Zusammenfassung
Probleme des Verbraucherschutzes (Berücksichtigung von „Konsumenteninteressen“). der Mitbestimmung (Berücksichtigung von „Arbeitnehmerinteressen“), der,.Investitionslenkung“ (gesellschaftliche Bindung des „Kapitalinteresses“), allgemeiner formuliert: Probleme einer Reform der wirtschaftsordnungspolitischen Grundlagen unseres (liberalen) Systems einer freien Marktwirtschaft treten immer mehr in den Mittelpunkt wirtschaftspolitischer und wirtschaftstheoretischer Diskussion. Dies ist ein Kennzeichen dafiir, daß die Harmonie- und Gleichgewichtsvorstellungen, die Politik und Theorie der Marktwirtschaft in der BRD bestimmt haben, ins Wanken geraten sind. Der politisch behauptete und theoretisch legitimierte Interessenausgleich in einem auf individuellen Anarchismus und gesellschaftliche Wohlfahrt ausgelegten Wirtschaftssystem erzeugt in zunehmendem Maß Probleme, die mit den herkömmlichen Mitteln nicht mehr gelöst werden können. Der Interessenausgleich zwischen Kapital, Arbeit und Konsum wird zwar immer noch in der mikroökonomischen Theorie unterstellt, findet in der Praxis aber nicht statt.
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Literatur
Vgl. zu diesem konstruktiven Verständnis des Ziels und der Aufgaben von Wissenschaft im allgemeinen u. a. Lorenzen, P. und Inhetvicen, R., Die Einheit der Wissenschaften, in: Kam¬bartel, F. und Mittelstrab, J. (Hrsg.), Zum normativen Fundament der Wissenschaft, Frankfurt a. Main 1973, S. 79–90. Mittelstraß, J., Das praktische Fundament der Wissenschaft und die Aufgabe der Philosophie, Konstanz 1972. Dieses Programm wurde fir die Betriebswirtschafts¬lehre konkretisiert in: Steinmann, H., Böhm, H., Braun, W., Gcrum, E., Schreyögg, G., Vor¬überlegungen zur methodischen Basis und Programmatik einer Betriebswirtschaftslehre in praktischer Absicht, H. 18 der Arbeitspapiere des Betriebswirtschaftlichen Instituts der Uni¬versität Erlangen—Nürnberg, Nürnberg 1974. Literatur
VgL dazu u. a. Lorenzen, P. und Schwemmer, O., Konstruktive Logik, Ethik und Wissen¬schaftstheorie, Mannheim—Wien—Zürich 1975, S. 148–180, S. 273–317. Schwemmer, O., Philosophie der Praxis, Frankfurt a. Main 1971, S. 106 ff., S. 207–242, Blasche, S. und Schwemmer, O., Methode und Dialektik, in: Riedel, M. (Hrsg.), Rehabilitierung der prak¬tischen Philosophie, Bd. I, Geschichte, Probleme, Aufgaben, Freiburg 1972, S. 457–486. Vgl. programmatisch: Lorenzen, P., Grundlagen der praktischen Philosophie, in: ders., Konstruk¬tive Wissenschaftstheorie, Frankfurt a. Main 1974, S. 22–46, und (bezogen auf die Betriebs¬wirtschaftslehre): Steinmann, H. et. al., Vorüberlegungen… a.a.O., S. 33–59
Diese Kennzeichnung einer jeden vernünftigen Bewältigung praktischer Probleme wurde erst¬mals von Lorenzen eingeführt. Vgl. u. a. Lorenzen, P., Szientismus versus Dialektik, in: Bub¬ner, R. et. aL (Hrsg.), Hermeneutik und Dialektik, Tübingen 1970, S. 57–72.
Vgl. zu dieser Bestimmung vernünftiger Argumentation Kamlah, W. und Lorenzen, P., Lo¬gische Propädeutik, Mannheim—Wien—Zürich, S. 117–150.
