Zusammenfassung
Auf dem Hintergrund der Imperative lassen sich Ansätze zur Integration von Wissenschaft und Gesellschaft in Beziehung setzen, wie sie in der Wissenschaftsforschung seit längerem diskutiert werden. Zwei charakteristische Projekte werden einander gegenübergestellt:
Die “Institutionalisierung von Dissens” ist ein pluralistischer Ansatz und begreift sich als Organisationsform für die adäquate Behandlung “transwissenschaftlicher Probleme”, Fragestellungen, die ohne Wissenschaft nicht gestellt oder gar beantwortet werden könnten, zu deren Klärung aber die gängigen Mechanismen der Konsenserzeugung in der Wissenschaft aus verschiedenen Gründen nicht ausreichen. Insbesondere die “Wertgeladenheit” macht in dieser Position eine pluralistische und “faire” Behandlung in einem Konfliktmodell notwendig. Der Expertenpluralismus als Zuordnung von instrumentellem Wissen zu Wertpositionen ist von diesem Projekt aus gesehen die adäquate Form der Integration.
Demgegenüber geht die “Normative Finalisierung” von der Möglichkeit einer Einigung auf “soziale Wichtungen” aus, die als Vorgaben für eine Orientierung auch von Grundlagenforschung dienen. Dazu muß die jeweilige Disziplin aber ein bestimmtes Reifestadium erreicht haben.
Wissenschaft soll in einer Steuerung nach sozialer Relevanz an aufgeklärte, konsensfähige Normen angebunden werden, wodurch die Diskursformen — der theoretische Diskurs zur Prüfung von Wahrheit und der praktische zur Prüfung von Richtigkeit — konvergieren. Damit kann eine bloße Funktionalisierung oder eine Steuerung nach Partikularinteressen verhindert werden. Dies hat Umgestaltungen nicht nur in der kognitiven Zielbestimmung sondern auch in der Institution Wissenschaft von der Disziplinenintegration bis zur Bildung von Problemgemeinschaf ten zur Folge.
Die beiden Projekte können systematisch und zeitlich aufeinander bezogen werden. Dadurch ergeben sich Ergänzungsverhältnisse und Möglichkeiten der Arbeitsteilung. Die Pluralisierung der Dissensorientierung ist angewiesen auf den zumindest partiellen Konsens; die Rationalisierung der Konsensorientierung bedarf zumindest der Vorstufe des pluralen Konflikts. Aus den beiden Projekten läßt sich ein Integrationsprogramm für Wissenschaft und Gesellschaft ableiten, das auf den Imperativen aufbaut.
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Vowe, G. (1984). Integrationsprojekte der Wissenschaft. In: Information und Kommunikation. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 57. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88134-2_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-88134-2_3
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-11710-2
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