Zusammenfassung
Wie im Deutschen bis ins 18. Jahrhundert hinein für den übergeordneten Gesamtbegriff der Kunst im allgemeinen der Plural verwendet wurde (die Künste)6, so war auch das chinesische yi lange Zeit ein Sammelbegriff, vor allem in der Formulierung der liuyi 六藝, der „Sechs Kunstfertigkeiten“ 7, deren Beherrschung als Ideal vom Adligen der Zhou-Zeit gefordert wurde. Die Erziehung eines später in die Lenkung des Staates zu integrierenden Jünglings aus adligem Geschlecht sollte zur Beherrschung folgender Kunstfertigkeiten führen: 1. Riten, d. h. Kenntnis der Regeln des Staats- und Sippenkults; 2. Musik, d. h. vor allem die strenge Kultmusik des konfuzianischen Zeremoniells; 3. Bogenschießen; 4. Wagenlenken; 5. Schreiben und 6. Rechnen. Die Pflege dieser „Künste“ sollte den jungen Mann nicht nur zu einem vollgültigen Angehörigen der sozialen Elite des vorchristlichen chinesischen Feudalwesens machen, sondern auch zur „Bewahrung seines Herzens (oder Geistes) “ (cunxin 存心) dienen. Der Strauß der Sechs Kunstfertigkeiten umfaßt also neben martialischen und praktischen Fertigkeiten auch solche mit künstlerisch ästhetischen Ansprüchen, nämlich Ritual und Musik, die zusammen später das Rückgrat konfuzianischer Kultpraxis ausmachen werden. Aber schon Konfuzius selbst fordert in den von seinen Schülern aufgezeichneten Gesprächen (Lunyu) vom wahren Anhänger seiner Lehre, er solle versiert sein in der Dichtung, im besonderen des klassischen Buches der Lieder (Shi Jing), er solle sich fest eingerichtet haben in den Riten und sich vervollkommnen in der Musik8. Die zivilisatorische Bedeutung von Tätigkeiten mit künstlerischem Anstrich wird also erkannt und als für die Persönlichkeit eines im Staatsleben aktiven Mannes für wichtig herausgekehrt.
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Literatur
Ebda., 2682.
Zu den Sechs Kunstfertigkeiten vgl. E. Biot: Le Tcheou-li ou Rites des Tcheou, Paris 1851, 1, 214 und 297–299;
auch O. Franke: Geschichte des chines. Reiches, Berlin - Leipzig 1930 ff. 1, 307.
Lunyu 8, 8; Legge 1, 211. Den gesamten Fragenkomplex behandelt auch Xu in seinem wichtigen Buch, 4.
Acker (1954), 61; Goepper (1962), 34.
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Goepper, R. (2000). Feudale Kunstfertigkeiten und musische Künste. In: Aspekte des traditionellen chinesischen Kunstbegriffs. Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88135-9_2
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