Vgl. dazu auch Apcl, K. O., Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft und die Grundla¬gen der Ethik, in: ders., Transformation der Philosophic, Bd. II, Das Apriori der Kommunika¬tionsgemeinschaft, Frankfurt a. Main 1973, S. 358–435. Eine Kurzdarstellung der konstruk¬tiven Ethik findet sich in Braun, W., Praktische Grundlagen einer normativen Sozialwissen¬schaft und der Beitrag der Systemtheorie, in: 1chle, E. (Hrsg.), Systemforschung in der Be¬triebswirtschaftslehre, Stuttgart 1975, S. 24–34.
Die folgenden Ausführungen zum Interessenbegriff orientieren sich an Mittelstraß, J., Ober Interessen, in: dcrs. (Hrsg.)., Methodologische Probleme einer normativ-kritischen Gesell¬schaftstheorie, Frankfurt a. Main 1975, S. 126–159. Vgl. zum Interessenbegriff auch die zum Teil abweichenden methodischen Bestimmungen in Habermas, J., Erkenntnis und Interesse, in: ders., Technik und Wissenschaft als Ideologie, Frankfurt a. Main 1971, S. 146–168. Ga¬briel, G., Definitionen und Interessen, Stuttgart 1972.
Mittelstraß, J., Ober Interessen…, a.a.O., S. 151;
Ebenda, S. 126.
Zur methodischen Einfiihrung des Terminus „Handlung“ vgl. u. a. Lorenzen, P. und Schwem¬mer, O., Konstruktive Logik…, a.a.O., S. 152 ff. „Handlung” läßt sich als Befolgung einer (implizit oder explizit) vorgetragenen Aufforderung rekonstruieren, bestimmte Situationen herbeizuflihren oder nicht herbeizufiihren, und ist als bezweckte Tätigkeit von zielgerichtetem Verhalten und verursachten Reaktionen zu unterscheiden. Damit ist die Handlung der elemen¬tare Terminus, mit dem sich menschliche Praxis als sinnvoller Zusammenhang deuten läßt.
Kambartel, F., Bemerkungen zum normativen Fundament der Ökonomie, in: Mittelstraß, J. ( Hrsg. ), Methodologische Probleme…, a.a.O., S. 110.
Vgl. zur Rechtfertigung von Interessen die Ausfiihrungen im 2. Exkurs.
Vernünftig“ ist eine Interessenverfolgung dann, wenn sie sich „transsubjektiv” rechtfertigen läßt. Zum Prinzip vernünftiger Argumentation über Interessen vgl. u. a. auch Kambartel, F., Moralisches Argumentieren, in: ders. (Hrsg.), Praktische Philosophie und konstruktive Wissen¬schaftstheorie, Frankfurt a. M. 1974, S. 54–72.
Mittelstraß, J., Über Interessen…, a.a.O., S. 141.
Ebenda, S. 141.
Ebenda, S. 142 ff.
Ebenda, S. 151.
Vgl. Kamlah, W. und Lorenzen, P., Logische Propädeutik…, a.a.O., S. 73 f. Um es an einem einfachen Beispiel zu verdeutlichen: Wenn etwas rot ist, dann ist es nicht grün und wenn etwas grün ist, dann ist es nicht rot. Daraus folgt aber nicht, daß dann, wenn etwas nicht grün ist, es rot sein müsse — es könnte ja auch eine andere, nicht rote Farbe besitzen. Bezogen auf Interessen (und grob vereinfacht) bedeutet dies, daß sich konträre Interessen nur teilweise ausschließen, teilweise aber vereinbar oder in ihrer Wahrnehmung sogar sich wechselseitig befördernd sein können.
Um es wieder an einem einfachen Beispiel zu verdeutlichen: Wenn etwas farbig ist, dann ist es nicht farblos und wenn etwas farblos ist, dann ist es nicht farbig. Es gilt zusätzlich die Regel, daß dann, wenn etwas nicht farblos ist, es farbig sein muß und umgekehrt. Bezogen auf Interessen bedeutet dies, daß dann, wenn keine weiteren Handlungsweisen ergriffen werden, die Verfolgung eines Interesses das andere ausschließt und umgekehrt.
Vgl. zur Bestimmung des antagonistischen Interessenkonflikts Mittelstraß, J., Ober Interes¬sen…, a.a.O., S. 152.
