höchsten Organ der FDJ, im Jahre 1955 in Erfurt beschlossene neue Satzung. Nach diesem Statut ist jedes Mitglied der FDJ verpflichtet, sich Grundkenntnisse des dialektischen und historischen Materialismus anzueignen, darüber hinaus aber auch alle Formen des Aberglaubens — und dazu zählt nach dem Selbstverständnis des Marxismus-Leninismus auch der christliche Glaube — zu bekämpfen4. Der zweite Hinweis E. Andlers bezieht sich auf die Tatsache der von staatlichen Behörden und einzelnen Vertretern in Partei und Staat offen bekundeten beruflichen Privilegierung von Jugendweihlingen gegenüber den jungen Bürgern, die aus Glaubensoder Gewissensgründen nicht an der Jugendweihe, sondern statt dessen an der Christenlehre teilnehmen. Ein Beispiel hierfür ist der Beschluß Nr. 62–23/57 des Rates des Bezirks Frankfurt (Oder), in dem es heißt: „Der Abteilungsleiter Arbeit und Berufsausbildung und alle Fachabteilungen, denen volkseigene Betriebe unterstehen, haben dafür zu sorgen, daß Teilnehmer an der Jugendweihe bevorzugt Lehrstellen erhalten.“5
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Dähn, H. (1982). Abbau der Konfrontation zwischen Staat und Kirche 1958–1968?. In: Konfrontation oder Kooperation?. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 52. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88510-4_4
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