Vgl. zum folgenden Neuendorff, H., Der Begriff des Interesses, Frankfurt a. Main 1973. Wolff, R. P., Das Elend des Liberalismus, Frankfurt a. Main 1969. Macpherson, C. B., Die politische Theorie des Besitzindividualismus, Frankfurt a. Main 1973. Hartfiel, G., Wirtschaft¬liche und soziale Rationalität, Stuttgart 1968. Zur Kritik der liberalen Wirtschaftstheorie vgl. u. a. Vogt, W., Zur Kritik der herrschenden Wirtschaftstheorie, in: ders. (Hrsg.), Seminar: politische Ökonomie, Frankfurt a. Main 1973.
Mit den vorangegangenen Ausführungen konnten nur einige wenige Aspekte der Funktion des Kapitals in der Marktwirtschaft gestreift werden. Ergänzend und stellvertretend für einen umfangreichen Literaturhinweis möchten wir lediglich Sweezy zitieren. Vgl. Sweezy, P. M., Theorie der kapitalistischen Entwicklung, Frankfurt a. Main 1971. Eine Analyse der Situation in der BRD findet sich u. a. in Jacggi, U., Kapital und Arbeit in der Bundesrepublik, Frankfurt a. Main 1968.
Zur methodischen Bestimmung des Arbeitsbegriffs vgl. u. a. Kambartel, F., Bemerkungen…, a.a.O., Eine systematische und historische Analyse dieses Begriffs findet sich u. a. in Haber¬mas, J., Arbeit und Interaktion, in: ders., Technik…, a.a.O., S. 9–47. Aus kritisch-Soziolo¬gischer Sicht analysiert u. a. Sève diesen Begriff in Sève, L., Marxismus und Theorie der Persönlichkeit, Frankfurt a. Main 1973, S. 166–176.
Zum Problem der Entfremdung vgl. stellvertretend Israel, J., Der Begriff der Entfremdung, Reinbek b. Hamburg 1972. Oisermann,’T. I., Die Entfremdung als historische Kategorie, Ber¬lin 1965.
Unsere Ausführungen zum Konsumenteninteresse sind, ebenso wie die vorangegangenen, weit¬gehend formal zu verstehen. Eine inhaltliche Auffüllung dieses Begriffs versucht neuerdings Scherhorn, G., Verbraucherinteresse und Verbraucherpolitik, Göttingen 1975. Eine kritische Analyse des Zusammenhangs zwischen Konsum und Arbeit findet sich u. a. bei Habermas, J., Arbeit, Freizeit und Konsum, ‘s Gravenhage: Eversdijck 1973 und in Holzinger, L., Gesell¬schaftliche Arbeit und private Hauswirtschaft, Starnberg 1974.
So wird, mehr als durch Einkommensunterschiede, das Konsumverhalten durch Status und Rolle in der beruflichen Sphäre geprägt. Ausführlicher bei: Czerwonka, Ch., Schöppe, G., Weckbach, S., Möglichkeiten einer frühzeitigen Einflußnahme der Konsumenten auf das Güter¬angebot. Zwischenbericht zum Forschungsprojekt 174 der Kommission für wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel, Frankfurt a. M. 1975, insbesondere die Ausführungen zu „Kon¬sum und Arbeitswelt“, S. 14 ff. Zum Zusammenhang zwischen Lebensstandard und Konsum¬standard vgl. auch: Meyer-Dohm, P., Der Verbraucher in der modernen Gesellschaft, in: Mit¬teilungen der Verbraucherzentrale NRW, 3/4, 1971, S. 24 ff.
So betrachtet kann man der Forderung nach „Selbstverwirklichung“ im Konsumbereich einen vernünftigen Sinn geben. Vgl. Raffée, H., und Specht, G., Basiswerturteile der Marketing-Wissenschaft, in: ZfbF 1974, S. 373 ff., insbes. S. 378. Fischer-Winkelmann, W. F. und Rock, R., Thesen zu weltanschaulichen Basis und zu den gesellschaftlichen Implikationen neuerer Marketing-Konzeptionen in: Fischer-Winkelmann/Rock (Hrsg.), Diskussionsbeiträge für das 1. Wuppertaler Wirtschaftswissenschaftliche Kolloquium (WWK) über einzel-und ge¬samtwirtschaftliche Fragen der Marketing-Wissenschaft, Wuppertal 1975, S. 50 ff. Kroeber-Riel, W., Ideologische Komponenten der entscheidungsorientierten Absatztheorie, in: Wein¬berg, P., Behrens, G., Kaas, K. P. (Hrsg.), Marketingentscheidungen, Köln 1974, S. 29 ff. Bier-vert, B., Wirtschaftspolitische, sozialpolitische und sozialpädagogische Aspekte einer verstärk¬ten Verbraucheraufklärung. Forschungsbericht der Forschungsstelle für empirische Sozialöko¬nomik, Köln 1972, S. 8 ff.
Das grundsätzlich antagonistische Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit folgt nur implizit aus unseren Ausführungen zum Liberalismus. Eine genauere Analyse müßte den Wertzusam¬menhang aufzeigen. Vgl. dazu u. a. Himmelmann, G., Arbeitswert, Mehrwert und Verteilung, Opladen 1974.
Vgl. dazu u. a. die Argumentation in Habermas, J., Legitimationsprobleme im Spätkapitalis¬mus, Frankfurt a. Main 1973. Hondrich, K. O., Theorie der Herrschaft, Frankfurt a. Main 1973. Offe, C., Strukturprobleme des kapitalistischen Staates, Frankfurt a. Main 1972.
Unter „Staat“ verstehen wir dabei nicht eine Teilgruppe der Gesellschaft, sondern einen ausge¬gliederten Funktionsbereich, der (unter demokratischen Bedingungen) als Instrument für eine emanzipierte Veränderung des Grundwiderspruchs dienen kann. Es besteht so die Möglich¬keit, Reformen auch gegen Kapitalinteressen durchzusetzen und mit geeigneten Wirtschafts¬lenkungsmatinahmcn Krisen abzuwehren, die Reformen gefährden würden. Zur Illustration sei an das Schwedische Modell einer integrierten Investitionslenkung und Mitbestimmung (ein¬schließlich der Mitbestimmung am Arbeitsplatz über selbststeuernde Gruppen) erinnert. Vgl. zum Problem der Investitionslenkung u. a. Schwiering, D. und Zerdick, A., Private Investi¬tionen und gesellschaftliche Interessen, Köln 1977 (im Erscheinen).
Vgl. dazu auch Himmclmann, G., Globalstcucrung und Warenwirtschaft (unveröffentliches Manuskript): „Das Interesse des Konsumenten ist es, qualitativ gute Waren preiswert einzukau¬fen. Da die Konsumenten keine Organisation haben, bleiben ihre Interessen permanent im Kampf mit den Produzenten unterlegen.“ Unterlegen bleiben die Interessen der Konsumenten, obwohl sie mit den Arbeitsinteressen verknüpft sind, deshalb, weil die Arbeitenden durch das Kapitalinteresse auf Einkommensmaximierung fixiert sind und ihnen so ihr Interesse als Kon¬sument aus dem Blickfeld gerät. Da der Marktmechanismus den Ausgleich nicht leistet, bietet sich auch hier die Möglichkeit an, durch entsprechende Lenkungsmaffnahmen einen Ausgleich zu schaffen.
Damit soll zum Ausdruck kommen, daß zwischen Arbeit und Konsum prinzipiell kein Kon¬flikt bestehen müßte, wenn das Kapitalinteresse diesen Konflikt nicht verursachen würde. Kapital-und Arbeitsinteressen wären also prinzipiell kompatibel und sind nur deshalb konträr, weil das Verhältnis zwischen „Produktion“ und Konsum prinzipiell kontradiktorisch ist.
Vgl. oben.
Wir verzichten hier auf eine detaillierte Darstellung und Kritik einzelner Modelle, da wir nur im allgemeinen begriffliche Zusammenhänge aufzeigen wollen.
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Braun, W., Wimmer, F. (1977). Kann die Mitbestimmung Konsumenteninteressen berücksichtigen? — Überlegungen zur Kritik und Reform des Interessenkonflikts zwischen Kapital, Arbeit und Kosum. In: Fischer-Winkelmann, W.F., Rock, R. (eds) Marketing und Gesellschaft. Wirtschaftswissenschaft als Sozialwissenschaft, vol 1. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88055-0_11
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